Ulrich Matthes

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Hineingeschlittert in den Blutrausch

Macbeth wird von Ulrich Matthes gespielt, der sich im Vergleich zu seinen beiden letzten Theaterrollen etwas verbessert zeigt. Er, der schon immer einmal den Macbeth spielen wollte, eignet sich nicht unbedingt zum brüllenden Bösewicht mit blutdürstigem Gesicht. Gewiss, er blickt streng drein, umwölkt zuweilen, und seine Augen sind in tiefe dunkle Höhlen eingelassen, die einen gewissen Abgrund offenbaren. Nicht a priori böse, ist dieser Macbeth in den Blutrausch quasi hineingeschlittert, verlockt von den schmierigen, geifernden Hexen und der machtlüsternen Lady. Macbeth ist vielleicht zum König berufen, aber dafür nicht geboren. Seine Selbstzweifel und Gewissenbisse stellt er vor dem Publikum aus, als sei ihm angesichts der eigenen Hybris der Schrecken in die Hose gefahren. Aber er hat durch den Mord an König Duncan ein Rad ins Rollen gebracht, das sich nun aus sich selbst bewegt und nicht mehr zu stoppen ist. Ein Mord zieht den nächsten nach sich – schon allein wegen vermeintlicher Zeugen. So muss auch Macbeths Begleiter Banquo (Felix Goeser) dran glauben, weil er Zeuge der Hexenprophezeiungen war. Goeser hat das unnachahmliche Talent, sein freundliches, wie für Omas reserviertes Lächeln in eine Schlägervisage zu verwandeln. Es sind jene Augenblicke, bei denen er sein zartes Deklamieren mit der Kanone vertauscht. Und Matthes' Talent? Es ist ohne Zweifel groß, doch scheinen seine Theaterrollen hinter den Filmauftritten zurückzubleiben.

 

In einer Traumwelt

Bei Maren Eggert als Lady Macbeth entsteht mitunter der Eindruck, als spiele sie nur unter Protest. Hatte man bei Jette Steckels Das weite Land noch das Gefühl, dass Eggert ihre Rolle gern verkörpert und in sie hineingewachsen ist, so wirkt sie nun wie ein Fremdkörper, der sich im falschen Film wähnt. Obwohl sie Anstifterin einer Mordkarriere ist, erinnert sie an jemanden, der mit dem Leben abgeschlossen hat und nur das begonnene Spiel zuende bringt. Das Gesicht ist eher teilnahmslos, große Gesten und mimisches Raffinement sucht man vergeblich, erst recht das Aufblitzen eines erhabenen, würdevollen Gefühls. Lady Macbeth lebt in einer mit Phantasmagorien gesättigten Traumwelt, einem künstlichen Surrogat, das allmählich in den unvermeidlichen, eher beiläufig dargestellten Wahn übergeht. Maren Eggert zeigt sich nur dann in Höchstform, wenn die Rolle auf sie zugeschnitten ist und von ihr innerlich angenommen wird.

 

Viele Tote, aber kein Kunstblut

Der Regisseur Tilmann Köhler durchläuft alle wichtigen Stationen und Ereignisse des Stückes und nimmt gelegentlich Kürzungen vor. Mit dieser Regiearbeit könnte er sich bestens für Peymanns Berliner Ensemble empfehlen. Köhler lässt weitgehend vom Blatt spielen und verleiht dem Drama keinen neuen Ansatz, der auf die Gegenwart Bezug nimmt oder gar mit einer neuen Interpretation aufwartet. Statt an eine Aktualisierung zu denken, geht Köhler zurück in eine Welt, die aufgrund der Abwesenheit von allgemeingültigen Regeln von ephemeren Strebungen, spontan aufflackernden Trieben und Lüsten geprägt ist. Roh und ungeschliffen sind die Menschen, und sie springen auch mal gern gegen die Holzwände, dass die Gefahr besteht, eine Platte könnte herunterkrachen. In der Mitte des Menschenknäuels befindet sich Funkturm Neukirch, der wegen seiner Größe alle überragt und den eine IS-ähnliche Kampfuniform genauso dekoriert wie seine nackte Brust, aus der schon graue Elemente hervorsprießen. Trotz der vielen Liquidierungen ist es eine gänzlich unblutige Angelegenheit, die Figuren sterben teilweise durch Handauflegen. Offensichtlich wollte Köhler dem Protagonisten Matthes das Herumfuchteln mit dem Schwert und ein überbrachiales Auftreten ersparen. Wenn diese Inszenierung überhaupt etwas zu sagen hat, dann ist es die Tatsache, dass alle verbindlichen Werte aufgelöst sind in einem vorzivilisatorischen Winkel, der von dumpfer Animalität regiert wird. Und es ist anzunehmen, dass Duncons Sohn Malcolm der gleiche Säbelrassler ist, der den vorigen Zustand nur perpetuiert.

Macbeth
von William Shakespeare
Deutsch von Dorothea Tieck
Fassung von Sonja Anders und Tilmann Köhler
Regie: Tilmann Köhler, Bühne: Karoly Risz, Kostüme: Susanne Uhl, Musik: Jörg-Martin Wagner, Dramaturgie: Sonja Anders und Hannes Oppermann.
Mit: Felix Goeser, Matthias Neukirch, Maren Eggert, Ulrich Matthes, Timo Weisschnur, Elias Arens, Thorsten Hierse.

Deutsches Theater Berlin

Premiere vom 19. März 2015
Dauer: 2 Stunden 20 Minuten, keine Pause

 

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