Die Macht der Lobbyisten
Warum auch die vermeintlich Guten die Öffentlichkeit manipulieren können![]() | ![]() | ![]() |
Als das Kabinett Merkel II (2009 – 2013) in einer wirtschaftlich anspruchsvollen Situation steuerliche Erleichterungen für die Hotel- und Gastronomiebranche einführte, witterte der Volkszorn sofort Lobbyismus aufgrund der Spende eines Hoteliers an die mitregierende FDP. Abgesehen davon, dass diese Steuererleichterungen ursprünglich eine Idee der CSU und nicht der FDP waren, ist es eigentlich logisch und vernünftig, wenn Unternehmer an Parteien spenden, von deren Politik sie sich Vorteile erhoffen. Jeder Kleinspender handelt genauso…
Genau entgegengesetzt war die Situation allerdings wenige Jahre später. Eine unheilige Allianz aus Gewerkschaften, NGOs und Oppositionsparteien trug dazu bei, dass das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP nicht zustande kam (was vielleicht den von Donald Trump 2025 entfesselten, weltweiten Zollkrieg verhindert hätte). Das Märchen vom Chlorhühnchen wurde erfunden und der Horror vor der Absenkung von Arbeitssicherheit und Sozialstandards geschürt. TTIP scheiterte schließlich, weil beiderseits des Atlantiks die Zustimmung der Parlamente nicht gewährleistet war. Eine Lobbyismus-Debatte entstand daraus trotzdem nicht.
Ein weiteres Beispiel: Wenn ein Landwirt zum Landwirtschaftsminister gemacht wird, ist der Vorwurf des Lobbyismus meist nicht weit. Es darf offenbar nicht sein, dass ein Fachmann ein Fachressort leitet… Wird hingegen ein Umweltschützer zum Klima-Minister ernannt, wittern zumindest die öffentlichen Meinungsmacher nur selten einen Interessenkonflikt. Zu welchen Verwerfungen so etwas führen kann, zeigte sich 2023 in der Diskussion um den so genannten Graichen-Clan.
Ähnlich verhielt es sich, als Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan 2022 im Eilverfahren eingebürgert wurde, um sie zur Staatssekretärin einer grünen Ministerin zu machen. Der Aufschrei blieb weitgehend aus. Man stelle sich vor, ein bürgerlicher Verkehrsminister hätte den Chef eines internationalen Straßenbaukonzerns auf gleiche Weise in seinem Ministerium installiert….
Wir lernen daraus: Der Volkszorn über angeblichen oder tatsächlichen Lobbyismus kocht immer nur dann hoch, wenn er entsprechend angeheizt wird. Wann dies der Fall ist, entscheidet sich offenbar nach Ansehen der Person: So taucht beispielsweise im Zusammenhang mit den selbsternannten Wächtern von LobbyControl gelegentlich der Name eines ehemaligen Europa-Abgeordneten auf. Der Politiker wurde Ende 2021 Staatssekretär im grün geführten Wirtschaftsministerium. Gut zwei Jahre später bescheinigte LobbyControl der damaligen Regierung trotz der oben genannten Vorfälle "deutliche Fortschritte" und eine Regierungsbilanz, die sich sehen lassen könne.
Angesichts solcher Umstände stellt sich natürlich eine berühmte Frage: Wer bewacht eigentlich die Wächter? Anfang 2025 versuchte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion genau dies. Sie verlangte im Rahmen einer Kleinen Anfrage von der noch geschäftsführend im Amt befindlichen Bundesregierung Auskunft zur Finanzierung so genannter NGOs. Als Nichtregierungsorganisationen müssten diese ja eigentlich finanziell staatsfern und durch bürgerliches Engagement getragen sein. Der sofort einsetzende Shitstorm wirkte gut einstudiert. Die gleichen Leute, die kurz zuvor noch CDU-Büros überfallen hatten, sprachen plötzlich von einem Einschüchterungsversuch. Die den Grünen nahestehende taz schrieb sogar von einer Attacke auf die Zivilgesellschaft. Auch die SPD zeigte sich empört, denn die Frau des Parteichefs arbeitete schließlich als Geschäftsführerin einer NGO. Letztendlich wurde die Kleine Anfrage eher formal als inhaltlich beantwortet.
Paradoxerweise werden also öffentlich kommunizierte und transparente Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft eher mit Lobbyismus in Verbindung gebracht, als die weniger klar erkennbaren Netzwerke selbst ernannter Moralwächter. Vereinfacht gesagt, ist das so, als würde man im Supermarkt auf jemanden zeigen, "Haltet den Dieb!" schreien und sich dann in aller Seelenruhe selbst die Taschen füllen. Ein gefundenes Fressen für die daueraufgeregten Skandaljäger der AfD, welche auf diese Weise bürgerliche und linke Kräfte gleichermaßen kritisieren können.
Noch viel verborgener spielt sich dieser ungute Lobbyismus im Sektor des bürgerlichen Engagements und der Presse ab. Die dortigen Allianzen, selten von Dauer, weil von Konkurrenz geprägt, unterliegen keiner gesetzlichen Transparenzpflicht. Leicht entsteht dadurch der Eindruck, dass Proteste oder Petitionen tatsächlich aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Ob dahinter stattdessen eine wohlorchestrierte Aktion von Interessengruppen steckt, ist nicht immer gleich erkennbar. Das mag auch daran liegen, dass für manche Verhaltensweise keine Absprachen nötig sind. Die jeweiligen Akteure wissen von selbst, was (nicht) zu tun ist. Ein Redakteur wird selbstverständlich vor allem Kritikpunkte zu Politikern aufgreifen, die nicht seiner politischen Auffassung entsprechen, und die "Omas gegen Rechts" dürften bei Demonstrationen zu fehlgeleiteter Asylpolitik eher selten anzutreffen sein…
Im März 2025 bekam dieses Phänomen auch der sächsische Kultusminister zu spüren. Als er einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung vorstellte, regte sich Protest. Denn dieser Maßnahmenkatalog verlangte auch von den Pädagogen entsprechende Anstrengungen. Der Berufsstand, bei dem 26 Unterrichtsstunden pro Woche als Vollzeit gelten und der dank guter Bezahlung dennoch häufig in Teilzeit arbeitet, sah sich dadurch überlastet. Es kam sogar zu Demonstrationen. Was wohl Paketboten und Pflegekräfte darüber denken mögen?
Doch damit nicht genug. Flugs war ein zwei Jahre alter Geschwindigkeitsverstoß des Kultusministers ausgegraben und öffentlich kommuniziert. Zeitungen aus dem Medienimperium der SPD schrieben die Sache zum illegalen Autorennen hoch und thematisierten dies mehrmals wöchentlich. Nur vom gewerkschaftlichen und medialen Lobbyismus war in diesem Zusammenhang nichts zu lesen. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt…
Bitte beachten Sie, dass dieser Text einen rein informativen Charakter trägt. Rechtsauskunft kann und soll dadurch nicht erteilt werden.
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