Philosophische Sichtweise

Das Verhältnis der Menschen zur Naturwissenschaft, war durch Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) negativ geprägt worden, denn dessen "Evangelium der Natur" war eine Gegenreaktion auf die mathematische Forschung sowie deren Erfolge. Unter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) erreichte die Auseinandersetzung zwischen den rationalen Naturwissenschaften und Rousseaus neuem Naturgefühl eine Zuspitzung. Goethe beispielsweise stand der mathematischen wie experimentellen Naturforschung abweisend gegenüber, da durch das Mikroskop wie das Teleskop die natürlichen Proportionen zwischen Phänomen und Sinneseindruck zerstört werden würde. Goethe hatte das Experiment nie akzeptiert. Anders Immanuel Kant (1724-1804), dessen "Kritik der reinen Vernunft" (1781/87) als philosophische Analyse der naturwissenschaftlichen Methode gilt.

1849 wurde eine Broschüre anonym veröffentlicht mit dem Titel "Von der Stellung der Naturwissenschaft, besonders der Physik an unseren Universitäten", in welcher eine stärkere empirische Ausrichtung gefordert wurde. Der Autor, wie sich später herausstellte, war Gustav Karsten (1820-1900). Des weiteren wurden gut ausgebildete Professoren gefordert, die Errichtung eines mathematischen sowie physikalischen Instituts an jeder Universität sowie Hörsäle, Forschungseinrichtungen und Bibliotheken. Im letzten Drittel des 19. Jahrhundert wurden diese Forderungen komplett erfüllt.

Das Fach Physik

Physik und Mathematik galten als Einheit in den Grundfächern. Mathematik wurde von Anbeginn unterrichtet, Physik war 1669 noch Teil der aristotelischen Philosophie. Durch naturwissenschaftliche Entdeckungen, beispielsweise durch Newton, den "Begründer" der klassischen Physik, und neuer mathematischer Erkenntnisse durch Gottfried Wilhelm Leibniz, dem "Begründer" der mathematischen Physik, ergab sich auch die Notwendigkeit einer Neuordnung des philosophischen Studiums. Bis 1735 wurde Physik, neben Logik, Metaphysik und Mathematik, nach aristotelischem Vorbild gelehrt. Physik war bis zu jenem Zeitpunkt mehr eine spekulative Syllogistik als Experimentalphysik. Die Wiener Reformpläne von 1734/1746 förderten jedoch die experimentellen Fächer wie Baukunst, Astronomie, Biologie, Mechanik, Hydraulik, Statik und dergleichen. Erste Ansätze eines Unterrichts mit physikalischen Experimenten finden sich 1738 bei Joseph Vaith (?-1754). In dieser Zeit kann auch eine kleine Ansammlung von Geräten festgemacht werden, welche bei Experimenten und Forschungen verwendet werden sollten. Der Durchbruch allerdings gelang mit Ignaz von Weinhart (1705-1785). Die von ihm angeregten Entwicklungen verliefen während des 18. Jahrhunderts relativ ruhig, und gleich dem französischen Modell richtete sich der Gedanke auf Nützlichkeit und Vermittlung von praktischen Kenntnissen. Ab 1796 wurde die erste Lehrzkanzel in Physik errichtet, wo das Experiment dominierte.

Zu beginn des 19. Jahrhunderts verlor der Nützlichkeitsgedanke an Geltung. Mechanik, Optik und Astronomie, welche zuvor bei der Mathematik angesiedelt waren, wurden nun in die Physik aufgenommen. Mit den Thunischen Reformen kommt die Forschung wieder zu Wort. Während in der Mathematik nach wie vor der Nützlichkeitsgedanke vorherrscht, wird auch im Zuge dessen die Physik auf sich selbst beschränkt: Experimentelle Arbeit wurde zum Zentrum des Faches gemacht, und es entwickeln sich Spezialfächer.

Ignaz von Weinhart und das physikalische Institut

Zwischen 1742 und 1780 war Weinhart Lehrkanzelinhaber. Mit ihm begann in Innsbruck eine neue Zeit naturwissenschaftlichen und anwendungsbezogenen Denkens und Handelns. 1743 baute er das von Vaith übernommene physikalische Kabinett zu einem "Armarium" (Physikalisch-mathematischen und mechanischen Museum) aus, welches sich über die Jahre zu einer der Hauptsehenswürdigkeiten in Innsbruck entwickelte. Anhand dieses mathematisch-physikalischen Kabinettes lässt sich nachweisen, was in etwa gelehrt wurde, denn es fanden sich Gegenstände zur Mechanik, Hydraulik, Aerometrie, Optik, Elektrizität, Magnetismus und weiteren.

Weinhart lehrte hauptsächlich Mathematik, erwarb sich jedoch besondere Verdienste als Experimental- und Geophysiker mit der Verfolgung des Prinzips einer erkenntnistheoretischen Lehr- und Forschungsmethode, welche besagte: "Erst die Ergebnisse systematisch durchgeführter Versuche und Messungen – abgestimmt und gepaart mit theoretischen Konstruktionen – können weitestgehend richtigen Erkenntnissen führen". Des weiteren beschäftigte er sich mit Astronomie und unternahm Beobachtungen, welche über Monate hinweg dauerten, bezüglich der Position der Sonne und des Polarsternes, führte barometrische Höhenmessungen durch, um bei der Vermessung Tirols möglichst genaue Werte zu erhalten.

Neben seinem Universitären Schaffen, war er auch maßgeblich an der Entwicklung des wirtschaftlichen und handwerklichen Leben in Tirol beteiligt. Durch die Öffnung des Armariums und die Abhaltung von Kursen aus Mechanik, angewandter Mathematik und Astronomie für interessierte Laien auch war er ein Wegbereiter für die modernen Volkshochschulen. Besonders bekannt ist er jedoch als Lehrer und Förderer von Peter Anich (1723-1766), dessen Himmelsglobus weit über die Landesgrenze hinaus für aufsehen erregte und bis 1849 im Besitz des physikalischen Kabinetts war. Heute ist dieser im Außenlager des Tiroler Landesmuseums, im Zeughaus zu bewundern.

Quellen

  • Otto Brüggemann, Naturwissenschaft und Bildung. Die Anerkennung des Bildungswertes der Naturwissenschaften in Vergangenheit und Gegenwart, Heidelberg 1967.
  • Walter Ruegg [Hrsg.], Geschichte der Universität Europa, Bd. III, Vom 19. Jahrhundert zum zweiten Weltkrieg, o.O. 1993.
  • Website der Uni Innsbruck über Ignaz von Weinhart
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