Ist Motörhead eine Heavy Metal Band?

Obwohl Motörhead – wie  gezeigt -  einen starken Einfluss auf die Entstehung  der Musikrichtung gehabt hat, die als  "Heavy Metal" bezeichnet wird, betont  Lemmy im Interview mit "GUITAR.DE", dass Motörhead  nie eine Metal-Band war, dass die Band  nur immer in diese Schublade hineingesteckt worden ist. Für ihn war Motörhead  immer eine Rock'n'Roll-Band, oder besser gesagt: eine Rockband. In einem Interview mit dem "METAL INSIDER" sagt Lemmy weiter, dass die Band  eine Menge Dinge tut, die eine Metal-Band niemals tun könnte. Als Beispiel nennt er hier die akustische Version von "Ace of Spades". Lemmy wendet sich mit anderen Worten gegen die Etikettierung von Motörhead als "Heavy Metal Band", weil dies seiner Meinung nach dem musikalischen Einfallsreichtum, der Vielfalt der Musik, die Motörhead zu bieten hat, nicht gerecht wird.

Lemmy "bei der Arbeit" (Bild: dtack/flickr.com)

Begeisterte Fans (Bild: focka/flickr.com)

Die Prägung eines neuen Musikstils durch Motörhead - Die Vorstufe zum "Heavy Metal"

Im Text zu einem Interview mit Lemmy auf "PUNKNEWS.ORG” heißt es, dass Motörhead einen neuen Sound-Typus entwickelt hat, der  aufgeschlossen war gegenüber dem goldenen Zeitalter des Rocks in den fünfziger Jahren und gleichzeitig kompromisslos aggressiv war mit der genialen Schlichtheit einer Taktvorgabe, die auf drei Akkorden beruht. In einem einleitenden Statement zu einem Interview mit Lemmy auf dem "ROCK HALL BLOG” wird hervorgehoben, dass Motörhead mit einem Tempo und einer Lautstärke spielte, die man bis dahin im Rock and Roll nicht gehört hatte, und dass die Band auf Alben wie Bomber von 1979 und Ace of Spades von 1980 ein Modell für das entwickelte, was sich zum "thrash metal" weiterentwickelt hat. Ähnlich heißt es in der Einleitung zu einem Interview mit Lemmy auf "THEARTSDESK.COM", dass Motörhead's superschneller, extrem lauter Bluesrock eine Schablone schuf für "hard metal". Zahllose Punk- und Metal-Bands haben folglich die von Motörhead eingeführte Blaupause als Gerüst für ihre eigene Musik genutzt.

Die Beatles als großes Vorbild - Die Beatles als kulturübergreifendes Phänomen

Im Interview mit  "GUITAR.DE"  beschreibt Lemmy seine musikalischen Wurzeln im Rock and Roll und nennt als seine musikalischen  Vorbilder "die alten Jungs, nämlich  Elvis, die Everly Brothers, Little Richard". "Die Größten" aber für ihn die Beatles, und zwar  weil die Beatles  nie aufgehört hätten zu experimentieren und  jede ihrer Platten klingen würde, als wäre sie von einer anderen Band. Deshalb bleiben die Beatles für ihn die beste Band der Welt. Die Beatles wären seiner Ansicht nach, wenn es sie heute noch geben würde, auch konstant erfolgreich geblieben. Lemmy wörtlich: " Hätten sie als Gruppe weitergemacht, wäre das Ergebnis weiterhin fantastisch gewesen. Die Beatles waren und sind bis heute ein kulturübergreifendes Phänomen. Überall auf der Welt kennt und mag man sie. Das hat noch nicht mal Elvis geschafft. Die Beatles waren das Originellste, das es jemals gab."

Die Beatlestasche (Bild: HarshLight/flickr.com)

Die Beatles als Lampendekor (Bild: Lamp In A Box/flickr.com)

Das „Geheimnis“ der Kontinuität von Motörhead - Gleichheit, Solidarität und Integrität als Wertekanon

Die Kontinuität der gegenwärtigen Band-Besetzung von Motörhead über nunmehr 18 Jahre führt Lemmy zunächst einmal darauf zurück, dass in der Band ein bestimmter Wertekanon gilt, den er in einem Interview mit Frank Thiessies für  "WELT.DE"  folgendermaßen beschreibt: "Man muss als Gruppe und Einheit einen Pakt gegen die Welt schmieden und unzertrennlich sein. Integrität ist  das Wichtigste für eine Band, man muss sich wie unter Brüdern fühlen.  Sobald es da Unterschiede gibt, ist es keine Band mehr. Motörhead war immer eine Einheit, und anders funktioniert das auch nicht." Die Kombination von Gleichheit, Solidarität und Integrität ist also für Lemmy  die Basis für den Zusammenhalt in einer Band und damit ein wesentlicher Faktor für ihr dauerhaftes Überleben in einer ihr vielleicht nicht immer freundlich gesonnenen Welt.

