Totgequält - totgeschwiegen ?

Das traurigste und beschämendste Kapitel an dieser blutigen Tragödie [der Ermordung Carola Nehers und anderer Emigranten] ist die Haltung der offiziellen deutschen Emigration gegenüber dem Schicksal ihrer nach der Sowjetunion ausgewanderten Mitglieder. Die deutsche ‚Volksfront': die Herren Heinrich und Thomas Mann, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Arnold Zweig, die Weltbühne, die ‚Pariser Tageszeitung', die ‚Volkszeitung', (...) sie alle, alle hüllen sich in Schweigen. Sie, Herr Brecht, haben Karola Neher gekannt. Sie wissen, daß sie weder eine Terroristin noch eine Spionin, sondern ein tapferer Mensch und eine große Künstlerin war. Weshalb schweigen Sie? Weil Stalin Ihre Publikation ‚Das Wort', die verlogenste und verkommenste Zeitschrift, die jemals von deutschen Intellektuellen herausgegeben worden ist, bezahlt? Woher nehmen Sie noch den Mut, gegen Hitlers Mord an Liese Hermann, an Edgar André und an Hans Litten zu protestieren? Glauben Sie wirklich, daß Sie mit Lüge, Knechtseligkeit und Niedrigkeit die Kerkerpforten des Dritten Reiches sprengen können?

So reagierte der bekannte Trotzkist Walter Held auf das Schweigen der internationalen Emigrantengemeinden über Verhaftung und Tod von Carola Neher in der Sowjetunion. Das Ende der großen Brecht-Interpretin, der Filmschauspielerin, der ehemaligen Lebensgefährtin von Klabund und Hermann Scherchen, war unscheinbar : 1942 stirbt sie in einem sowjetischen Lager an Typhus.

Als Autodidaktin kam sie 1920-22 an das Theater Baden-Baden. 1925 heiratete sie den expressionistischen Dichter Klabund. In der Uraufführung von dessen Stück "Der Kreidekreis" in Breslau erzielte sie einen ihrer ersten großen Bühnenerfolge.

Seit 1926 arbeitete sie in Berlin mit Brecht zusammen, sie sollte eigentlich die Polly in der Uraufführung der "Dreigroschenoper" spielen, war aber verhindert, da ihr Mann 1928 starb. Dafür feierte sie in weiteren Brecht-Stücken und in der ersten Verfilmung der "Dreigroschenoper" große Erfolge.

Carola Neher mußte Deutschland sofort nach Machtantritt der Nazis verlassen, über die Zwischenstation Prag ging es in die Sowjetunion, wo sie sich von Anfang an beruflich und politisch sehr engagierte. Schnell kam es aber hier zur Katastrophe : schon im Sommer 1936 wird sie verhaftet, 1937 verurteilt man sie zu 10 Jahren Arbeitslager. Der Vorwurf, trotzkistische Verschwörung gegen die Sowjetunion, stützt sich u.a. auf Denunziationen von deutschen Kollegen in Moskau. Das wird in Emigrantenkreisen in der ganzen Welt schnell bekannt, wo man an prominente deutsche Antifaschisten appelliert, hier zu helfen.

Nichts geschieht, 1942 stirbt sie in einem sowjetischen Lager. Ihr Sohn, 1934 geboren, wächst in einem Waisenhais auf - niemand sagt ihm, wer seine Mutter ist. In den 1970er Jahren reist er dann in die Bundesrepublik aus und ist hier als Musiklehrer tätig.


Carola Neher / Bericht über das Schicksal ihres Sohnes
Der Todesort von Carola Neher- Sol Iletzt

Auf der Website des Theaters Baden Baden

http://www.bad-bad.de/theater/c_neher.htm

Artikel in der "Berlinischen Monatsschrift "

http://www.luise-berlin.de/bms/bmstxt00/0011pora.htm

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