Niemand WILL Werbebriefe lesen

Für Existenzgründer sind Werbebriefe eine preisgünstige und - wenn Sie alles richtig machen - erfolgversprechende Marketingmethode. Die irrige Annahme, der geneigte Verbraucher würde nur darauf warten, von Ihren interessanten Angeboten zu erfahren, ist allerdings der fast sichere Tod jeder Werbung. Das gilt nicht nur für Werbebriefe – in der Fachsprache übrigens Mailing genannt, auch wenn sie ganz traditionell per Post kommen –, sondern genauso für jede andere Marketingmaßnahme. Warum sollte er auch? Er weiß ja schließlich noch nicht, dass Sie ihm etwas wirklich Interessantes/Günstiges/Nützliches anbieten, wenn er Ihren Brief in der Post vorfindet. Schaut man sich den durchschnittlichen Briefkasten heute an, wird klar, wie leicht Werbung untergehen kann – oder lästig wird. 90% des täglichen Inhaltes, oft auch tagelang der einzige, besteht aus Anzeigenblättern, Handzetteln, Flyern, noch mehr Anzeigenblättern und zum Wochenende hin nochmal eine geballte fingerdicke Ladung als Mittelteil der Tageszeitung. Gerüchteweise soll es Menschen geben, die jedes einzelne Werbeprospekt durchlesen, in der Hoffnung auf das ultimative Schnäppchenangebot. Am weitesten verbreitet dürfte jedoch das rasche Aussortieren der bunten Blättchen und Zettel in den Papierkorb sein. Daraus ergibt sich die erste wichtige Erkenntnis für ein erfolgreiches Mailing:

Ihr Werbebrief darf nicht sofort als solcher erkennbar sein.

Rufen wir uns in Erinnerung, dass kaum jemand Werbung wirklich lesen will. Ist Ihr Werbebrief bereits von Außen als Werbung zu erkennen, kann er unbesorgt in den Papierkorb wandern. Der Empfänger ist ja sicher, dass er nichts Wichtiges verpasst. Findet er jedoch einen neutralen Umschlag vor, wird er ihn niemals ungeöffnet wegwerfen. Aufdrucke wie "Unser Supersonderangebot der Woche!" sind also eher kontraproduktiv. Was funktionieren kann, sind erkennbare Angebote, die einem aktuellen Bedürfnis entsprechen "Wir bieten Ihnen günstige Heizölpreise mit Sofortservice" oder die (Neu)Gier wecken: "Lotterie mit garantierten Gewinnen." Das Angebot muss dann aber auch tatsächlich den Erwartungen entsprechen, sonst wird der Schritt zum Papierkorb nur sehr kurzfristig hinausgeschoben.

Mit der richtigen Gestaltung des Umschlages haben Sie Ihren potentiellen Kunden nun schon mal soweit, dass er bereit ist, Ihren Brief zu öffnen. Jetzt geht es darum, in dazu zu bringen, ihn auch zu lesen.

Ihr Werbebrief muss den Leser sofort davon überzeugen, dass es sich lohnt, ihn zu lesen.

Werbebriefe gehören zu den meist erforschten Werbemitteln. Mit Hilfe von Blickverfolgungs-Kameras lässt sich beispielsweise genau analysieren, wie solche Briefe betrachtet werden: Wohin fällt der erste Blick, was wird als nächstes wahrgenommen, was wird als Erstes gelesen?

Naheliegender Weise würden Sie wohl vermuten, dass der erste Blick dem Betreff gilt, um herauszufinden, worum es eigentlich geht. In der Reihenfolge liegt der aber viel weiter hinten. Der erste Blick geht zur eigenen Anschrift – und enthüllt damit einen wichtigen Punkt:

Ein falsch geschriebener Name macht fast alle Chancen Ihres Briefes zunichte.

Der Name ist Identität. Wenn ein Absender nicht mal sorgfältig bei Ihrem Namen ist – was kann man dann von ihm erwarten? Der nächste Blick geht zum Absender, dann zur Unterschrift: Wer schreibt mir, kenne ich ihn? Und erst danach wird der Brief richtig gelesen. Wie bereits erwähnt, ist es notwendig, bereits mit dem ersten Satz Ihren Leser davon zu überzeugen, dass Sie ihm etwas Wichtiges zu sagen haben.

Der Betreff muss die Frage beantworten: Was habe ich davon, wenn ich den Brief lese?

Oder aber: Was habe ich zu befürchten, wenn ich ihn nicht lese? Um zu überzeugen, müssen Sie ein Bedürfnis oder eine Befürchtung des Lesers ansprechen. Hier geht es nicht um Fakten, sondern um Emotionen – wie tatsächlich meist in der Werbung. Ihr Produkt muss ein emotionales Bedürfnis ansprechen oder es wecken. Eine Angst thematisieren – oder sie wecken.

