Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, 2014 (Bild: Von Dirk Vorderstraße - Eigenes Werk, CC BY 3.0)

Ein kleiner geschichtlicher Exkurs

Wenn wir 70 Jahre in die Vergangenheit zurückreisen, sehen wir ein Deutschland ohne eigene Armee. Nicht einmal ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Deutsche Wehrmacht offiziell aufgelöst. Die Alliierten wollen Deutschland entmilitarisieren und auch die eigene Bevölkerung möchte so schnell keine Waffen mehr in deutschen Händen sehen; die Schrecken des großen Krieges haben sich in das Bewusstsein aller Beteiligten eingebrannt. Doch schon im Jahre 1950 kommen die ersten Pläne einer Wiederbewaffnung Deutschlands auf, die Idee einer europäischen Armee steht im Raum. Und schon vier Jahre später werden durch die Pariser Verträge und die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO die entscheidenden Weichen zur Neugründung einer Armee gestellt. Am 12. November 1955 ist es dann soweit: Die ersten 101 freiwilligen Soldaten werden in die neue deutsche Armee aufgenommen, die nun "Bundeswehr" heißt. Auch eine allgemeine Wehrpflicht wird eingeführt, welche bis 2011 Bestand hatte. Legitimiert wird die Bundeswehr durch den 1956 neu eingeführten Artikel 87a des Grundgesetzes. Sie steht unter parlamentarischer Kontrolle und soll in erster Linie der Landesverteidigung dienen. Heute fasst die Bundeswehr ihr eigenes Aufgabenfeld deutlich breiter auf, wie aus dem aktuellen Weißbuch hervorgeht: Neben der Verteidigung der Bundesrepublik und deren NATO-Partnern soll sich die Bundeswehr auch deeskalierend an internationalen Krisen beteiligen, internationale Partnerschaften und Kooperationen pflegen sowie humanitäre Not- und Katastrophenhilfe leisten.

Logo der Bundeswehr (Bild: Wikimedia, gemeinfrei)

Keine Sicherheit ohne Armee?

Das Hauptziel der Bundeswehr ist nach wie vor das Schützen der deutschen Integrität. Doch braucht es dazu eine Armee? Die Grenzen der Bundesrepublik können tatsächlich nur durch Soldaten verteidigt werden. Allerdings besteht dazu auch nur dann die dringende Notwendigkeit, wenn es zu einer militärischen Auseinandersetzung mit einem anderen Staat kommen sollte. Ich persönlich kann mir kurz- und mittelfristig kein Szenario vorstellen, in dem es zu einem Krieg zwischen Deutschland und einem anderen Land kommt, schon gar nicht, wenn dieses andere Land kein Mitglied der NATO ist. Durch das Verteidigungsbündnis wäre Deutschland gegen solche Angriffe ausreichend geschützt, auch ohne eigene Armee. Schwieriger wäre die Lage, wenn es zu einer Auseinandersetzung mit einem anderen NATO-Staat käme und sich die anderen Vertragspartner neutral verhielten. Doch auch einen solchen Fall halte ich für höchst unwahrscheinlich, da die Bande zwischen den NATO-Staaten durch EU, Euro, Schengen und Co. extrem stark sind.

Eine andere Frag ist allerdings, ob Deutschlands NATO-Partner eine Abschaffung der Bundeswehr akzeptieren würden. Immerhin könnte die Bundesrepublik in diesem Falle nach wie vor von den Vorteilen des Bündnisses profitieren, ohne eine Gegenleistung zu erbringen (bzw. erbringen zu können). Ein deutsches "Vorbild" und die Aussicht, ohne eigene Kosten durch die NATO geschützt zu werden, würden ein erhebliches Nachahmungspotenzial schüren und die Idee des Nordatlantikvertrages damit sukzessive ad absurdum führen. Es ist daher anzunehmen, dass ein Austritt Deutschlands aus der NATO eine notwendige Konsequenz der Armee-Abschaffung wäre, besonders mit Blick auf einen US-Präsidenten Trump, der sich schon an einem deutschen Wehretat von 35,1 Mrd. Euro stört. Im Worst Case stünde Deutschland daher wohl gänzlich ohne Schutz da: weder durch die eigene Armee, noch durch die NATO. Und gänzlich auf militärischen Schutz zu verzichten, halte ich selbst in außenpolitisch entspannten Zeiten für töricht.

Die Bundeswehr - international erforderlich?

