Trialog -- aus mehreren Perspektiven sieht man besser

Trialog bedeutet erst einmal nichts anders, als dass sich Betroffene, Professionelle und Angehörige gemeinsam und in wertschätzender Kommunikation dem Thema psychische Erkrankung nähern. Aus den 3 unterschiedlichen Perspektiven ergeben sich so sehr verschiedene Betrachtungsweisen. Das führt zum einen zu mehr Toleranz untereinander, zu mehr Verständnis für den Standpunkt der Anderen und zu einer tieferen und fundierteren Analyse der Krankheit.

Die Kultur des Trialogs besteht aus dem Erzählen von Geschichten, dem Suchen nach dem Sinn und subjektivem Austausch. Dabei wird vorhandenes Chaos akzeptiert und nach ganz individuellen Wegen im Umgang mit der Krankheit gesucht.

So führt der Trialog auch zu der Frage, was ist eine Psychose eigentlich für den Betroffenen. Eine Paralelle zum Traum? Eine Flucht nach vorn? Oder ein Ausbruch des Unbewussten? Diese und andere Antworten bringen Betroffene als ihren Beitrag in einen Trialog ein. Die Beschäftigung mit dieser einen Frage führt damit auch zu einer Wahrnehmung und Annahme subjektiver Perspektiven und der Erarbeitung individueller Strategien.

Ein echter Trialog hat daher das Potential für eine " Vorher - Nachher - Veränderung". in der Wahrnehmung und Wertung psychischer Krankheiten durch alle 3 Parteien.

Trialog bedeutet einen intensiven Meinungsaustausch zwischen den 3 Parteien auf Augenhöhe. Betroffene werden als gleichberechtige Gesprächspartner akzeptiert, Vertrauen wird gefördert, gemeinsam wird ein Verständnis von Psychosen und anderen Verrückungen erarbeitet. 

Die Idee des Trialogs entstand ab 1989 in Hamburg, als Thomas Bock in sein Psychoseseminar an Uni Klinikum in Eppendorf die Betroffene Dorothea Buck und ihre authentischen Erfahrungen mit einbezog und damit akademisches Neuland betrat. Hier wurde das erste Mal nicht über, sondern mit den Betroffenen geredet und damit eine neue Perspektive im Verständnis von Psychosen eröffnet. Somit ist der Trialog, das gezielte Zusammenführen von Betroffenen, Professionellen und Angehörigen älter als EX IN, wo erst ab 2006 in Deutschland die ersten Ausbildungen begannen.

 

 

Trialog -- das Erzählen aus einer anderen Perspektive

Im konkreten Modul meiner EX IN Ausbildung ging es um das Verstehen der verschiedenen Sichtweisen aus einer ganz individuellen Perspektive.Wer die eigene Geschichte aus der Sicht der Eltern oder des Psychologen erzählen soll, muss sich erst einmal in die Rolle der anderen Partei hineinfühlen und - denken. Er nimmt für sich einen Perspektivwechsel vor und gewinnt so eine andere Sich auf die eigene Erkrankung.

Der Philosoph Jürgen Habermas hat den Trialog als herrschaftsfreien Diskurs und als ausgleichend beschrieben. Er eröffnet nach Habermas neue Perspektiven durch seine spielerisch-chaotische Interaktion.

Aus meinem ganz individuellen Erleben führen allein die Rollenspiele schon zu einer anderen Sichtweise auf die eigene Geschichte.

Auch das gelassene, spielerische Suchen nach Synonymen für Angehörige und Professionelle veränderte meine Sichtweise als ein Betroffener auf diese beiden Teilnehmergruppen eines Trialogs. Sind Synonyme doch in ihrer Aussage sowohl positiv wie auch negativ besetzt und spiegeln damit auch die Bandbreite der real möglichen Wirkungen des Handelns dieser beiden
Gruppen auf die Situation des Betroffenen wider.

Die realen Gespräche mit Professionellen und Angehörigen verstärkten diese Veränderung in meiner eigenen Wahrnehmung noch und gaben diesem Modul eine sehr intensive und berührende Note.

Für mich war es eine starke emotionale Anregung, die Geschichte anderer Betroffener auch aus der Sicht eines Angehörigen oder professionellen Helfers zu betrachten,.

Was ich mir wünsche

Nichts über uns ohne uns!

Trialog bedeutet Gleichberechtigung, die Betroffenen habe die gleiche Stimme. Damit wird etwas aufgebrochen, was als die Psychologie der Sprachlosigkeit bis weit in die 70-er Jahre existierte. Der Psychiater als der Pillenmann,der Kranke ohne Rechte. Der Fall Gustl Mollath zeigte noch in diesem Jahrhundert auf, wie Psychiatrie missbraucht werden kann.

Ein Trialog kann diesen Missbrauch eindämmen Er führt zu einem tieferen Verständnis von Krankheitsverläufen auch bei behandelnden Ärzten.

Ich wünsche mir dieses trialogische Herangehen als die Einbeziehung der Erkrankten in allen Einrichtungen, in denen psychisch kranke Menschen leben, weil sie die wahren Experten für ihre Situation sind.

EX IN steht aus meiner Sicht unter anderem auch vor der Aufgabe, auch mittels selber organisierter Trialoge einen sinnvollen Mix aus der wissenschaftlich fundierten ärztlichen Arbeit und dem subjektiv-chaotisch-spielerischen Umgang mit den vielfältigen psychischen Erkrankungen in der Art von EX IN zu finden und fester in die alltägliche Arbeit zu implementieren.

 

Ich bin Systemischer Coach mit der Spezialisierung auf Menschen mit Angststörungen und absolviere gerade eine EX IN Ausbildung als weitere Qualifikation.

 

https://www.angstberatung-berlin.de/

 

Fotos by: pixabay.com

Autor seit 9 Jahren
104 Seiten
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