Poetische Vorstellungen versus pragmatisches Leben

Der Autor Jakob Nolte scheint Geschmack daran gefunden zu haben, eine Strindberg-Hölle zu entfachen, nur unter Frauen. Die können nicht voneinander lassen, auch wenn es genug Anlass gibt, aufgrund einer gezielten Invektive das Gespräch schon nach fünfzehn Minuten abrupt zu beenden. Diese Frauen kennen sich gut, sie kennen auch die Schmerzensgrenze des Gegenübers, die nach Belieben, quasi aus einem spontanen sadistischen Impuls heraus überschritten wird. Nolte versucht es mit sprechenden Namen. Maren Eggert heißt Anna Krachgarten und das passt. Anna setzt mehr auf ihre Phantasien und Phantasmagorien und hält ihre subjektive Wirklichkeit für wahre Wirklichkeit (und steht damit in einer dichterischen Tradition) und erträumt sich einen idyllischen Garten, in dem es wegen ihrer Unfähigkeit zur Harmonie ständig kracht. Das fängt schon mit den Kürbissen an. Anna erinnert sich an einen Strandurlaub in Südeuropa, bei dem vor ihrem geistigen Horizont Kürbisse erschienen sind, die an Glocken erinnerten. Eine poetische Vorstellung, die vom pragmatischen Leben, das von Elisabeth Mishima (Natali Seelig) vertreten wird, himmelweit entfernt ist. Dementsprechend heißt das Stück "Gespräch wegen der Kürbisse". Ein völlig verfehlter Titel, denn die Kürbisse sind nur ein Gesprächsfragment und die Vereinbarung übers Gespräch ging den Kürbissen voraus, und die erzeugen keine Initialzündung. Die erprobte Kriegenburg-Darstellerin Natali Seelig als Elisabeth Mishima ist wahrlich nicht der japanische Dichter Yukio Mishima, nicht einmal ein entferntes Surrogat. Sie lebt eher in der Welt der Technik, des Machbaren, der pragmatischen Vernunft. Abgesehen von ihren Übertreibungen, ihren sinnlosen Hyperbeln, die vor allem beeindrucken sollen.

 

Ein Showdown mit untergründigen sado-masochistischen Elementen

Der Regisseur Tom Kühnel sucht das Beste aus der Vorlage zu machen. Viel "Kapital" hat er nicht in den Händen. Da ist zum einen die Bühne (Jo Schramm), die ständig kreist und sich dabei auf der selben Stelle dreht wie eine zerkratzte Schallplatte. Ohnehin kreist das ganze Gespräch unausgesetzt um sich selbst. Zum anderen sind da die Schauspielerinnen, die sich gestisch mächtig ins Zeug legen. Im Grunde ist es egal, über was sie gerade reden und streiten. Ob über Kürbisse, Raketen, angeschwemmte Leichen, die von der Natur entsorgt wurden oder Vater-Tochter-Konflikte – der Text ist nur Anlass für ein Befindlichkeitstheater, ausgetragen von zwei Frauen, die aneinander kleben, einen selbstgewollten Showdown zelebrieren und dabei untergründige sado-masochistische Gelüste ausleben. Was das aktuelle Thema ist, spielt keine Rolle. Eine Frau könnte beispielsweise behaupten, dass ihr der Papst die Füße gewaschen hat. Die andere würde sie dann auffordern, das zu schwören. Und so weiter. Maren Eggert zeigt trotz gelegentlichen Giftverspritzens eine Sensibilität, die an Zerbrechlichkeit grenzt. Natali Seelig, die Punktsiegerin, spielt die Robustere, die eine männliche Attitüde an den Tag legt und – leider – gestisch überforciert agiert. Ein solches Stück kann nur blühen, wenn dem Autor spritzige, espritreiche Dialoge gelingen, wie das aktuell etwa bei Yael Ronen der Fall ist. Das ist das Problem des Abends. Übrig bleibt ein reines Schauspielerinnen-Theater, bei dem zwei mimisch talentierte und motivierte Frauen teilweise brillieren können. Und die Stammzuschauer, die an die unverbrüchliche Marke Deutsches Theater glauben, haben diese Darstellerinnen im Laufe der Jahre liebgewonnen, man ist mit ihnen ein Stück gealtert. An einer anderen Spielstätte hält sich diese Identifikation wohl in bescheideneren Maßen.

Gespräch wegen der Kürbisse
von Jakob Nolte
Regie: Tom Kühnel, Bühne: Jo Schramm, Kostüme: Linda Tiebel, Dramaturgie: Ulrich Beck.
Mit: Maren Eggert, Natali Seelig.

Deutsches Theater Berlin, Hinterbühne der Kammerspiele.

Uraufführung war am 26. Juni 2016, Rezension vom 5. Juli 2016
Dauer: 60 Minuten

 

 

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