Dürfen Bauarbeiter einer Frau hinterherpfeifen?
Eine persönliche Sicht der Debatte über Sexismus, die durchaus ihre Berechtigung hat, aber auch immer mehr zum realen absurden Theater wird.Wie war und ist das mit den Bauarbeitern?
Als der Riesen-Bauboom in Spanien verebbte, da begrüßten besonders wir umweltbewusste Deutsche dies: Endlich verschwand der Wald an Riesen-Baukränen, die uns den Meeresblick verstellten und die nervtötenden Bagger mit ihrem ‚piep-piep-piep', der Staub und Lärm der 90 (!) Lastwägen, die stündlich an unserem Grundstück vorbei fuhren.
Aber es verschwanden damit auch die uns Frauen nachpfeifenden Bauarbeiter mit ihren teils frechen Bemerkungen, sofern wir die auf Spanisch überhaupt verstanden haben! Ach ja, die Latinos und ihre Schmeicheleien, auch wenn unser auf Misstrauen geschulter nordischer Verstand sagt, dass sie maßlos übertreiben, aber es wirkt trotzdem so wohltuend auf unser Selbstbewusstsein!
Auch, wenn wir das nicht zugeben wollen. Denn, nicht wahr unter uns Hetero-Frauen, unwillkürlich schreiten wir dann wie die Casting-Mädchen bei Heidis next Topmodel an der Baustelle vorbei.
Wie ist das mit den Komplimenten?
Ich erinnere mich an eine Szene aus der TV-Serie "King of Queens": Da hing der Haussegen bei Familie Hefferman schief, weil die Arbeiter der benachbarten Baustelle seiner Gattin nicht nachgepfiffen hatten und sie ihn deshalb mit ihren Komplexen vor dem Spiegel nervte. Was tat der liebende Gatte? Er drückte den Bauarbeitern heimlich einen 10-Dollar-Schein in die Hand, und die übertrafen sich am nächsten Tag geradezu mit Anmache und Pfiffen, sodass seine Frau Carey wieder erhobenen Hauptes das Haus verlassen konnte!
Nun aber zur aktuellen "Anmache" des älteren Politikers Herrn B. Ich hätte seinen Satz: "Sie können ein Dirndl auch gut ausfüllen" als Kompliment genommen, ich Naive, denn ich liebe Dirndlkleider! Hatte in meinen bayerischen Zeiten 12 Stück davon. Aber ich hätte ihm noch den Mund wässerig gemacht und ihm erzählt, dass es extra Dirndl-Büstenhalter gebe, mit denen frau alles von hinten nach vorne und oben schiebt. Und dann hätte ich ihn stehen lassen in seiner Qual!
Übrigens rächt die Betroffene sich ja jetzt prima über die Macht des Mediums, oder? Bleibt nur ein fader Beigeschmack: Erst ein Jahr nach der Äußerung und drei Tage, nachdem er Spitzenmann der FDP wurde. Das ist das durchsichtige Manipulative: Jetzt wird auf ihn eingehauen - vorher haben etliche Medien ihn zum Zwecke des Rösler - Sturzes erst dahin geschrieben.
Oben: Im Dirndl: besser mit scharfem Wachhund unterwegs?
Die Gründe hinter den Gründen?
Irgendwie schmeckt es nach Manipulation, auch von der Frauenministerin, die sich nun anhängt, um von den wahren Problemen im Wahlkampfjahr abzulenken! Und Auflagensteigerung für den Stern. Dessen Chefredakteur Osterkorn - in Vertretung der bewussten Redakteurin, die wohlweislich nicht zu Jauch kommen wollte, - hat seine Nackttitelbilder scheinheilig als nicht sexistisch zurück gewiesen, sondern wollte sie als "erotisch" erklären. Ich war lange genug in Redaktionen, um den Satz gegenwärtig zu haben: "Wir brauchen mal wieder eine Nackerte auf dem Titel, die Auflage sinkt!" Sexismusdiskussion auch als willkommene Ablenkung von Problemen wie den gierigen Bankern, der hohen Verschuldung, der Altersarmut, den unterbezahlten Minijobs? Suche den Grund hinter den Gründen.
