Viele Gefühle an einem Tag

Ein Beispiel für die Unmenge an Emotionen und Gefühlen im Laufe eines einzigen Tages:

  • Wir wachen morgens auf und uns weht der Duft von frisch gebrühtem Kaffee in die Nase. In uns kommt das Gefühl von Dankbarkeit gegenüber unserem fürsorglichen Partner auf, gepaart mit dem Gefühl der Vorfreude auf ein leckeres Frühstück.
  • Wir machen uns auf den Weg zur Arbeit. Dass wir den Bus knapp verpassen, sorgt für etwas Ärger. Dass wir bei strömendem Regen unseren Schirm vergessen haben, macht die Sache auch nicht besser und verstärkt das negative Gefühl.
  • Im Büro erwartet uns eine gestresste Kollegin, zudem zeigt der blinkende Anrufbeantworter 23 Nachrichten an, unser e-Mail-Postfach quillt ebenso über wie der Schreibtisch. Ein Gefühl von Stress macht sich breit.
  • Nachdem wir alle Aufgaben erledigt haben, überkommt uns das gute Gefühl der Zufriedenheit, dass wir alles geschafft haben.
  • In der Kantine reihen wir uns in die lange Schlange an der Essensausgabe ein und werden langsam ungeduldig.
  • Am Nachmittag ruft eine gute Freundin an, worüber wir uns sehr freuen. Sie lädt uns zu ihrem Geburtstag ein. Da wir den Geburtstag vergessen haben, macht die Freude sehr schnell einem schlechten Gewissen Platz.
  • Am Abend präsentiert uns der Junior stolz eine Zwei in Mathe. Wir freuen uns mit ihm, dass der Groschen endlich gefallen ist.
  • Die Spinne in der Ecke ruft in uns erstmal einen Schrecken, anschließend Ekel hervor.
  • .........

Was sind Gefühle und Emotionen?

In der Forschung galten Emotionen und Gefühle lange Zeit als nebensächliche Vorgänge im Körper und in der Psyche. Erst die Emotionstheorie, die Ende des 19. Jahrhunderts von den Psychologen William James und Carl Lange begründet wurde, veränderte die wissenschaftliche Sicht auf Emotionen und Gefühle. Zentrale Aussage dieser Theorie ist, dass Emotionen und Gefühle als subjektives Erleben von physiologischen Vorgängen abhängen, dass also der Zustand unseres Körpers Einfluss auf unsere Gefühle nimmt. Ein Gefühl entsthet daraus, wie wir unseren Körper wahrnehmen.Nach dieser Theorie würden wir also nicht weinen, weil wir traurig sind, sondern wir würden traurig sein, weil wir weinen. In neueren Emotionstheorien erkannte man, dass das nicht alles gewesen sein konnte, da unser Körperzustand bei unterschiedlichen Gefühlen auch gleich bleiben kann. Demnach sind unsere Gedanken ausschlaggebend für unsere Gefühle und man bereicherte die Theorie um folgende Komponenten:

  • Es müssen physiologische Veränderungen mit dem Gefühl einhergehen, zum Beispiel Herzrasen, Schweißausbruch,...
  • Das Gefühl ist von einer charakteristischen Verhaltensweise begleitet, zum Beispiel der entsprechende Gesichtsausdruck zu diesem Gefühl
  • Das subjektive Empfinden des Gefühls
  • Gedanken, die man beim Erleben des Gefühls hat
  • Gegenstände oder Personen, auf die sich die Emotion bezieht

Das Prozessmodell der Gefühle

Nach den Erkenntnissen des Genfer Emotionspsycholgen Klaus Scherer folgt die Entwicklung von Gefühlen einem komplexen Modell. Das Modell ist vierstufig angelegt und unterteilt die Ausprägung der Emotionen in Prä-Emotionen, Basisemotionen, sowie in primäre und sekundäre kognitive Emotionen.

