Christian Hankammer, Richard Manualpillai, Mariann Yar, Til Schindler, Esther Maria Hilsemer

© Arno Declair

 

Wiederkehrende Alpträume

Auch "Your very own double crisis club” gehört zur langen Nacht der Autorinnen. Die israelische Autorin Sivan Ben Yishai hat die Regie András Dömötör anvertraut, der auf kraftvolles Leiden setzt. Der Gesang, gut und hörbar, bedauerlicherweise überwiegend unerheblich, teilt mit, dass die Alpträume immer wieder zurückkehren. Im Hintergrund nichts weiter als eine dunkle kahle Wand, die sich jäh in nichts auflöst. Nun sitzt der DT-Schauspieler Felix Goeser am Schlagzeug und die Stadt ist ein flammendes Inferno. Vertraute Klänge dröhnen ins Publikum: "There Is a Light That Never Goes Out" von The Smiths mit Kultstar Morrissey. Ja, bring mich nach draußen, wo viele Menschen und Lichter zu sehen sind, aber bring mich bitte nicht nach Hause zurück, denn es ist nicht meine Heimat, mein Daheim. Beim Ausklingen dieser gesungenen Worte platzt Judith Hofmann herein, um gegen eine vermeintliche "Schwanz-Republik" zu agitieren. Sie erklimmt hohe Tonlagen und Krächzlaute und wird dann bassig, sie kreischt, jammert und japst wie eine verlorener Straßenköter. Der Bürgermeister Goeser hingegen reagiert scharf und autoritär. Trotz all der Kalamitäten, trotz der eminenten Dauerkrise hören wir poetisch Angehauchtes: Man befindet sich "im letzten Herzschlag der Stadt". Die Situation dichterisch zu verklären fühlt sich ansonsten niemand berufen.

 

Til Schindler, Felix Goeser, Mariann Yar

© Arno Declair

 

Die Käfer fliegen durch die Luft

Eine abgestürzte Welt wird besichtigt, eine feine Sache ist das mitnichten. Wie nach dem Betätigen eines Schalthebels wird die Bühne umgekrempelt zu einem Wohnzimmer, das altmodisch modern eingerichtet ist mit Hirschgeweihen, nostalgisch stimmenden Lampenschirmen und fragwürdigen Schätzen der Altvorderen. Darin lässt es sich leidlich leben, in einer Atmosphäre, wo "zwischen den Hausdächern die Käfer durch die Luft fliegen". Das Wir jammert und das Ihr, wohl mit mildem Lächeln, lässt es über sich ergehen. Die Ankläger wissen: "Unsere Geschichte ist nur ein Kapitel eurer Geschichte", so als wäre der ausgebrochene Konfliktherd eine rein westliche Angelegenheit. Das ist ein bisschen zu kurzsichtig, zu dünn. Wie auch die Inszenierung mitunter an geistiger Dürre kränkelt. Nach all dem vorbeigerauschten Disco-Fieber ist es nicht leicht, eine emphatische Empathie-Haltung einzunehmen. Gegen Ende kommt es zu einer Art Spießer-Verheißung. Goeser und Hofmann umarmen sich in gebändigter Leidenschaft, bieder, aber einigermaßen innig. Knutsch. So recht will das nicht passen.

 

Your very own double crisis club
Ein übersetztes Klagelied mit furchtbarem Akzent von Sivan Ben Yishai
übersetzt von Henning Bochert
Regie: András Dömötör, Ausstattung: Sigi Colpe, Musik: Tamás Matkó, Dramaturgie: Claus Caesar, Marion Hirte.
Mit: Felix Goeser, Mariann Yar, Judith Hofmann, Richard Manualpillai, Hicham-Tankred Felske, Til Schindler, Christian Hankammer, Esther Maria Hilsemer.
Deutsches Theater Berlin, Uraufführung, Kritik vom 24. Juni 2017
Dauer: 90 Minuten, keine Pause

© Arno Declair

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