Die neue Westbahn – ein Erfahrungsbericht
Seit dem 12. Dezember verkehrt in Österreich erstmals eine private Eisenbahnlinie. Wir haben die neue Westbahn getestet.Die Westbahn – unkompliziert von Salzburg nach Wien und zurück
Am 11. Dezember 2011 ist in Österreich ein neues Eisenbahnzeitalter angebrochen: Erstmals haben die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) Konkurrenz bekommen. Die private Eisenbahnlinie "Westbahn" verkehrt seit Dezember elf Mal täglich zwischen Salzburg und Wien – gemäß dem Westbahn-Slogan "wir machen Bahnfahren wieder einfach" immer zur gleichen Zeit.
Die Westbahn will mit folgenden Punkten gegenüber den etablierten Österreichischen Bundesbahnen punkten:
- Einfache Fahrpläne: An den sieben Stationen zwischen Salzburg und Wien fährt die Westbahn immer zur selben Zeit ab.
- Kostenloses WLAN auf allen Plätzen
- Persönliches Service
- Einfacher Verkauf von Fahrkarten beim Zugpersonal
- Günstiger Preis: Westbahn-Karten kosten etwa so viel wie die Reise bei den ÖBB mit einer (teuren) Vorteilscard.
- Raucherabteile – in den Österreichischen Bundesbahnen ist Rauchen durchgehend verboten.
Fahrkarten bei der Westbahn
Fahrkarten für die Westbahn können im Internet oder direkt bei den Zugbegleitern und Zugbegleiterinnen gekauft werden. Nur wer im Internet bucht, kommt jedoch in den Genuss von zwei Sonderkonditionen: einem 10%- Rabatt für Mitglieder des ÖAMTC und einer Gutschrift für das Vielfliegerprogramm Miles &More von Lufthansa und Austrian Airlines (und anderen Fluglinien). Vielfahrern bieten sich zwei Möglichkeiten, zu günstigeren Tarifen zu reisen: Zeitkarten (Wochen-, Monats-, Jahres- karten) und eine Kilometerbank: Man kauft ein Kilometerkontingent, die gefahrenen Kilometer werden entsprechend abgebucht.
Eisenbahn
Quelle: Alle Sachinformationen dieser Seite stammen von www.westbahn.at.
Reisen mit der Westbahn – die Motive
Mein Partner und ich haben die Westbahn zwischen Salzburg und Wien getestet. Die Motive sind – neben der Neugier auf den "neuen Zug" – unterschiedlich: Mein Partner raucht und leidet auf längeren Strecken des Rauchverbots. Ich selber fahre seit Jahren sehr viel mit den ÖBB und habe in den letzten Jahren erfahren, wie sich eine Monopolstellung zusammen mit Sparmaßnahmen auf Dienstleistungen auswirkt: Regelmäßige Verspätungen, versperrte Toiletten und ausgefallene Klimaanlagen sind Dinge, an die sich ÖBB-Kunden in den letzten Jahren gewöhnen mussten. Mit der besonders kundenfreundlichen Leistung, zwischen Venedig und Salzburg sämtliche Toiletten zu versperren und Räumungen überfüllter Züge durch die Polizei, haben es die ÖBB sogar zu Schlagzeilen in Tageszeitungen. Stehplätze oder Notsessel am Flur wie in früheren Zeiten gibt es heutzutage nicht mehr; heute rückt zu Stoßzeiten die Polizei an. Nur das Personal behält trotz all der Widrigkeiten meistens die Contenance, hier ein Kompliment an das ÖBB-Personal. Ich bin jedoch neugierig, ob die Westbahn ein anderes Reiseerlebnis zu bieten hat.
Die Westbahn im Test – ein Erfahrungsbericht
Der Zug fährt pünktlich ab, wir lümmeln in den feinen Ledersitzen mit ausreichend Beinfreiheit und kaufen prompt beim Personal die Fahrkarte. Einmal abgesehen vom großzügigen Raum-angebot macht sich eher Flugzeug-Feeling breit: Das "Bordpersonal" hat nichts mit dem gewohnten Bild eines Schaffners in seiner Uniform gemein: Westbahn-Personal erinnert an Aussehen und Auftreten an fliegende Stewards und Stewardessen. Sie fragen bei jeder Gelegenheit, ob es den "Passagieren gut geht, ob sie Informationen benötigen und sie offerieren Snacks. Kaffee und Getränke können zu günstigen Preisen an Automaten erstanden werden.
