In einem langen Prozess, der vom 16. bis ins frühe 19. Jahrhundert dauerte, wurde in den deutschen Ländern die allgemeine Schulpflicht eingeführt. Damals war der größte Teil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, und die Kinder wurden dort als Arbeitskräfte benötigt, was beispielsweise in der Eifel, "nachdem diese 1815 preußisch wurde, in den beiden folgenden Jahrzehnten mehrmals zu heftigen Protesten der Landbevölkerung gegen den Schulbesuch der Kinder" führte (de.wikipedia.org, "Schulpflicht"). Zumindest wurde den Bedürfnissen der Landwirtschaft insofern Rechnung getragen als man die Kinder in der landwirtschaftlich arbeitsintensiven Sommerzeit besonders lange von der Schule freistellte.

Im zuge der Industrialisierung reduzierten Maschinen die Anzahl der in der Landwirtschaft benötigten Arbeitskräfte, wie auch die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges insgesamt zurückging. Doch die langen Sommerferien blieben. Als die Menschen nach dem 2. Weltkrieg immer wohlhabender wurden und nach den Kosten für Wohnung, Essen, Körperpflege, Auto etc. etc. immer noch Geld übrig hatten, geriet es in Mode, im Sommer für zwei, drei oder gar vier Wochen seine Heimat zu verlassen, sich in einem Hotel einzuquartieren, "in Urlaub zu fahren". Man schwitzte im Stau, ärgerte sich über Zug- und Flugverspätungen, über schlechtes Essen und Durchfall, über schmutzige Hotelzimmer, in denen man wegen Baustellen- oder Diskothekenlärms keine Ruhe fand. Die Rechtsanwälte freuten sich, die Schüler wetteiferten untereinander, wer am längsten und am weitesten weggefahren war und den schlimmsten Sonnenbrand hatte. Der eigentliche Grund für die langen Sommerferien geriet in Vergessenheit.

Eine teure und umweltschädliche Tradition: Die großen Sommerferien.

Das wäre alles nicht weiter erwähnenswert, wenn es nicht gleichzeitig bedeuten würde, dass die Ferien in anderen Jahreszeiten entsprechend kürzer ausfallen, und damit auch im Winter, einer Jahreszeit, in der die Menschen doch eigentlich am wenigsten Lust dazu haben, früh aufzustehen und bei Dunkelheit, Kälte und verschneiten oder eisglatten Straßen in die Schule oder zur Arbeit zu fahren. Aber nicht nur das:

Witterungsbedingt sind Schüler wie Lehrer im Winter am häufigsten krank. Ein Lehrer mit Halsschmerzen kann nicht unterrichten und bleibt zuhause. Der Unterricht fällt aus. Ebenfalls witterungsbedingt fallen manchmal die öffentlichen Verkehrsmittel aus: Schüler und Lehrer kommen verspätet, im äußersten Fall überhaupt nicht zum Unterricht. Im Winter ist auch das Unfallrisiko höher.

Kommt der Bus?

Bild: Rolf Handke, www.pixelio.de

Und erst die Heizkosten! Im Sommer werden Schulgebäude überhaupt nicht geheizt; man spart also nichts, wenn sie leerstehen. Im Winter dagegen bedeutete es eine riesige Einsparung, zehntausende solcher großen Gebäude nicht oder nur minimal (um Frostschäden zu vermeiden) beheizen zu müssen. Eine weitere Einsparung gäbe es beim Strom, weil im Winter die ersten zwei Schulstunden noch in der Dämmerung liegen und die Beleuchtung eingeschaltet werden muss.

Zwei oder drei Wochen Sommerferien würden für eine Urlaubsreise genügen, wenn man sie denn unbedingt unternehmen will. Und im Winter in wärmere Gefilde zu reisen wäre doch angenehmer als im Sommer bei 45 Grad im Schatten an einem südlichen Strand zu braten...

Teure Beleuchtung

Bild: Rainer Sturm, www.pixelio.de

Was also spricht gegen eine Änderung der bisherigen Praxis?

Das Kultusministerium Baden-Württemberg hatte dazu wenig überzeugende Antworten (Brief an den Autor vom 7. 7. 2008):

"Die sechswöchigen Sommerferien haben in Deutschland eine Tradition, auf die Eltern und Schüler nicht verzichten wollen."

Sind sie gefragt worden?

"Auch andere Länder Europas haben gerade in der schönen und warmen Sommerzeit mit ihren langen Tagen größere Ferienabschnitte. Gerade dies wird als eine besondere Form von Lebensqualität empfunden."

Und was ist mit der Lebensqualität, bei winterlichem Sauwetter nicht frühmorgens aus dem Haus zu müssen?

Jetzt hinaus in die Kälte?

Bild: M. E., www.pixelio.de

"Die Dauer von sechs Wochen kommt auch den Betrieben entgegen, die auf diese Weise Mitarbeitern einen dreiwöchigen Sommerurlaub mit gegenseitiger Vertretung ermöglichenkönnen: Es ist vielfach üblich, dass Arbeitnehmer mit Kindern während der Sommerferien drei Wochen Urlaub nehmen und in der übrigen Ferienzeit Kollegen mit Kindern vertreten."

Das ist kein Argument, denn natürlich könnten und sollten auch die Ferien von Arbeitnehmern in die kalte Jahreszeit gelegt werden.

"Im Übrigen wäre es, um Energie zu sparen, eher angezeigt, Ferien vom Winter in den Sommer zu verlegen."

Wie bitte???

Die Ferientermine, so wurde ich abschließend belehrt, seien bereits bis zum Jahr 2017 festgelegt. Es lebe die unflexible Bürokratie!

Gleichwohl, auch nach 2017 wird es unser Land höchstwahrscheinlich noch geben, und die Schulpflicht ebenfalls. Was ich hier nicht bieten kann, ist eine Berechnung der einzusparenden Energiekosten und des geringeren Unterrichtsausfalls. Bundesweit kommen da gewiss erhebliche Summen bzw. Stundenzahlen zusammen. Für die Kultusministerien, denen Daten über die Heizungs- und Stromkosten und über die ausgefallenen Stunden vorliegen müssen, dürfte eine Berechnung des Einsparpotentials nicht schwierig sein. Dieses Einsparpotential wird durch die zunehmende Verbreitung der Ganztagsschule noch wachsen.

Man könnte auch mit einem Kompromiss beginnen, d.h. den Sommerferien zunächst nur eine Woche wegnehmen, den Winterferien zuschlagen, und die Effekte prüfen.

Lernen wir von der Natur; machen wir es wie Igel, Bär und andere vierbeinige Freunde: Versetzen wir die Schule in einen Winterschlaf! Die eingesparten Gelder ließen sich sinnvoller verwenden. Für die Bildung beispielsweise.

Klaus_Miehling, am 19.11.2009
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Bildquelle:
S.Hofschlaeger - pixelio.de (Aufsatz üben mit Grundschülern)

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