© Arno Declair

 

 

Ein Krieger, aber kein Staatsmann

Die Regisseurin hat sich einen fragwürdigen Kunstgriff ausgedacht. Kate Strong geistert als eine Art Lückenbüßerin daher, verknüpft Szenen miteinander und bewältigt die Übergänge, das aber in einer Sprache, die Deutsch mit Englisch auf bizarre Weise verquickt . Ein kauderwelschender Potpourri, der das empfindliche Ohr nicht gerade verwöhnt. Das Auge hat es leichter: An der Seitenwand ist ein Schattenriss einer Großstadt bei Nacht zu sehen, es gibt eine Vorder- und Hinterbühne, die Haupthandlungen spielen sich zu Tisch ab. Dieser schmale, etwas mickrig und harmlos wirkende Mann im Mittelpunkt: Ja, das ist Goldberg als ein Usurpator-Darsteller, dessen Anblick wohl niemand in Schrecken versetzt. Er ist ein Dressur-Produkt seiner Mutter (Kate Strong, Bernd Moss, Anita Vulesica), die es bedauerlicherweise bei ihre Erziehung nicht geschafft hat, aus einem Krieger einen Staatsmann in Personalunion zu formen. Von Cäser ist nicht viel zu sehen, umso mehr von den Verschwörern. Immerhin schätzt der clevere, aus eigener Kraft starke Imperator Cassius (Bernd Moss) richtig ein: "Der Cassius dort hat einen hohlen Blick; Er denkt zuviel: die Leute sind gefährlich... Und solche Leute haben nimmer ruh, solang die jemand größer sehn als sich." Angesichts der Blutrünstigen ist es eine Erfrischung, der Verschwörergruppe zuzuhören, dem freien Walten der – selbstverständlich auch intriganten - demokratischen Kräfte, doch Antonius (Manuel Harder) hält eine fulminante Grabrede, die das tumbe Volk noch einmal herumzureißen vermag. Kühle, die Gehirne vernebelnde Diplomatie und unbedingter Herrschaftsanspruch verhindern eine Volksherrschaft. Harders Grabrede – man könnte auch sagen: Brandrede – fehlt es allerdings ein wenig an Furor und Verve. Die Demokratie ist wieder einmal nur aufgeflackert.

 

Solidarisieren, mitmarschieren

In "Antonius und Kleopatra" ist er müde geworden, der Herrscher. Mit dem kriegerischen Fach hält Antonius es nicht mehr so sehr, die Knochen sehnen sich nach Entspannung, Komfort und Bequemlichkeit, die er im Schoß der geheimnisvoll-hübschen Kleopatra zu finden hofft. Nur einen lästigen Rivalen gibt es noch, Oktavius, der Großneffe Cäsars, den er über Gebühr unterschätzt. Wie hier Benjamin Lillie und Camill Jammal als kommender Augustus ausgestattet sind und wie naiv sie dreinblicken, ist wohl nicht einmal mehr diskutabel. Um Friede zu stiften, heiratet Antonius widerwillig Octavius' Schwester (Wiebke Mollenhauer), deren provisorischer Glanz sogleich erlischt. Eigentlich zieht es Antonius zur unwiderstehlichen Kleopatra (Anita Vulesica), die, von exorbitantem Machtstreben angetrieben, ihre Krallen ausfährt und ihm heftige Vorhaltungen macht. Nein, so geht man nicht mit einer Kleopatra um. Insgesamt ist das ein lebenssafthungriges Spektakel, in dem viel mit Kunstblut herumhantiert wird. Es wird nicht selten zu Lausprechern gegriffen, um sich Gehör zu verschaffen, Erinnerungen an längst vergangene Demos steigen auf: Solidarisieren, mitmarschieren! Und das Volk solidarisiert sich – mit den Herrschern, im Gleichschritt – Marsch! Es ist bestimmt nicht die Absicht Karin Henkels gewesen, das Volk zu denunzieren. Aber implizit schwingt so etwas mit, wenn man sich die leicht zu betörenden, obendrein bestechlichen Massen ansieht. Immerhin ein nicht unbeträchtlicher Teil des Volkes läuft auch heute wieder einer Handvoll repressiv orientierter Glücksversprecher hinterher.

 

Rom
nach "Coriolan", "Julius Cäsar" und "Antonius und Cleopatra"

von William Shakespeare
Bearbeitung und Übersetzung: John von Düffel

Fassung: Karin Henkel, John von Düffel
Regie: Karin Henkel, Bühne: Thilo Reuther, Kostüme: Tabea Braun, Sophie Leypold, Musik: Lars Wittershagen, Licht: Matthias Vogel, Dramaturgie: John von Düffel.
Mit: Bernd Moss, Wiebke Mollenhauer, Felix Goeser, Anita Vulesica, Michael Goldberg, Manuel Harder, Camill Jammal, Benjamin Lillie, Kate Strong, Jacob Braune / Bennet Schuster.

Deutsches Theater Berlin, Premiere vom 16. März 2018
Dauer: 3 Stunden 15 Minuten, eine Pause

 

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