Die Entstehungsgeschichte von "Alice in Chains"

"Geburtsort" der Bands "Nirvana" und "Alice in Chains" war Seattle, die mit über 600 000 Einwohnern größte Stadt im Nordwesten der USA. Seattle verfügt über eine der renommiertesten Universitäten der USA und ist schon mehrfach zur lebenswertesten Stadt der USA gewählt worden. Hier entwickelte sich in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine neue Richtung der Rockmusik, der sogenannte "Grunge". Der "Grunge" enthielt vor allem Stilelemente des "Punk" und des "Heavy Metal". Nirwana neigte, plakativ ausgedrückt, eher dem "Punk" zu, während "Alice in Chains" die harten Gitarrenriffs bevorzugte, wie sie typisch sind für den "Heavy Metal". Ein weiteres Charakteristikum von "Alice in Chains" war der zweistimmige Gesang von Sänger Layne Staley und Gitarrist Jerry Cantrell, bei dem die sanfte, fast engelhafte Stimme von Jerry Cantrell einen reizvollen Kontrast bildete zu der raueren, aber ungemein ausdrucksstarken Stimme von Layne Staley. Auffällig waren auch die düsteren, depressiven, häufig um das Thema "Drogenkonsum" kreisenden Texte der Band.

Aufstieg und Niedergang von "Alice in Chains"

Anfang der neunziger Jahre erlebte "Alice in Chains" einen kometenhaften Aufstieg zu einer der populärsten Rockbands der USA. Ihre Alben "Facelift", "Dirt" und "Alice in Chains" wurden gefeiert. Auch ihre Tourneen waren sehr erfolgreich. "Alice in Chains" errang weltweite Popularität. Mitte der neunziger Jahre wurde es dann merklich stiller um die Band, Tourneen fanden immer seltener statt. Erste Gerüchte über eine schwere Drogenabhängigkeit Layne Staleys machten die Runde. Ein offenes Geheimnis war bereits die Drogenabhängigkeit des Bassgitarristen Mike Starr, der daraufhin die Band verlassen musste und durch Mike Inez ersetzt wurde. Schließlich ließ sich auch die Drogenabhängigkeit Layne Staleys nicht mehr verheimlichen. Ein erschütterndes Dokument des desolaten Zustands, in dem sich der Sänger bereits Mitte der neunziger Jahre befand, ist der Mitschnitt eines Konzerts von 1996, bei dem "Alice in Chains" "unplugged", also ohne Verstärker, auftraten. Sehr anrührend waren hier die Bemühungen Layne Staleys, noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren, um seine Qualitäten als Sänger zu demonstrieren, und seine Freude, als ihm dies wirklich gelang, was sicherlich auch der tollen Unterstützung durch die anderen Bandmitglieder, aber auch durch das Publikum im Saal zu verdanken war. Dieses war einer der letzten öffentlichen Auftritte von Layne Staley. Kurz darauf zog er sich fast vollständig aus der Öffentlichkeit zurück, weil er einen Schicksalsschlag erlitten hatte, von dem er sich nie mehr erholt hat.

Die Tragödien im Leben des Layne Staley

Zunächst möchte ich, bevor ich auf das Ereignis im Leben des Layne Staley zu sprechen komme, das endgültig seinen Lebenswillen zerstört hat, noch einmal auf seine Drogenabhängigkeit zu sprechen kommen. Denn dass jemand – harte - Drogen nimmt, hat ja immer eine Ursache. Bei Layne Staley war dies, so unglaublich dies auch klingen mag, der Umstand, dass sein Vater in sein Leben trat. Das heißt: Laynes Vater, mit dem die Familie lange Zeit keinen Kontakt mehr gehabt hatte, weil er drogenabhängig war, sah Bilder von Laynes Auftritten in der Presse, nahm daraufhin Kontakt mit ihm auf, traf sich regelmäßig mit ihm und hat ihn höchstwahrscheinlich zum Konsum harter Drogen verleitet. Der Schicksalsschlag, den Layne Staley nicht mehr verkraftet hat, war der Tod seiner Freundin Demri Lara Parrott im Herbst 1996. Demri Lara Parrott, die ebenfalls an den Folgen ihrer Drogenabhängigkeit starb, war die Liebe seines Lebens. Noch heute zeugen Webseiten im Internet, die ihrem Andenken gewidmet sind, davon, dass sie eine ungewöhnlich schöne und charismatische junge Frau war – ein modernes Schneewittchen. Auch auf dem Cover des Albums "Dirt" ist Demri verewigt.

