Kippen überall; Paris verhängt saftige Bußgelder

Die Folgen sind teilweise bereits sichtbar: Über 53 Prozent des Mülls an den Stränden der Nord- und Ostsee genauso wie an den Ufern der Flüsse und Weltmeere bilden Zigarettenkippen. Kippen sind bei allen Müllsammelaktionen weltweit unter den TOP 10 zu finden.

Die Zahlen am Beispiel der französischen Metropole Paris sind erschreckend, denn die Müllabfuhr sammelt dort jedes Jahr rund 350 Tonnen achtlos fort geworfene Kippen ein. Der Stadtverwaltung geht es dabei nicht in erster Linie um Ästhetik, sondern um die Verhinderung von Umweltschäden im Boden und Wasser.

Inzwischen wird in Paris seit 2015 gehandelt. Zigarettenstummel in Paris achtlos auf die Straße zu werfen, kann künftig teuer werden. In der französischen Hauptstadt wird das Wegwerfen von Kippen seit Oktober 2015 mit einer erhöhten Geldbuße von 68 Euro – vorher 35 Euro - geahndet.

Bislang lag die Geldbuße für das Wegwerfen von Müll auf die Straße bei 35 Euro. Ein im März veröffentlichtes Dekret, das zum 1. Oktober in Kraft trat, hebt dies auf 68 Euro an.

Um auf die neue Regelung aufmerksam zu machen, hatten Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Vormonat in Parks und auf öffentlichen Plätzen "zur Einstimmung und Erziehung" Strafzettel verteilt, ohne aber die Geldbußen einzutreiben. Gleichzeitig wurden 30.000 neue Mülleimer aufgestellt, an denen Zigaretten ausgemacht und die Kippen weggeworfen werden können.

Plastikfilter und die darin enthaltenen Gifte

Raucher beruhigen ihr schlechtes Gewissen oft mit dem Hinweis, der Filter bestehe aus Papier und das verrotte doch so schnell.

Dieser Hinweis ist schon sehr lange sehr falsch. Ganz früher bestanden Zigarettenfilter aus Kork. Bei der Umstellung der Filter auf Papier wurde lediglich das Korkmuster imitiert. Aber auch Zigarettenfilter aus Papier gibt es für industriell gefertigt Zigaretten ebenfalls schon lange nicht mehr; sie sehen nur noch aus wie aus Kork. Tatsächlich werden konventionelle Zigarettenfilter schon lange aus Zellulose-Acetat hergestellt, einem Kunststoff. Die Zerfaserung dieses Materials kann bis zu 15 Jahre dauern. In dieser Zeit geben die Filter viele toxische Stoffe ab. Zum Schluß verfällt es in kleinste Plastikteile bis hin zu Mikroplastik.

Beim Rauchen sammeln sich Nikotin, Arsen, Blei, Chrom, Kupfer, Cadmium, Formaldehyd, Benzol, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und viele andere Chemikalien in den Filtern. Die Filter einer Zigarette haben, wie der Namen schon sagt, die Funktion, einen Teil der Giftstoffe herauszufiltern; ein großer Teil dieser rund 7000 Gifte bleibt in ihnen hängen. Sie sind das Problem, denn diese Stoffe sickern mit dem Regenwasser weltweit in den Boden oder in die Kanalisation. Ein einziger weggeworfener Zigarettenstummel verseucht schätzungsweise bis zu 40 Liter Grundwasser.

Kippen im Salzwasser sind noch problematischer

Eigentlich zerfrisst Salzwasser alles. Aber im Salzwasser wird der Zersetzungsprozess noch verlangsamt und kann bis zu mehrere hundert Jahren dauern, ergab eine Studie des Alfred-Wegener-Instituts (AWI). Dieses Institut ist in der Helmholtz-Gemeinschaft das Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

Sogar im Pack-Eis der Arktis scheinen die Kippen angekommen zu sein. Dort haben die Forscher des AWI winzig kleine Celluloseacetat-Partikel gefunden. Die Partikel des Celluloseacetats gelten als Indikator für Zigarettenkippen. Teilweise fanden die Forscher des AWI mehr als 12.000 Mikroplastik-Teilchen pro Liter Meereis – darunter eben auch Celluloseacetat-Partikel.

