Kein "Echo" für politisch unkorrektes Frei.Wild

Bestimmt ist Ihnen folgende Situation vertraut: Ein paar Kinder spielen friedlich, bis sich eines davon von einem anderen gestört fühlt. Sollte ein verantwortungsvoller Erwachsener das missliebige Kind deshalb aus der Spielgruppe entfernen, obwohl es niemandem etwas zuleide getan hat, nur um dem sich gestört Fühlenden Genugtuung zu verschaffen? Natürlich nicht? Nun, dann leiden Sie offenbar an einem Demokratiedefizit und sollten Ihr Gehirn in der Waschmaschine der politischen Korrektheit durchspülen lassen.

Denn ganz ähnlich verhält es sich im Falle der laut Wikipedia "Deutschrocker" Frei.Wild, deren Nominierung für den Musikpreis "Echo" vom Veranstalter zurückgezogen wurde. Die offizielle Begründung hierfür kann als mittlerweile typisch deutsch bezeichnet werden:

"Wir haben in den letzten Tagen heftige Kontroversen um die Nominierung von Frei.Wild, die auf Basis der Charts-Auswertung erfolgte, erlebt, die den gesamten Echo und damit auch alle anderen Künstler und Bands überschatten", sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), Florian Drücke, laut Mitteilung.

Nun soll an dieser Stelle keine erneute Diskussion darüber entfacht werden, ob Frei.Wild (zum Nachlesen: Der Artikel "Frei.Wild - zwischen Provokation und kritischer Musik") rechtsnationalistisch oder unpolitisch sind, Verführer oder Opfer, musikalisch variantenreich oder doch nur stumpfen Einheitsbrei in die Kehlen der hungrigen Meute stopfend. Vielmehr steht die Frage im Mittelpunkt, wie es zu einem "Skandal" kommen konnte, wo keiner vorlag.

Weder frei, noch wild: Das neue Spießertum

DIe dem Artikelautor völlig unbekannten, gleichfalls für den "Echo" nominierten Bands Mia und Kraftklub hatten mit einem Boykott der Veranstaltung gedroht, da sie nicht in einer Reihe mit Frei.Wild genannt werden wollten. Auch die "Ärzte" - nicht die segenseichen Professionisten, sondern die in ihren musikalischen, wie auch textlichen Mitteln arg limitierten Pop-Punker - protestierten, was auf Grund ihres Bekanntheitsgrades zumindest für etwas Aufsehen sorgte. Die Folgen sind, siehe oben, bekannt und nicht weiter überraschend. 

Seit dem erfolgreichen Durchmarsch der 68er durch sämtliche Institutionen, ist das neue Spießertum miefige Realtät. Wo früher hinter jedem Busch ein Kommunist vermutet wurde, vermeint die Gutmenschen-Mafia heute, überall Nazis, Rechtspopulisten oder rechtspopulistische Nazis zu erkennen.

Auslöser für den Pseudo-Skandal rund umd Frei.Wild ist insbesondere die vormalige politische Einstellung des Sängers Philipp Burger, der bei einer Skinhead-Formation mit dem interessanten Namen Kaiserjäger (zu spät, Genossen, zu spät...) Mitglied gewesen war. Obwohl er sich heute vom rechten Gedankengut distanziert, kennt der Gesinnungs-Mainstream natürlich kein Erbarmen: Einmal Rechter, immer Rechter! Hingegen ist es für einstige Sympathisanten, Blockwarte oder gar Vertreter des DDR-Regimes kein Problem, als mustergültige Demokraten aufzutreten. Hier greift vielleicht sogar der sarkastische Witz des gleichermaßen umstrittenen Publizisten Henryk M. Broder, wonach in Wahrheit die DDR die BRD übernommen habe, nicht umgekehrt.

Das neue Spießertum deklariert sich nicht über Biedermeier-Möbel, Dirndl und Volksmusik-Schunkeleien, sondern über Demos gegen den kleinen Satan Israel und dessen größeren Ober-Satan-Bruder USA, schicken Einheitsmeinungslook ("Kampf dem neo-liberalen Kapitalismus") sowie mediale Befindlichkeitstreffen, in deren Rahmen Toleranz, Frieden und Versöhnung gepredigt werden. Außer natürlich gegen alle, die nicht ihrer Meinung sind oder einfach nur Ruhe vor staatlicher Ausbeutung, Zwangs-Solidarität oder Gesinnungsschnüffelei wünschen.

