Man liebt falsch

Orsino, der Herzog von Illyrien (Andreas Döhler), unrasiert und mürrisch, sitzt in einem eleganten Morgenmantel herum und scheint auf bessere Zeiten zu warten. Sein Amtssitz ist auf neuestem technologischen Standard, ihm steht eine transparente Raumkapsel als mobiles Fluggerät zur Verfügung. Bedauerlicherweise liebt er die Gräfin Olivia (Susanne Wolff), die sich aber wider Willen in seinen Boten Cesario verliebt hat. Der ist in Wahrheit Viola, die sich nach einem Schiffsunglück aus Überlebensgründen in Cesario verwandelt hat. Um das Verwirrspiel auf die Spitze zu treiben, lässt es Shakespeare auch noch zu, das Viola/Cesario ihre geheimen, zartesten Gefühle an Orsino heftet. Katharina Marie Schubert als Cesario wirkt teilweise wie ein unbedarfter Schuljunge, der zwischen dem werbenden Orsino und Olivia vermittelt und ihre verhaltenen Gefühlsstürme ertragen muss. Susanne Wolff, in opulenten Kleidern steckend, bleibt diesmal unterhalb ihre Möglichkeiten. Gebremster Schaum, weil ihre relativ undankbare Rolle keinen Überschwang, kein elektrisierendes Spiel zulässt und nach Gesetztheit verlangt.

 

Aufführungsplakat, Bernd Moss

© Steffen Kassel

 

Die intrigierende Party-Gesellschaft

Das Motiv der gestrandeten Olivia hat es Pucher wohl angetan. Auf der Leinwand sehen die Zuschauer fortwährend Unterwasseraufnahmen, bei denen Fische, Algen und wie Kaulquappen dahinfließende Spermien auftauchen und wieder verschwinden. Derartige Fruchtbarkeitssymbole zeugen von der permanenten Präsenz des Geschlechtlichen. Doch entschieden sind die Figuren nur bei jenen Personen, die sie nicht wollen - bei den Objekten ihrer Leidenschaft hingegen fehlen das Feuer und das Überströmende.

Das Zwischenspiel mit Malvolio (Wolfram Koch) wird auch in dieser Inszenierung zu einer Art Höhepunkt. Die Party-Gesellschaft von Sir Toby (Christoph Franken) und Sir Andrew (Bernd Moss) wird nicht gerade triumphal durch das Kammermädchen Maria (Anita Vulesica) ergänzt. Alle tragen bunte, poppige Klamotten und sind präpariert für entfesselte Club-Abende, die aber nur in einer bescheidenen Kammer stattfinden. Natürlich tauschen Franken und Moss rasante Zungenküsse aus, als gäbe es keine Geschlechtsunterschiede. Um den stets nörgelnden Malvolio die Grenzen aufzuzeigen, wird ihm ein fingierter Brief der angeblich in ihn verliebten Olivia untergeschoben. Malvolio wird plötzlich zum eitlen Geck, der mit stolz geschwellter Brust sich als gehobner Herr wähnt und nur noch darauf blickt, was alles hinter und unter ihm liegt. Eine hervorragende komödiantische Leistung von Wolfram Koch!

 

Die Liebe oder wie man es allen recht machen kann

Man muss nur lange genug abwarten, dann entknotet sich die Geschichte von selbst. Wie aus dem Nichts taucht Violas verschollener Zwillingsbruder Sebastian auf, und der deus ex machina bringt die Dinge sogleich ins Reine. Viola deckt ihr wahre Identität auf und kann so Orsino heiraten, der seine fehlgeleitete Liebe zu Olivia anscheinend längst verarbeitet und vergessen hat. Die Doppelhochzeit am Ende erweist sich als Liebesfarce. Die Liebe oder wie man es allen recht machen kann. Und dazu blechtrommelt Margit Bendokats Narr und gibt Weisheiten von sich. Die Verpackung liefert der unermüdliche Stefan Pucher, der, wenn die großen hehren Worte fehlen, auf grelle Effekte als Stilmittel nicht verzichten kann. Im Grunde ist er ein wenig filigraner, ins üppig Demonstrative greifender Verpackungskünstler, dessen Bildersprache mit dem Holzhammer ästhetisch überwältigen will. Was ihm manchmal auch gelingt. Und das Fazit dieses Stückes: Wer aufrichtig und hartnäckig liebt, kommt auch über Umwege zu seinem Ziel? Nach der Premierenfeier kräht auf dem Vorplatz ein enervierter Zuschauer: "Aber ich liebe doch Berlin. Warum werde ich nur so behandelt?" Wahrscheinlich liebt er nicht genug.

Was ihr wollt
von William Shakespeare

Deutsch von Jens Roselt
Regie: Stefan Pucher, Bühne: Barbara Ehnes, Kostüme: Annabelle Witt, Musik: Christopher Uhe, Video: Chris Kondek, Phillip Hohenwarter, Dramaturgie: Juliane Koepp, Licht: Matthias Vogel.
Mit: Susanne Wolff, Wolfram Koch, Margit Bendokat, Andreas Döhler, Katharina Marie Schubert, Christoph Franken, Bernd Moss, Anita Vulesica, Musik: Michael Mühlhaus, Masha Qrella.

Deutsches Theater Berlin

Premiere vom 27. Februar 2014
Dauer: ca. 2 Stunden, 15 Minuten, keine Pause

 

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