Gegen das Nikotin helfen die Kläranlagen zum Teil

Pro Zigarettenstummel, das hat eine Studie im Auftrag des BUND ergeben, gelangen zwei bis sechs Milligramm vom sehr gut wasserlöslichen Nikotin ins Regenwasser, auch nach Angaben der Zeitschrift "Ökotest". In städtischen Gebieten ist die Nikotin-Belastung besonders hoch. Studien haben eine bis zu 60fache höhere Konzentration im Oberflächenabfluss festgestellt. Es dauert nur 30 Sekunden, bis das Nervengift aus einem Filter herausgespült ist. Es sammelt sich im Erdboden an oder im Grundwasser an oder landet über Gullys und die Kanalisation in einer Kläranlage. Dort werden Nikotin und Cotinin, ein Abbauprodukt des Nikotins, nach Ergebnissen verschiedener Studien zu über 90 Prozent in Kläranlagen eliminiert".

Aber dennoch sollte Nikotin in der Umwelt überhaupt nicht vorhanden sein und generell vermieden werden

Welche Maßnahmen gegen die Kippenflut gäbe es?

  1. Die Raucher könnten das Rauchen aufgeben. Das bleibt aber wohl ein frommer Wunsch.
  2. Die Raucher könnten ihr Wegwerfverhalten ändern. Es gibt ein Recyclingsystem für Zigarettenkippen. Der Verein "TobaCycle" mit Sitz im Raum Köln stellt Unternehmen, Gaststätten und Kneipen spezielle Aschenbecher zur Verfügung, nimmt die aufgerauchten Kippen zurück und stellt daraus Kunststoffprodukte wie Taschen-Aschenbecher her.
  3. Die Raucher könnten immer einen Miniaschenbecher bei sich tragen. Er kostet weniger als einen Euro, ist mit einem Deckel versehen und hält "ewig". Damit wird der Geruch der Kippen und der Asche neutralisiert. Die Kippen kommen in den Miniaschenbecher hinein und werden bei nächster Gelegenheit an geeigneter Stelle entsorgt.
  4. Nach den Vorstellungen der WHO zahlt die Tabakindustrie für die Entsorgung der Kippen. Ein ähnliches System ist für Batteriehersteller längst eingeführt.
  5. Eine gute Aufklärungskampagne könnte den Menschen vor Augen führen, was sie der Umwelt antun, wenn Kippen achtlos auf der Straße oder sonstwo entsorgt werden. Schließlich ist nicht auszuschließen, dass die Stoffe auch in unserer Nahrungskette landen. Auswirkungen auf das Trinkwasser sind bislang nicht bekannt. Und sie gelten demnach aus toxikologischer Sicht aufgrund von Verdünnungseffekten auch als nicht relevant.
  6. Auch die EU setzt auf die Sensibilisierung der Menschen. Sie hat die Hersteller im Visier. Sie sollen sich nicht nur an Säuberungen, sondern auch an den Kosten für Sensibilisierungsaktionen beteiligen. Dafür wurde bereits ein "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt" formuliert.
  7. Man könnte Zigaretten mit Filtern verbieten. Das würde weniger Kippenmüll, weniger Plastik in unserer Umwelt und weniger toxische Substanzen bedeuten, die unsere Böden und Meere vergiften. Vielleicht würde das auch weltweite Zahl der Raucher drastisch verringern.

Der BUND schießt über das Ziel hinaus

Ende Juni 2019 meldete sich der BUND über seinen Landesverband Schleswig-Holstein zu Wort und forderte ein generelles Rauchverbot an allen Stränden. Er bezog sich dabei auf drei Strandabschnitte auf der Nordseeinsel Föhr, an denen Rauchen nicht erlaubt ist. Diese Regelung sei von den Gästen gut angenommen werden. Es gebe dort zwar keine Kontrollen, aber mindestens "böse Blicke", wenn jemand mit seiner Zigarettenschachtel herumhantiere.

