Deutsches Theater Berlin: Kritik von "Persona" - Anna Bergmann
Ingmar Bergmans Psycho-Drama in den Kammerspielen. Corinna Harfouch als Krankenschwester gleicht sich ihrer Patientin immer mehr an.
© Arno Declair
Eine schleichende Vermischung der Identitäten
Der Aufenthalt in der Klinik verläuft normal, wären da nicht die unkonventionellen weißen Stoffbahnen, die von oben herabhängen. Die extravagante, ungezwungene Dekoration soll wohl auf die innerliche Befindlichkeit der beiden Frauen hinweisen. Da Elisabeth (Karin Lithman) nicht von einer Lähmung der Sprechwerkzeuge befallen und als gesund einzustufen ist, entlässt die Ärztin (Franzika Machens) die Schweigsame aus den aseptischen Räumlichkeiten und "überweist" sie aus offensichtlich barer Menschlichkeit in ihr – welch Luxus – Sommerhaus. Alma (Corinna Harfouch), bislang ständige Begleiterin, darf oder muss sie dort weiterhin behandeln, und sie entfaltet dabei eine ungewöhnliche Intensität. Das Bühnenbild ist nun eine große, spiegelnde Muschel, die ein flaches Wasserbecken umrahmt. Die Behandlung scheint vor allem der Schwester gut zu tun: Sie durchläuft sichtlich einen Verjüngungsprozess. War sie noch anfangs eine vertrocknete Matrone mit altmodischer Haube, so zeigt sie sich über den Weg von spröden Rustikalzöpfen letztlich als vitale Langhaarige, die jederzeit in einem Club einlaufen könnte. Die Aneinandergleichung der Identitäten erreicht ihren Gipfel, es ist wie beim Herrn, der zum Hund geworden ist. Corinna Harfouch erzählt viele Geschichten, viel auch aus ihrem eigenen Leben, vielleicht aus Fürsorge, vielleicht, um der vermeintlichen Patientin zu imponieren oder sich selbst zu finden. Eigentlich sind das Selbstgespräche als Eigentherapie, aber Alma versucht auch, bei der bekannten Schauspielerin "gut anzukommen".
Die Innerlichkeit lebt
Zwischendurch sehen wir Videobilder, die das Innere von Elisabeth widerspiegeln sollen. Die ohnehin vorhandene Psycho-Ebene wird dadurch gesteigert, als sei das Leben ein Wechselspiel von Subjektivismus und Eskapismus ohne realistische Verankerung. Ein Coup von Anna Bergmann ist es, "I'll be your mirror" von Velvet Underground aus der Bananen-Platte einzuspielen. Der Song passt genau zum Inhalt, leider wird er von Elisabeth gesungen – es geht doch! - und nicht im Original. Wie sie plantschen! Alma und Elisabeth tummeln sich im Becken, raufen und umarmen sich und bemalen sich die Gesichter, als seien sie auf Innerlichkeitstour befindliche Zwillinge, die sich selbst entdecken. Ein Brief von Elisabeth an die Ärztin verrät, dass sie Alma als kaltes Studienobjekt betrachtet, das nicht weiter ernst zu nehmen sei. Alma liest das Schreiben und entschließt sich zur Rache, gibt sie dann aber wieder sukzessive auf, zu groß ist die von der Schauspielerin ausgehende stille Faszination. Der Schluss ist ein wenig banal: Elisabeth beginnt zu sprechen und begibt sich ins Publikum. Ist sie bei Anna Bergmann geheilt? Die Inszenierung ist etwas für Leute, die gerne inwendige Entdeckungsreisen machen und sich für auf Abwege geratene Seelenzustände interessieren. Zumindest schauspielerisch ist die Inszenierung zu goutieren.
Persona
nach dem Film von Ingmar Bergman
Übersetzung: Renate Bleibtreu
Regie: Anna Bergmann, Bühne: Jo Schramm, Kostüme: Lane Schäfer, Musik: Hannes Gwisdek, Video: Sebastian Pircher, Dramaturgie: Sonja Anders / Felicia Ohly.
Mit: Karin Lithman, Corinna Harfouch, Franziska Machens, Andreas Grötzinger.
Deutsches Theater Berlin, Berlin-Premiere war am 30.11.2018, Kritik vom 1.12.2018.
Dauer: 90 Minuten, keine Pause
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)