  • Prä-Emotionen: Prä-Emotionen sind zunächst einmal nur Vorformen von echten Emotionen. Sie sind noch unspezifisch und lassen sich lediglich in positiv und negativ unterteilen, lösen also ein Gefühl von Wohlbefinden oder Unbehagen aus, welches aber noch nicht klar abgegrenzt ist.
  • Basisemotionen: Die Basisemotionen entstehen, wenn sich die Prä-Emotionen ausprägen. Basisemotionen spiegeln grundlegende Reaktionen auf Ereignisse wider. Sie zeigen sich kulturell übergreifend in ähnlichen Gesichtsausdrücken und werden von uns nicht bewusst gedanklich verarbeitet. Man geht von den vier grundlegenden Gefühlen aus: Angst, Freude, Trauer, Ärger.
  • Primäre kognitive Emotionen: Ab dieser Stufe folgt die Verarbeitung nicht mehr unbewusst. Die Inhalte von eigenen Gedanken spielen bei diesen Emotionen und Gefühlen eine Rolle und man bewertet die Situation feiner. Aus der Basisemotion Freude wird beispielsweise Heiterkeit oder Zufriedenheit, aus Ärger entsteht Verärgerung oder Frustration.
  • Sekundäre kognitive Emotionen: Es wird nicht mehr nur die Situation feiner bewertet, sondern auch das komplexe soziale Netz, in welchem die Situation steht.

Beispiel: Aus der Prä-Emotion Wohlbefinden entsteht also die Basisemotion Freude. Wir bewerten diese positive Situation mit Heiterkeit oder Zufriedenheit. Diese Zufriedenheit wird auf das gesamte Netz bezogen, in welchem die Zufriedenheit eine Rolle spielt. Daraus entsteht dann das generelle Gefühl von Glück.

Wozu wir Gefühle brauchen

Gefühle und Emotionen erfüllen in unserem Leben wichtige Funktionen.

  • Wir können im Bruchteil von Sekunden eine Situation bewerten, ohne dass wir erst nachdenken müssen. Denn durch Nachdenken würden wir eventuell wertvolle Zeit verlieren. 
  • Gefühle und Emotionen bereiten unser Handeln optimal vor. Das Gefühl Angst verursacht beispielsweise einen höheren Puls und lässt uns unsere Muskeln anspannen. Das wiederum befähigt uns, im Notfall schneller laufen und somit besser fliehen zu können.
  • Sie fungieren als Ausdrucksformen des täglichen Miteinander. Wenn wir Gefühle und Emotionen im Gesicht unseres Gegenüber erkenne, können wir abschätzen, wie er uns gegenüber gesonnen ist.
  • Gefühle spielen auch eine Rolle im sozialen Umgang. Emotionen und Gefühle - vor allem komplexe Gefühle wie Liebe, Eifersucht, Neid,... - stabilisieren uns in unserem sozialen Gefüge, da sie Regeln und Schranken im Umgang miteinander darstellen.
  • Gefühle helfen uns, richtig zu handeln. Wir können die Situation bewerten und unser Verhalten koordinieren.

Das Vorurteil, Gefühle würden eine rationale Entscheidung stören, ist unbegründet. Vielmehr erwiesen sie sich in einer Studie als essentiell für vernünftige Entscheidungen. Die emotionale Bewertung einer Situation findet im präfrontalen Kortex im Stammhirn statt. Ist dieser Teil des Gehirns geschädigt, treffen die Betroffenen unvernünftige Entscheidungen. Sie können dann nicht mehr auf das emotionale Gedächtnis zurückgreifen, also das Wissen, wie sie sich früher in einer ähnlichen Situation schon einmal entschieden haben. Da den Betroffenen der Erfahrungsschatz fehlt, müssen sie die Situation jedes Mal neu bewerten.

Auch die Erinnerung ist von Gefühlen abhängig. Man erinnert sich leichter an Situationen, die an ein starkes Gefühl geknüpft waren, sei es positiv oder negativ. Wenn das generelle Empfinden gestört ist, spricht man von einer affektiven Störung, was das Leben eines Betroffenen schwer beeinträchtigen kann. Umgekehrt kann man seine Gefühle und Emotionen auch positiv für sich nutzen. Beispielsweise lernt es sich leichter, wenn man sich in einer positiven Grundstimmung befindet. Unsere Gefühle bestimmen somit beträchtlich mit, was wir tun und wer wir sind.

Sonja, am 21.01.2012
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