An anderen Stränden der Nord- und Ostsee sind dagegen Strandaschenbecher bei den Tourist-Informationen oder Strandkorb-Vermietern erhältlich, die die Gäste nach ihrem Besuch wieder abgeben können. So wird es zum Beispiel an der Flensburger Förde oder der Lübecker Bucht gehandhabt.

Mit seiner generellen Forderung eines Rauchverbotes an Stränden schießt der BUND weit übers Ziel hinaus, denn Verbote helfen weltweit nicht weiter, zumal deren Einhaltung bei 1300 Kilometer Küstenlinie allein in Schleswig-Holstein nicht zu kontrollieren und, wenn ja, dies nur mit unverhältnismäßigem Aufwand geschehen könnte.

Vorschlag: Besser wäre es zuerst einmal gewesen, der BUND hätte an die Einheimischen und Touristen im Lande appelliert, sich vor einem Strandbesuch mit Taschenaschenbechern auszurüsten, die entweder vom BUND kostenlos zur Verfügung gestellt oder gegen eine Spende abgegeben werden. Das hätte der Aktion bundesweites Aufsehen und positive Reaktionen gebracht. Leider eine vertane Chance.

Im übrigen sind sie billigst zu erwerben, sodass sich jeder Bürger damit ausrüsten könnte. Eine solch positive Aktion hätte dem BUND besser zu Gesicht gestanden als eine Forderung nach einem generellen und wenig praktikablen Verbot, zumal europaweit der Trend besteht, Strandabschnitte rauchfrei zu stellen.

Es muss nicht immer "alles oder nichts" heißen, denn eine positive Aktion hätte mehr Verständnis erbracht als eine reine Verbotsforderung. Das ist wie bei den Wölfen in Deutschland: Auch die ständigen Äußerungen vom BUND "Der Wolf ist nicht böse" nehmen den Schafzüchtern und Schafhaltern im Lande angesichts der mehr als 1600 vom Wolf angegriffenen oder gerissenen Schafe nicht die Existenzangst. Und offensichtlich traut der BUND seinen eigenen Beteuerungen nicht: Warum fordert er dann einen mindestens 90 Zentimeter hohen Schutzzaun als Schutz gegen Wölfe?

Eine ergebnisoffene Diskussion um den Umgang mit Wölfen mit dem Austausch der Argumente Pro und Kontra würde den Bürgern und auch den Wölfen besser gerecht als eine einseitige Betrachtungsweise.

Es liegt im Trend, nicht am Strand zu rauchen

In Deutschland gibt es, wie oben geschildert, bereits einige rauchfreie Strandabschnitte.

Auch in Spanien hat der Kampf gegen die Kippen im Sand bereits begonnen. Viele spanische Strandparadiese versuchen seit Jahren, gegen das Meer von Zigarettenstummel zu kämpfen, die vor allem in der Hochsaison im Sand zurückbleiben, weil nur die wenigstens Raucher ihre Kippen wieder einsammeln, um sie dann ordentlich in einem Abfallkorb zu entsorgen. Manche Urlaubsorte wie etwa die Mallorca-Gemeinden Calvià oder Manacor verteilen mittlerweile Aschenbecher an die Raucher, damit sie mit Asche und Zigarettenfilter nicht den Sand und das Wasser verschmutzen.

Das Gesundheitsministerium der Baleareninseln, zuständig für Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera, will den Ferienorten nahelegen, an einzelnen Strandabschnitten Rauchverbote zu verhängen. Es sieht rauchfreie Strände als zusätzlichen Anreiz für Touristen, die Inseln als Urlaubsziel zu wählen.

Vorbild für diesen Plan ist die spanische Atlantikregion Galicien, wo bereits 79 Strandabschnitte rauchfrei sind. Strafen sollen aber nicht verhängt werden. Es gehe vielmehr um die Sensibilisierung der rauchenden Badegäste. Ihnen soll bewusst gemacht werden, dass ihr gesundheitsschädliches Qualmen unerwünscht sei und dass die zurückbleibenden Zigarettenstummel die Strände verschmutzten. Es sei erstrebenswert, nicht beim Herrichten eines geeigneten Platzes für das eigene Handtuch am Strand erst einmal die Kippen der Vorgänger zu entfernen.

Autor seit 11 Jahren
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