Neben diesen Initiativmöglichkeiten haben Volksvertreter noch zwei weitere, wichtige Rechte: Die Festlegung des staatlichen Haushalts (manchmal auch "Königsrecht" genannt) sowie die Kontrolle der Regierung. Letztere erfolgt über eine Fülle an Auskunftsrechten rund um die Regierungsarbeit – wobei dieser Begriff bisweilen sehr weit ausgelegt wird. So fern ein Sachverhalt irgendwie in den Zuständigkeitsbereich der Regierung fällt, muss diese darüber zeitnah und wahrheitsgemäß Auskunft geben. Dies kann in den Ausschüssen, aber auch über Regierungserklärungen, parlamentarische Fragestunden sowie durch eine so genannte Große Anfrage beziehungsweise eine Kleine Anfrage erfolgen. Letztere gilt als besonders beliebtes Instrument.

Die Kleine Anfrage im Parlamentsbetrieb

Kleine Anfragen sind eine vergleichsweise effiziente und zeitsparende Möglichkeit, fundierte und zitierfähige Auskünfte zu erlangen. Ihre Beliebtheit zeigt sich darin, dass pro Legislaturperiode auf Landesebene mehrere tausend, auf Bundesebene manchmal sogar mehrere zehntausend Kleine Anfragen gestellt werden. Die Bezeichnung rührt vom festgelegten Umfang her, beispielsweise der zulässigen Anzahl an Unterpunkten.

Die Kleine Anfrage gehört zu den so genannten Drucksachen im Parlamentsbetrieb. Sie wird nicht in einer Plenarsitzung besprochen, sondern meist über die Parlamentsverwaltung an die Regierung weitergeleitet. Jene muss innerhalb festgelegter Fristen darauf antworten, was in der Regel schriftlich zu erfolgen hat.

Fragestellung und Antwort sind allerdings keine Privatkorrespondenz zwischen Einreicher und Regierung. Vielmehr werden alle Abgeordneten des jeweiligen Parlaments darüber informiert. Über entsprechende Portale der Parlamentsverwaltungen sind diese Dokumente (wie andere Drucksachen auch) außerdem für jedermann einsehbar. Darüber hinaus archivieren auch manche Parlamentsbibliotheken, zum Beispiel im Bundestag, in Hessen und in Niedersachsen analog oder digital die Fülle der Kleinen Anfragen.

Im Bundestag dürfen Kleine Anfragen durch Fraktionen oder durch mehrere Abgeordnete in Fraktionsstärke eingereicht werden. Im Falle der 2024 aufgespaltenen Linksfraktion wurde durch das Plenum für die beiden daraus entstandenen Parlamentariergruppen eine spezielle Lösung gefunden. Auf Landesebene hingegen können Kleine Anfragen häufig auch durch einzelne Abgeordnete gestellt werden.

Kleine Anfragen: Was wollen Parlamentarier eigentlich so wissen?

Obwohl die Kleine Anfrage ein Kontrollinstrument ist, welches selbstverständlich allen Abgeordneten zur Verfügung steht, nutzen diese Möglichkeit naturgemäß vor allem Fraktionen oder Vertreter der Opposition. Sie möchten beispielsweise wissen, wie sich die medizinische Versorgung oder die Zahl der Studienabbrecher entwickelt, ob und wie sich die Kriminalitätsrate verändert hat, welche Ausgaben Regierungsmitglieder für Reisen, Medienarbeit oder Styling verursacht haben und vieles mehr. Das Ergebnis wird dann gern im eigenen Sinne interpretiert und medial vermarktet.

Nicht immer vermitteln Kleine Anfragen allerdings den Eindruck, dass es hier wirklich um politische Sacharbeit sowie Regierungskontrolle geht. Vor allem Vertreter der parlamentarischen Ränder stellen bisweilen Kleine Anfragen, die sich anhand der Lektüre einer Tageszeitung oder einer einfachen Internetsuche erübrigen würden: Welche Erkenntnisse gibt es zum Raubüberfall auf die Tankstelle A im Dorf B? Welche Bevölkerungsentwicklung gibt es im Landkreis C? Was weiß die Regierung über eine Graffiti-Schmiererei an einer Brücke im Dorf Hinterpampa?

Für welche Kleinen Anfragen unsere Steuergelder schon verwendet wurden…

  • In Hessen wollte 2014 ein SPD-Abgeordneter ernsthaft wissen, welche Ergebnisse ein bestimmtes Regierungsmitglied bei einem traditionellen Wettmelken erzielt habe…
  • In Sachsen stellte im Jahr 2005 ein Parlamentarier der PDS (heute: Die Linke) ernsthaft Fragen zu Haustieren in der Staatskanzlei.
  • Im gleichen Bundesland interessierte sich 2020 ein AfD-Vertreter brennend für die Anzahl gebährfähiger Frauen im Freistaat.
  • In der baden-württembergischen Fraktion FDP/DVP sorgte man sich um die Mauereidechsen der Region Stuttgart und deren Umsiedlung, weshalb im Jahr 2018 eine Kleine Anfrage erforderlich war.
  • Der Nachlass von Künstlern bewog 2014 einen fraktionslosen Abgeordneten aus Brandenburg zu einer detaillierten Kleinen Anfrage.
  • Ein Abgeordneter der Grünen hatte 2022 Informationsbedarf zu Flurtelefonen in den Gefängnissen von Nordrhein-Westfalen.
  • Zu den Einsatzzeiten bundespolizeilicher Diensthunde benötigten im Jahr 2018 Abgeordnete der AfD-Bundestagsfraktion nähere Auskünfte und stellten folgerichtig eine Kleine Anfrage.

Kleine Anfragen: Was manchmal auch dahinter stecken könnte

Natürlich stellen solche Auskunftsersuchen mit fragwürdiger Sinnhaftigkeit nicht die Regel dar. Immerhin handelt es sich bei der Kleinen Anfrage um ein hohes Rechtsgut mit Informations- und Kontrollfunktion. Zur Untermauerung der eigenen politischen Agenda ist das Fragerecht daher ebenso legitim wie zum Schutz der Demokratie.

Manchmal drängt sich dennoch der Verdacht auf, dass es den Fragestellern gar nicht in erster Linie um die erbetene Antwort geht, sondern darum, einen bestimmten Eindruck zu erwecken. Wenn beispielsweise konsequent zu jedem Vorfall mit Asylbewerbern eine Kleine Anfrage erfolgt und dies auch medial verbreitet wird, verfestigt sich natürlich der Eindruck einer permanenten Gefahr durch Ausländer. Eine ähnliche Vorgehensweise mit Focus auf deutsche Beteiligte würde hingegen ein gänzlich anderes Bild erzeugen…

Bei anderen Zeitgenossen wiederum stellt sich die Frage, ob sie schlichtweg den Regierungsapparat lahmlegen wollen oder einfach zu viel Freizeit haben. Diese Einreicher haben die Angewohnheit, einen einzelnen Sachverhalt auf mehrere Kleine Anfragen aufzuteilen. Ein fiktives Beispiel dazu: Anstatt zu erfragen, wie hoch die Arbeitslosenquote eines Bundeslandes ist, untergliedert nach Landkreisen, wird dann eben für jeden Landkreis einzeln die gleiche Frage gestellt….

 

 

Bitte beachten Sie, dass dieser Text rein journalistischen Charakter trägt und keine Rechtsauskunft darstellt.

Donky, am 24.03.2024
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