Diskussionskultur? Wozu?

Herausragendstes Merkmal der Brave New German World ist aber die Diskussionskultur. Oder sollte man vielmehr von einer Unkultur sprechen? Der typische teutonische Discours verläuft stets nach exakt demselben Strickmuster: Hier die festzementierte Wahrheit, dort die Feinde der Wahrheit, die niedergebrüllt oder mundtot gemacht werden müssen. Alles natürlich im Sinne der Freiheit. Nicht der Freiheit des Andersdenkenden natürlich, sondern jener der einzig richtigen, wahren Gesinnung. Welche das ist, entscheidet das VEB West in den Parteizentralen.

Kurzum: Eine Diskussion findet nicht statt, könnte sie doch - Himmel! - an den sakrosankten Stützpfeilern der Pseudo-Demokratie rütteln, deren einer davon lautet: Was nicht der vorgegebenen Parteimeinung entspricht, ist rechtspopulistisch! Gerade Frei.Wild böten die Möglichkeit einer offenen Diskussion. Was geschieht, ist aber das Gegenteil. Oder hätten sie irgendwo eine tatsächlich kritische Auseinandersetzung mit ihren Texten gehört? Allenfalls werden Textzeilen aus dem Zusammenhang gerissen und als Beweis der Schurkenhaftigkeit der "Deutschrocker" Frei.Wild vorgeführt.

Apropos: Worüber singen eigentlich Kraftklub? Etwa in ihrem Lied "Randale" mit dem schönen Refrain "Hey, Randale, hey, hey, Randale", der bei einer "rechtspopulistischen" Band vielleicht als Aufruf zu Gewalt gebrandmarkt werden könnte? Zitat aus "Randale":

Ich mach einen Anruf und schon ist meine Schwester hier.
Mit dem Fuß in der Tür, blutverschmiert, gut frisiert.
[...]
Fäuste wie Stahlbeton, ein Ego wie Donkey Kong.
Wenn du danach im Rollstuhl sitzt bist du nochmal davongekommen.

Persönliche Anmerkungen über die Infantilität dieses Textes verkneife ich mir. Nicht, dass am Ende noch Kraftklubs wohlfrisierte Schwester vor meiner Tür steht.

Shitstorm hits the fans

Den unseligen Schlusspunkt unter die Affäre Frei.Wild und "Echo" setzten die Fans der "Deutschrocker". SIe entfesselten einen Shitstorm gegen Mia und schossen sich dabei selbst ins Knie. Anstatt ihre Wut auf der Facebook-Seite der deutschen Band Mia zu entfesseln, beschimpften sie die englische Sängerin Mathangi "Maya" Arulpragasam, die unter dem Pseudonym M.I.A. singt. Ein Missgeschick, gewiss, aber ein folgenschweres: Dem Renommee der Frei.Wild-Fans wird dies wohl keinesfalls zugute kommen. Ganz zu schweigen davon, dass der Unterschied zwischen der deutschen Band Mia und der englischen Sängerin M.I.A. evident ist: Letztgenannte kann singen. "Shitstorm hits the fans", könnte man doppeldeutig folgern.

Nicht geschadet hat die spießbürgerliche Auseinandersetzung der Band Frei.Wild selbst. Nach dem Motto "Jetzt erst recht!" verkaufen sich ihre CDs wie geschnitten Brot, die Suchanfragen auf Google schossen in die Höhe. Durchaus treffend stellen sie in ihrem Song "Gutmenschen und Moralapostel" fest (Zitat): "Es gibt nur ihre Meinung und sie denken nur schwarz-weiß".

Oder um mit dem großen Voltaire zu sprechen: ""Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst".

Freiheit ohne die Möglichkeit, seine Meinung frei und ohne Angst vor Repressalien ausdrücken zu können, ist keine Freiheit. Aber vermutlich ist auch diese Ansicht rechtspopulistisch - man weiß ja schließlich, wie tolerant und freiheitsliebend die Rechten sind...

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