Das Rüstzeug von uns Frauen
Eine Frau - es war beim Fernsehsender ntv, glaube ich, sagte neulich sinngemäß. Was die eine Frau als Flaxerei abtut oder vielleicht allenfalls missglücktes Kompliment empfindet, empfindet eine andere halt als Beleidigung. Was sind wir doch alle relativ!
Aus meiner Berufssicht: Es hat sich leider in 20 (!) Jahren nicht viel gebessert. Ich musste mir auch Sprüche anhören wie: "Sie haben es leicht im Berufsleben - Sie machen sich einfach einen Schlitz ins Kleid." oder: "Der arme Mann, na der Haushalt wird vielleicht aussehen."
Wobei ich zwar zunächst koche innerlich vor Wut, dann aber meist schlagfertig herausgebe und das Ganze gerne ins Lächerliche ziehe. Bei letzterem, einem Vorstandsmitglied eines Industriegiganten, antwortete ich lässig: "Ach, wir haben alle Maschinen, die es so gibt, zwei Mütter und mein Mann hat nichts gegen ungebügelte Hemden!" Ich hatte dann die Lacher auf meiner Seite. Nichts mögen Männer und besonders Politiker übrigens weniger, als vor Publikum lächerlich gemacht zu werden.
Mein Mann kommentierte einmal: "Weil ich an der Seite meiner Frau miterlebte, wie es ihr im Beruf erging, wurde ich zum Feministen."
Für ganz schwere Fälle: ein Selbstverteidigungskurs
Der zuerst genannte Spruch mit Schlitz war einer der wenigen, auf die mir spontan nichts eingefallen ist. Aber das ist die Ausnahme, das glaubt jeder, der mich kennt! Ich denke, das ist schon seit meiner (harmlosen) Straßenkinderbande in mir drin: nur nichts gefallen lassen von den Jungs! Und für ganz schwere Fälle habe ich einmal einen Selbstverteidigungskurs für Frauen mitgemacht. Kann ich nur empfehlen.
Bei der Talkshow von Günter Jauch am Sonntabend, dem 27.Januar 2013, gab es solche - fast Altersweisheiten zu nennende - Sätze auch von der Alt- und Oberfeministin Alice Schwarzer zu hören. Dass Frauen immer noch sich gegen dumme Sprüche wehren müssen, ob verbal, juristisch oder sonstwie. Auch Wibke Bruhns, berühmte Sternreporterin der alten Schule, erste Frau als Nachrichtensprecherin im Fernsehen, sieht es ähnlich lässig wie ich, nur ging mir ihr Spruch zu weit, dass Männer eben mit Stieren zu vergleichen seien und Frauen mit Kühen und wolle man nicht, dass der Stier auf die Kuh reagiere, dann müsse man ihn zum Ochsen machen. Da habe sogar ich geschluckt. Empfehle den Link zu einer ausführlicheren Beschreibung.
Wehe, wenn Sie nicht mehr pfeifen!
Aber zurück zur Ausgangsfrage der Überschrift.
Hellmuth Karasek sagte bei Jauch: "Wollen wir Verhältnisse wie in den Vereinigten Staaten, wo ein Hochschulprofessor nicht mehr allein mit einer Studentin im Fahrstuhl fahren darf? Wo er in seiner Sprechstunde mit einer Studentin einen neutralen Dritten zugegen haben muss?"
Deshalb liebe Bauarbeiter: Ja, ihr dürft hinterherpfeifen! Bei mir und meinen schnell befragten Facebookfreundinnen jedenfalls! Wehe, wenn sie es nicht mehr tun! Und sich jetzt durch diese Debatte verunsichern lassen.
Doch ich gehöre eher einer Generation zwischen Wibke Bruhns, Alice Schwarzer auf der einen und der Netzaktivistin Anne Wizorek auf der anderen Seite an (die 60.000 Twitter-Kommentare bisher erreichte). Die Generation der letzteren scheint mit Humor und Schlagfertigkeit nicht viel am Hut zu haben.
Was mich zu zwei Folgerungen führt:
1. Mein Buch "Kann Erfolg den Sünde sein? - Erfahrungen einer Karrierefrau" schleunigst dieses Jahr bei solchen Diskussionen neu aufzulegen.
2. Einen Workshop anzubieten, bei dem man Schlagfertigkeit trainiert. In beiderlei Beziehung: mit Wörtern und physisch.
Bildhinweise: Ayuntamiento Estepona, Reinhard Hefele