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Versicherungen bauen auf Ängste vor Unfällen, Armut, Arbeitslosigkeit, Krankheit. Ein Autoverkäufer überzeugt Sie nicht von einem Fortbewegungsmittel, um von A nach B zu kommen – er verkauft Ihnen Image, Sicherheit, Schönheit, Komfort. Der Schokoladenhersteller preist nicht ein Gemisch aus Kakao, Zucker, Milch, Sojalecithin und Gewürzen an: Er bewirbt sinnlichen Genuss, das angenehme Gefühl der schmelzenden Schokolade im Mund. Jedes Sonderangebot appelliert an die Gier, jedes wirklich neue Produkt an die Eitelkeit. Wie sonst ist zu erklären, dass sich bei einer neuen Version des iPhones am ersten Verkaufstag Schlangen vor den Läden bilden? Das gleiche Gerät gibt es auch noch zwei Wochen später, aber der Kick besteht darin, es als Erster zu haben.

Haben Sie Ihren Leser mit Ihrem Betreff erfolgreich bei seinen Bedürfnissen oder Ängsten gepackt, gilt es nun, ihn bei der Stange zu halten.

Der erste Absatz muss alle wichtigen Argumente für Ihr Angebot enthalten.

Kann Ihr Leser nicht schnell erkennen, was so großartig an Ihrem Angebot ist, wird er sich kaum die Mühe machen, den ganzen Brief bis zum Ende durchzulesen, um herauszufinden, ob nicht doch noch etwas Interessantes kommt. Tut er es doch, dann schon nicht mehr unter optimalen Voraussetzungen, er sucht ungeduldig und immer weniger überzeugt nach wichtigen Informationen. Ein überzeugender erster Absatz verspricht, dass es sich lohnt, weiterzulesen.

Ein Werbebrief baut sich immer von wichtig zu unwichtig auf.

Sie sollten aber nicht versuchen, möglichst viele Informationen in Ihren Brief zu packen. Konzentrieren Sie sich auf die wesentlichen Punkte im ersten Absatz und erläutern Sie diese dann im weiteren Text etwas näher. Behalten Sie immer im Fokus, was Ihren Leser überzeugen könnte. Was wünscht er sich? Was braucht er? Was kann ihm helfen? Nicht, was Sie sagen möchten, spielt eine Rolle, sondern was Ihr Leser erfahren muss, um überzeugt zu werden. Sie wissen, dass Ihr neues Küchenmesser aus einem in langer Forschungsarbeit weiterentwickelten Stahl hergestellt ist und die Maschinen zu seiner Produktion mit äußerster Sorgfalt eingerichtet werden müssen, um die unglaubliche Schärfe des Messers zu erreichen. Ihren Leser interessiert: Was habe ich davon? Ein extrem scharfes Messer, das sehr lange so scharf bleibt.

Haben Sie Ihrem potentiellen Kunden nun alle wichtigen Informationen mitgeteilt – beschränken Sie sich dabei unbedingt auf eine DIN A4-Seite – kommt ein entscheidender Punkt:

Sagen Sie dem Leser zum Schluss Ihres Werbebriefes genau, was er tun soll.

Die so genannte Handlungsaufforderung bildet den Abschluss Ihres Briefes: Kaufe! Bestelle! Ruf an! Sofort! Innerhalb von einer Woche! Natürlich formulieren Sie das nicht als Befehl, sondern verpackt in einen freundlichen Satz, der wiederum klar macht, was Ihr Leser davon hat. "Bestellen Sie heute noch, dann können Sie schon am Wochenende das Ultra Sharp Luxusmesser für die Zubereitung Ihres Sonntagsmenüs einsetzen!" "Rufen Sie uns an – je eher Sie sich über unsere Unfallversicherung informieren, um so schneller können Sie Ihre Familie und sich schützen!"

Das Ende des Briefes ist aber nicht das Ende Ihrer Botschaft. Einen Teil, der noch vor dem eigentlichen Brief gelesen wird, haben wir Ihnen nämlich bis jetzt noch verheimlicht: Das Post Scriptum, kurz PS oder auch Nachsatz genannt. Eigentlich eine Methode, zu Zeiten handschriftlich verfasster Briefe eine wichtige Information noch hinzuzufügen, ohne den kompletten Brief nochmals schreiben zu müssen. Das PS ist der letzte Satz auf dem Briefbogen, unterhalb von Unterschrift und Firmennamen. Aber warum sollten Sie unten einen Satz ergänzen, der ja eigentlich bedeutet, dass Sie Ihren Text nicht ordentlich formuliert haben?

Das PS signalisiert: Hier kommt eine Information, die so wichtig ist, dass sie noch angefügt werden musste.

Die Tatsache, dass es keinen wirklichen Grund gibt, den Satz nachträglich dranzuhängen, zumindest seit es Computer gibt, spielt keine Rolle. Niemand denkt wirklich über Werbung nach oder analysiert sie – außer Werbefachleuten. Die Reaktion ist sozusagen instinktiv. Deshalb gehört ein ganz entscheidender und vor allem bisher noch nicht erwähnter Vorteil in das PS. "Wenn Sie mit unserem Ultra Sharp Luxusmesser nicht zufrieden sind, können Sie es vier Wochen lang ohne Begründung umtauschen." "Für unseren Kühlschrank Eskimo bieten wir Ihnen eine kostenlos verlängerte Garantie von vier Jahren an". Wie erwähnt, das PS wird als eine der ersten Informationen in Ihrem Mailing gelesen. Das heißt, Ihr potentieller Kunde startet mit einer sehr positiven Nachricht in das Lesen des restlichen Textes – eine gute Voraussetzung für die Aufnahme der weiteren Informationen!

 

TinaEwald, am 29.12.2013
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