Die Liebe der deutschen Fans zu Motörhead - Treue als deutsche Tugend

Dass Motörhead mittlerweile ein für eine Rock-Band biblisches Alter erreicht hat, ist für Lemmy aber auch auf die Unterstützung durch die Fans zurückzuführen. In diesem Zusammenhang betont er im Interview auf "LAUT.DE", dass die Deutschen die besten Motörhead-Fans sind, dass Motörhead den Deutschen viel verdanken würde, weil diese selbst in schlechten Zeiten, wenn es in anderen Ländern gerade mal bergab ging, solidarisch geblieben seien. In einem Interview auf "SPIELEFILMETECHNIK.DE" äußert er sich dazu wie folgt: "…Deutschland hat unser Leben gerettet. Hier können wir immer herkommen und genug Geld zum Leben verdienen. Die Fans hier waren immer gut zu uns..." Und er hat auch eine Erklärung dafür: "Ich glaube, das liegt daran, dass Deutsche loyal sind. Treue um Treue!" …Wenn sie etwas mögen und später hören sie etwas Neues, werfen sie das Erste nicht gleich über Bord, sie mögen dann eben beides. Das ist eine sehr gute Einstellung, finde ich. Außerdem ist Deutschland einer der letzten Plätze für Rock'n'Roll."

Phil Campbell (Bild: focka/flickr.com)

Mikkey Dee (Bild: focka/flickr.com)

Der Rock-Poet Lemmy Kilmister - Zum Verhältnis von Sound und Text

 Nicht nur das breite musikalische Spektrum, das Motörhead abdeckt, wird zu wenig beachtet, sondern es werden auch – wie es Frank Thiessis auf "WELT.DE" beschreibt -   Lemmys erlesene und belesene lyrische Ergüsse,  die zeigen, dass er ein Meister des gewaltigen wie gehaltvollen Wortspiels ist und mit abgeklärt nihilistischer wie ironisch spitzer Feder textet,  nicht oft genug gewürdigt  und scheinen  leider viel zu oft im lustvollen Lärm unterzugehen.  Seinen Äußerungen im  Interview mit "PUNKNEWS.ORG" nach zu urteilen, scheint Lemmy dies selbst nicht allzu tragisch zu nehmen, und er betont in diesem Zusammenhang auch, dass für die kulturübergreifende Resonanz der Musik von Motörhead  nicht  die Songtexte  entscheidend  sind, sondern  der Sound, weil dieser bei den Menschen bestimmte Gefühle  weckt.

Die pessimistische Weltsicht des Lemmy Kilmister - "Orgasmatron" und "Brotherhood of Man"

In den Interviews, aber auch in den Texten der Songs von Motörhead – deren Bedeutung er vielleicht auch aus Bescheidenheit unterschätzt - offenbart Lemmy seine "metaphysical philosophy", nämlich seine zutiefst pessimistische Weltsicht, seine tiefe Betroffenheit über die Zerstörung der Umwelt und die scheinbar nicht enden wollende Spirale von Hass und Gewalt unter den Menschen. Aus der Fülle gesellschaftskritischer und Anti-Kriegs-Songs, die Motörhead produziert hat, ragen die Songs "Orgasmatron" vom gleichnamigen Album und "Brotherhood of Man" vom Album "The Wörld is Yours” heraus, weil Lemmy hier seine pessimistische Weltsicht auf den Punkt bringt.

Lemmy voller Hingabe (Bild: focka/flickr.com)

Phil der Super-Gitarrist (Bild: focka/flickr.com)