Mein Partner testet ein Raucherabteil und berichtet, dass man dort etwas enger sitze. Außerdem bemängelt er die Aschenbecher, die mit einem mechanischen Verschluss ausgestattet seien, der öfter klemme. Doch dass es den Raucherbereich gibt, versetzt ihn in aufgeräumte Stimmung.
Wir wagen das Äußerste und testen die Toiletten. Und siehe da: Sie sind geöffnet und sauber und eine Überraschung erwartet uns. In der Westbahn gibt es für Damen und Herren getrennte Toiletten. Die Herrentoiletten sollen mit einem Pissoir ausgestattet sein, habe ich mir sagen lassen.
Der Zug fährt zügig mit kurzen Aufenthalten. Infobildschirme zeigen stets an, wo sich der Zug befindet und wie schnell er fährt. Und auch die neue technische Errungenschaft, das WLAN (das in den ÖBB-Zügen bislang Premium-Kunden vorbehalten war) funktioniert die meiste Zeit. So vergeht die Zeit wie im Flug und pünktlich nach drei Stunden fährt die Westbahn in Wien ein.
Fazit: Die Westbahn bietet ein komfortables, freundliches und entspanntes Reiseerlebnis. Bei unserer Testfahrt war sie auf die Minute pünktlich. Der größte Nachteil ist das eingeschränkte Streckennetz, die Westbahn befährt nur die finanziell lukrativste Strecke Österreichs zwischen Salzburg und Wien. Zwar gibt es Westbahn-Busse in andere wichtige Destinationen wie Graz, Prag und München wer in Bad Goisern oder auch nur in Feldkirch oder Innsbruck lebt, bleibt weiterhin auf die ÖBB angewiesen. Das zeigt auch den wichtigsten Unterschied zu den Österreichischen Bundesbahnen: Sie bringen Reisende auch an Orte, die wenig befahren und für den Betrieb nicht rentabel sind. Bei aller Kritik an den ÖBB und bei aller Hoffnung, dass Konkurrenz auch der Qualität der ÖBB gut tut, sollte man dies berücksichtigen. |
Linktipp: Barrierefreiheit bei der Westbahn
Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer wird bei der Westbahn ernst genommen. Der "Blogger on the Wheels" Martin Habacher hat die Westbahn mit dem Rollstuhl ausgiebig getestet und dabei Geschäftsführer Stefan Wehinger interviewt. Sein umfassender Bericht mit Videos inklusive ausgiebigem Toilettentest gibt es auf bizeps.or.at.
16. Jänner: Raucherbereiche vorerst gesperrt!
Nachdem Anti-Rauch-Aktivisten Klagen angedroht hatten, wurden die Raucherbereiche der Westbahn laut einer Aussendung vom 16.11.2012 vorerst gesperrt. Laut Westbahn-Geschäftsführer Stefan Wehinger seien die Vorgaben des Tabakgesetzes für Ausnahme-genehmigungen nach Punkt und Beistrich umgesetzt worden. Das Gesundheitsministerum habe in einem Schreiben an die zuständigen Behörden jedoch festgestellt, keine eindeutige Rechtsgrundlage zu haben, aber dennoch die Ansicht zu vertreten, dass das Rauchen in der Westbahn nicht zulässig sei. Da eine Klagsflut angedroht wurde und jede Anzeige gesondert behandelt werden müsse, habe die Westbahn "aus kaufmännischer Sorgfaltspflicht" bis zur endgüligen Klärung der Rechtslage das Rauchen in den Zügen vorerst untersagt. Die Geschäftsführung der Westbahn will bis in die letzte Instanz für Raucherbereiche eintreten.
Quellen: http://derstandard.at, http://wien.orf.at