Ursprung des Papiertheaters

Wandermönche in Asien nutzten bereits im 10. Jahrhunderts die Methode des Erzählens mittels Bilderrollen, um buddhistische Lehren zu verbreiten. Dort nannte sich diese Art Kamishibai. Das Wort setzt sich zusammen aus kami (Papier) und shibai (Schauspiel, Theater), also Papiertheater.

Kamishibai entwickelte sich zu einer Popularkultur in Japan Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Vorführer des Kamishibai fuhren mit ihren Fahrrädern durch Dörfer und Städte und hatten auf ihren Gepäckträgern einen Holzrahmen befestigt, in den wechselnde Schautafeln eingelegt wurden, zu denen sie eigene Geschichten erzählten. Vorwiegend waren diese Erzählungen für Kinder gedacht und die Vorstellungen waren kostenlos. Der bescheidene Verdienst des Geschichtenerzählers bestand im Verkauf von mitgebrachten Süßigkeiten.

Nach dem Pazifikkrieg, bis etwa 1953, als zum erstenmal ein Fernsehprogramm ausgestrahlt wurde, gab es in Japan etwa 10.000 Kamishibai-Erzähler und täglich fünf Millionen Zuschauer. Tokio hatte Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre über zwanzig Unternehmen, die Kamishibai-Bilder herstellten.

In Deutschland und England erlangten Papier-Theater Anfang des 19. Jahrhunderts etwa zeitgleich erstes Ansehen und Popularität.

Kamishibai in Japan

Was ist ein Papiertheater?

Eine treffende Umschreibung des Begriffs Papiertheater stammt von dem Sammler und Spieler Walter Röhler. Er fasst es zusammen als "Kleine Bühne aus Papier, auf der sich die technische Vielfalt einer Menschenbühne in modellmäßiger Form nachahmen oder erproben lässt".

Diese Miniatur-Bühnen bestanden zunächst aus Papier-Ausschneidebögen und waren schwarz-weiße Lithografien. Die Farbgebung erfolgte mittels Schablonen in Heimarbeit. Nachdem sich die Farblithografie weiter entwickelt hatte, verbreiteten sich auch die Papiertheater mehr und mehr.
Die Papierbögen wurden danach ausgeschnitten und auf Pappe aufgeklebt (kaschiert).

Anfänglich wurden diese Bilderbögen vorwiegend von einer bestimmten Bürgerschicht zur Bildung und Unterhaltung ihrer Kinder gekauft und genutzt, denn in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfreuten sich Theater und Oper in Europa großer Beliebtheit. Die Papiertheater waren Ausdruck und Fortsetzung dieser Begeisterung, insbesondere, da 1866 die Aufhebung des Spielverbots für gewerbliche professionelle Bühnen in Deutschland erfolgte.

Schloss Burg (Foto: Haase's Papiertheater)

Die Bühne des Papiertheaters war meist den Bühnenbildern großer Theater nachgebildet mit einem ebenso schön gestalteteten Vorhang.
Die gebräuchlichste Figurenführung ist auch heute noch die Führung von der Seite auf Spielstäben oder in den Boden eingefrästen Nuten. Die Figuren können einzeln oder in kleinen Gruppen von der Seite durch die Kulissen/Schienen geführt werden. Um für die Zuschauer eine Form von Bewegung in die Szene zu bringen, konnten Figuren auch noch auf entsprechenden Spielstäben gedreht werden oder aber die Figurenführung erfolgt von oben oder unten.

Es gab frei gestaltete, kurze Stücke, die man gemütlich zu Hause im Kreise von Freunden, Verwandten, Nachbarn aufführen konnte. Man orientierte sich aber auch gerne an den zeitgenössischen Stücken aus Oper oder Schauspiel wie "Die Zauberflöte", "Fidelio" oder "Wilhelm Tell, "Romeo und Julia" und vielen Anderen, wobei es sich dabei eher um angepasste Kurzfassungen handelte. Das machte sie aber nicht weniger beliebt.

Als Untermalung der Vorführung gab es oft Hausmusik dazu und auch alle verfügbaren akustischen Mittel kamen zum Einsatz: So fungierte zum Beispiel eine mit Erbsen oder Reis gefüllte Papprolle als Regenmaschine oder Topfdeckel, Pfeifen, Bleche als Donner.

Die Beleuchtung war in den Anfängen eher spartanisch – Kerzen und Öllampen mußten genügen.

Anfang des 20. Jahrhundert, mit der Erfindung der Radios und später mit Fernseher und PC, geriet das Papiertheater als Wissensvermittler zunehmend in Vergessenheit. Auch die Gesellschaft, die Bildung, die Erziehung und die Art der Theaterstücke hatten sich verändert.

Renaissance des Papiertheaters

In den 60er Jahren wurde das Papiertheater vereinzelt von Sammlern in London, Nürnberg und Kopenhagen wiederentdeckt und erfreut sich seither wachsender Beliebtheit.

Die Begeisterung der heutigen Sammler liegt auf auf ganz unterschiedlichen Gebieten. Die einen sind selbst Figurenspieler oder Märchenerzähler und interessieren sich mehr für die Figuren, Andere sind Modellbauer und sind fasziniert von alten Bühnenbildern und wieder Andere interessieren sich mehr für die volkskundlichen Entwicklung von Stücken, Texten und Darstellung.

Erst in den 70er Jahren fanden wieder Ausstellungen und öffentliche Aufführungen zu Papiertheatern statt, die die Öffentlichkeit erneut dafür interessieren und begeistern konnten.

In Zeiten der Reizüberflutung und Hektik stellen diese kleinen, beschaulichen Privat-Theater gerade den besonderen Reiz dar. Sie bringen etwas Nostalgie zurück und zaubern den kleinen und großen Besuchern ein Lächeln auf das Gesicht.

Weiterführende Informationen

Eine sehr umfangreiche Sammlung an weiterführenden Informationen, Links, Fotos rund um Papiertheater wie

  • Internationalen Festivals
  • Bühnen
  • Sammlungen
  • Verlage
  • Literatur

findet man bei Wikipedia und daher wird an dieser Stelle darauf verzichtet.

Eine kleine Auswahl an Papiertheatern, die heute aktiv sind, seien dennoch kurz erwähnt:

Papiertheater Invisius (Berlin), Papiertheater Kitzingen, Papiertheater Heringsdorf, Papirniks Papiertheater (Essen), Ulrich Chmel's Papiertheater (Wien), Theatrum Papyrus (nahe Frankfurt), Haase's Papiertheater (Remscheid).

Insgesamt gibt es in Deutschland heute wieder etwa 20 Papiertheater.

 

Als Autorin dieses Artikels hatte ich selber das Vergnügen, eine Vorstellung in Haase's Papiertheater in Remscheid zu besuchen. Es war ein großes Vergnügen und etwas ganz Besonderes. Ich kann einen Besuch darum nur sehr empfehlen.

Laden ...
Fehler!