Politische und religiöse Ideologen als Feindbild Nummer 1 - Hitler und Stalin

Wie aus den Songtexten hervorgeht, sind es für Lemmy die machtbessenen Ideologen in Politik und Religion, die die Welt beherrschen und ins Unglück stürzen. Wenn es um die Macht geht, verschwimmen also für Lemmy die Unterschiede zwischen Religion und Politik. Betrachtet als Form von Glaubensfanatismus, verschwimmen für Lemmy aber auch die Grenzen zwischen Links- und Rechtsradikalismus. Dazu sagt er im Interview mit "LAUT.DE", dass Stalin zwar das Produkt einer linksradikalen Bewegung gewesen sei, aber sich als genauso rechtsradikal wie Hitler erwiesen habe. Und das Schlimmste war dabei für ihn, dass diese Ideologen von einer fanatischen Anhängerschaft unterstützt wurden. Wörtlich heißt es dazu: "Die Leute sind Stalin und Hitler in blindem Fanatismus gefolgt… Blinder Glaube war schon immer das Dämlichste, was es gibt. Du bist nicht blind, wenn du dich selber blind machst, ist das absoluter Schwachsinn. Warum sollte man sich irgendeiner Idee so weit verpflichten, dass man nichts anderes mehr gelten lässt und auch seine eigene Persönlichkeit dafür aufgibt?"

Skepsis gegenüber der Demokratie - Die Gefahr des Machtmissbrauchs

B.Obama - Allison Harger/flickr.comAuch demokratische Politiker, vor allem die in seiner Wahlheimat USA, kommen bei Lemmy nicht gut weg. Über die Republikaner, allen voran der ehemalige US-Präsident George Bush, fällt er im Interview mit "OX-FANZINE.DE" ein vernichtendes Urteil. Aber auch  Präsident Barack Obama beurteilt er eher skeptisch, wobei er dessen eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten betont. Im Grunde genommen gibt es für Lemmy keinen Politiker, der besser wäre als die anderen, weil seiner Ansicht nach alle Politiker früher oder später der Gefahr des Machtmissbrauchs erliegen. Aufgrund seiner generellen Aversion gegen Politiker  sieht Lemmy auch keinen Sinn darin, zur Wahl zu gehen. Wörtlich heißt es dazu im Interview auf "GEA.DE": Wen sollte ich denn wählen? Es geht immer nur darum, sich zwischen zwei Übeln zu entscheiden. Die politischen Eliten haben sich von den Menschen abgekoppelt. Ich fände es cool, wenn einmal niemand zur Wahl ginge."

Lemmys Plädoyer für Anarchie - Anarchie als Utopie

In den Interviews mit "PUNKNEWS.ORG" und mit "LAUT.DE" äußert Lemmy die Überzeugung, dass die Menschen ihr Zusammenleben auch ohne Politiker regeln könnten, und zwar indem sie die Regel beherzigen: "Behandele andere Menschen so, wie du selber gerne behandelt werden möchtest". Dies wäre für Lemmy die Basis für Anarchie, wie sie eigentlich sein sollte. Denn Anarchie heißt Lemmy zufolge ja nicht: Amoklaufen, plündern, verwüsten, stehlen usw., sondern Anarchie heißt, dass jeder das macht, was er will, solange der andere dabei nicht zu Schaden kommt oder seine Wünsche beeinträchtigt werden. Was die tatsächlichen Chancen zur Realisierung einer solchen Regelung der zwischenmenschlichen Beziehungen betrifft, ist Lemmy jedoch eher skeptisch. Denn er sieht hier die Gefahr – so Lemmy auf "LAUT.DE" - dass es immer wieder Menschen gibt, die meinen, sie müssten lauter als die anderen sprechen und sie hätten die Wahrheit mit Löffeln gefressen, so dass sich wieder Gruppen bilden, Wahlen stattfinden und es wieder losgeht mit den Machtspielen.

Rock and Roll als wahre Religion - Wunder durch Rock'n'Roll music

Wunder - ille Dunkel/pixelio.de Die genannte Goldene Verhaltensregel wäre für Lemmy - so seine Äußerung im Interview mit "WELT.DE" - auch die Basis für wahres Christentum, also dafür, "ein guter Christ zu sein, ohne per Aufkleber zu diesem Verein zu gehören". Lemmy lehnt folglich den christlichen Glauben nicht per se ab, sondern das Christentum als Institution, da dieses ja seiner Meinung nach ebenso mit Machtmissbrauch verbunden ist wie die Politik. Wegen dieser Pervertierungen ist für ihn das (institutionalisierte) Christentum zur "false religion" geworden. Die "true religion" ist für Lemmy, wie es auf dem Album "The World is Yours" in einem Song heißt, Rock'n'Roll music. Denn Rock'n'Roll music lässt – wie es im Songtext heißt - "Gelähmte wieder gehen, Blinde wieder sehen und weckt Tote wieder auf". Für Lemmy kann mit anderen Worten "Rock'n'Roll music" das bewirken, was im christlichen Glauben als Wunder gilt, und deshalb den - für Machtzwecke missbrauchten - christlichen Glauben an Wunder ersetzen.

 

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