Die Bundeswehr ist aktuell mit 3.541 Soldaten an ungefähr 16 verschiedenen Einsätzen im Ausland beteiligt, stets in Zusammenarbeit mit NATO oder UNO. Besonders groß ist das deutsche Engagement dabei in Afghanistan (Resolute Support), Senegal/Mali (MINUSMA) und im Kosovo (KFOR). Im Allgemeinen handelt es sich dabei nicht um Kampfeinsätze, sondern um Beteiligung in Bereichen wie Beratung, Ausbildung und Stabilisierung. Auch an der Flüchtlingsrettung beteiligt sich Deutschland im Rahmen der Sophia-Mission, allerdings derzeit nur mit 90 Soldaten. 

Um die Zahlen einordnen zu können: Frankreich beteiligt sich derzeit mit insgesamt etwa 8.000 Soldaten an diversen Auslandseinsätzen. Die USA sind mit 10.000 Soldaten beteiligt - allein in Afghanistan. Ebenfalls dort im Einsatz sind 13.000 Soldaten der NATO. Auch Russland ist nicht untätig, mehr als 4.000 russische Soldaten befinden sich aktuell in Syrien. Man könnte daher den Eindruck gewinnen, dass die Bundeswehr im Ausland eher eine untergeordnete Rolle spielt, zumal sie sich im Gegensatz zu Ländern wie den USA, Frankreich oder Russland nicht an Kampfeinsätzen beteiligt. Doch genau darin sehe ich persönlich die besondere Rolle der Bundeswehr. Sie setzt andere Prioritäten als die meisten ihrer Artgenossen, was notwendig für die internationale Stabilität und Friedenssicherung ist, auch wenn es sich dabei nur um eine vergleichsweise geringe Zahl von Soldaten handelt. Gleichwohl könnte die Bundeswehr ihre Legitimation im Ausland verlieren, wenn ein anderer Staat ihre Rolle übernehmen würde. Damit ist sie für die Lösung globaler Aufgaben keinesfalls unerlässlich, wenngleich sie derzeit einen wichtigen Beitrag im Ausland leistet.

Eine notwendige Ressource im Inland?

Abschließend lohnen sich noch ein paar Gedanken zum letzten Punkt des Dreierkanons der Bundeswehraufgaben: nationale Integrität schützen, internationale Hilfeleistung geben und humanitäre Hilfe im Inland leisten. Man könnte sich nun die Frage stellen, inwieweit das Eingreifen Bundeswehr beispielsweise bei einer Naturkatastrophe oder einem Notstand erforderlich sein würde. Generell kommt es dabei natürlich stest auf das das Ausmaß der Situation an, wobei man mit einer Armee im Rücken wohl auf der sicheren Seite ist. 

Die exekutive Gewalt geht im Normalfall vor allem von der Polizei aus. Derzeit sind in Deutschland insgesamt etwa 220.000 Polizisten der Länder sowie weitere 40.000 Bundespolizisten im Einsatz. Bei der Bundeswehr sind aktuell ungefähr 180.000 Soldaten beschäftigt. Daran lässt sich erkennen, dass die Anzahl der Polizisten und die Anzahl der Soldaten in etwa in der selben Größenordnung liegen. Im Katastrophenfall könnte die Bundeswehr daher eine durchaus wichtige Unterstützung sein. Auch könnte sie nicht nur personelle, sondern auch materielle Hilfe leisten, beispielsweise in Form von Hubschraubern, Schiffen oder Kommunikationssystemen. Es ist davon auszugehen, dass die Bundeswehr in einem inländischen Notfall zwar nicht stets notwendig sein wird, in jedem Fall aber unterstützend tätig werden kann. Dies wird besonders dann erforderlich werden, wenn die Polizei allein nicht ausreichend helfen kann.

Die Bundeswehr - Ein notwendiges Übel!

Nachdem die Notwendigkeit der Bundeswehr nun anhand ihrer verschiedenen Aufgaben diskutiert wurde, erscheint mir persönlich nur folgende Conclusio sinnvoll: Die Abschaffung der Bundeswehr ist und bleibt nichts weiter als eine Utopie, wenngleich wir die Debatte um unsere Armee dringend brauchen. Wir sollten daher aufhören, uns um das "ob" zu streiten, und endlich beginnen, uns ernsthafte Gedanken um das "wie" zu machen. Es steht außer Frage, dass es derzeit erhebliche Probleme bei der Bundeswehr gibt. Daher sind meiner Auffassung nach dringend Reformen notwendig, wenn die Bundeswehr ihr Geld wert sein soll. So sollten wir beispielsweise nach neuen Konzepten suchen, die finanziellen Mittel, welche der Bundeswehr durchaus in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, so einzusetzen, dass wir nicht länger vor einem Scherbenhaufen von defekten Flugzeugen, maroden Schiffen und rechtsextremen Soldaten stehen. Ich bin auf Eure Meinungen und Vorschläge gespannt.

 

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