Gesellschaftliche Hintergründe

Die Entstehung der Musikrichtung in Seattle, die unter dem Namen "Grunge" viele junge Menschen nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt bewegt und begeistert hat, die allerdings auch zu einem Symbol für den Konsum harter Drogen geworden ist, hat natürlich bestimmte gesellschaftliche Hintergründe. Zunächst ist augenfällig, dass viele Protagonisten der Grunge-Bewegung – auch Kurt Cobain, Layne Staley und Jerry Cantrell –einen Elternteil, nämlich den Vater, durch Scheidung verloren hatten. Und zwar sind in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, also in dem Zeitraum, in dem die "Grunger" aufgewachsen sind, in den USA ungewöhnlich viele Ehen in die Brüche gegangen. Höchstwahrscheinlich war dies eine Folgewirkung des Krieges, den die USA von 1964 bis 1973 in Vietnam geführt haben und der für sie zum Desaster wurde, weil es der Weltmacht nicht gelang, einen asiatischen Kleinstaat zu besiegen. Noch verheerender waren die Folgen für die Vielzahl junger Männer, die im Krieg ihr Leben verloren hatten oder schwer traumatisiert zurückkehrten, nie mehr in ein normales Leben zurückfanden und/oder drogenabhängig wurden. Dass solche Zusammenhänge nicht von der Hand zu weisen sind, zeigt der Song "Rooster" auf dem Album "Dirt". Denn dieser Song handelt von den Schrecken des Vietnamkrieges und ist dem Vater von Jerry Cantrell, Jerry Cantrell senior, gewidmet, der etliche Jahre am Vietnamkrieg teilgenommen hatte. Daraus könnte man folgern, dass der "Grunge" Ausdruck der Wut und Enttäuschung einer jungen Generation über ein "Establishment" war, das ihnen die Väter geraubt hatte. Die Solidarität mit dem Vater ist auch nicht nur bei Jerry Cantrell offensichtlich. Auch Layne Staley hatte sich ursprünglich um seinen Vater kümmern und ihm helfen wollen.

Die Phase der Stagnation

Nachdem sich Layne Staley infolge des Schocks, den er durch den Tod seiner großen Liebe erlitten hatte, in eine selbstgewählte Isolation zurückgezogen hatte, lag "Alice in Chains" sozusagen auf Eis. Jerry Cantrell startete eine Solokarriere, aber an seinem ersten Soloalbum "Boggy Depot", das viel Anerkennung fand, wirkten der Bassgitarrist Mike Inez und der Drummer Sean Kinney von "Alice in Chains" noch mit. 2002 erschien das zweite Soloalbum von Jerry Cantrell "Degradation Trip", eine Doppel-CD. Hier hatte er mit anderen Musikern zusammengearbeitet. Makaber war, dass genau zu dem Zeitpunkt, als Jerry sein Album der Öffentlichkeit vorstellte, der Tod von Layne gemeldet wurde. Die Veröffentlichung des Albums wurde dadurch überschattet. Es wurde jedoch anerkannt, dass Jerry Cantrell mit "Degradation Trip" ein wirkliches Meisterwerk gelungen war. Jerry widmete sein Album nachträglich seinem verstorbenen Freund und Bandkollegen. Mit dem Tod Layne Staleys schien jedoch auch das endgültige Aus für "Alice in Chains" besiegelt zu sein.

Die Wiedergeburt von "Alice in Chains"

Eingeleitet wurde die Wiedergeburt von "Alice in Chains" ausgerechnet durch eine verheerende Naturkatastrophe, nämlich den Tsunami, der am 2. Weihnachtstag des Jahres 2004 viele Küstenregionen im Indischen Ozean verwüstet hatte. Und zwar wurde, um den Opfern der Katastrophe zu helfen, in Seattle ein großes Benefizkonzert veranstaltet, an dem auch die ehemaligen Mitglieder von "Alice in Chains" teilnehmen. Zunächst dachte noch niemand an eine Neuauflage von "Alice in Chains". Doch dann bemerkten die drei ehemaligen Bandmitglieder, dass zwischen ihnen nach wie vor "die Chemie stimmte", dass sie auch als Musiker immer noch miteinander harmonierten. Also freundeten sie sich langsam mit dem Gedanken an, "Alice in Chains" wiederaufleben zu lassen. Als Ersatz für Layne Staley konnte der Sänger und Gitarrist William Duval gewonnen werden. Als eindrucksvolles Signal des Neubeginns sollte eine erste gemeinsame CD produziert werden. Doch dann schien sich neues Unheil zusammenzubrauen und den Neustart zu verhindern. Jerry Cantrell bekam nämlich "aus heiterem Himmel" starke Kopfschmerzen und fühlte sich sterbenskrank. Und kein Arzt konnte ihm helfen. In seiner Verzweiflung trat Jerry die "Flucht nach vorne" an, versuchte seine Schmerzen zu ignorieren, und begann, die Songs für die CD zu schreiben. Und auf einmal waren die Schmerzen wie weggeblasen. Resultat seiner Bemühungen war die wundervolle, einhellig gelobte CD "Black Gives Way To Blue", deren Titelsong ebenfalls Layne Staley gewidmet ist. 2013 erschien die zweite CD der neuformierten Band mit dem Titel "The Devil Put Dinosaurs Here", die ebenfalls viel Lob erntete. Bleibt zu hoffen, dass die Band "Alice in Chains" uns noch lange mit ihrer meiner Meinung nach phantastischen Musik erfreuen wird.

Das Vermächtnis des Layne Staley

Layne Staley wird im Gedächtnis bleiben als einer der talentiertesten Sänger, den die Rockmusik hervorgebracht hat, und als Mahner gegen den Konsum harter Drogen. So hat er in den Interviews, die er gegeben hat, immer eindringlich vor dem Konsum harter Drogen gewarnt – wohlwissend, dass er selbst der beste Beweis für die Richtigkeit seiner Warnungen war. Um dem weiteren Nachdruck zu verleihen, ist in Seattle 2002 ein Hilfsfonds gegründet worden, der seinen Namen trägt (Layne Staley Fund). Dieser unterstützt lokale Drogentherapie-Einrichtungen und Drogenberatungsstellen. Zudem findet jedes Jahr im August in Seattle ein Benefiz-Konzert zum Gedenken an Layne Staley statt.

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