Geothermie: Stand der Technik zur Nutzung der Erdwärme
Der Planet Erde ist eine heiße Kugel, denn etwa 99% des Globus sind wärmer als 1000°C. Es besteht bedeutendes Potential zur technischen Nutzung.Aufbau der Erdkugel
Die Erde weist einen annähernd schalenförmigen Aufbau auf, denn diese besteht aus einem Erdkern, einem Erdmantel und der erkalteten, festen Erdkruste. Der Kern bemisst sich auf etwa 6.900 km und kann in einen inneren, verfestigten und in einen äußeren, flüssigen Kern differenziert werden. Nickel und festes Eisen bilden bei einem Druck von 4Mbar den inneren Erdkern.
Der Erdmantel umfasst die mittlere Schale im inneren Aufbau der Erde. Der Mantel liegt direkt unter der Erdkruste und ist im Durchschnitt 2.850 km dick. Die Erdkruste ist die äußere Schicht der Erde und misst bis zu fünfunddreißig Kilometer. Die Temperaturunterschiede zwischen den Inneren des Globus und der Erdrinde (Erdkruste) effizieren einen Wärmestrom zwischen 0,063 W/m2 und 0,42 W/m2. Diese Energieströmungen sind für die technische Applikation ungeeignet, so dass Tiefenbohrungen von Nöten werden. Der mittlere geothermische Temperaturgradient beträgt 1°C/33 m, so dass in einer Teufe von 3300 m eine durchschnittliche Temperaturzunahme von 100°C zu verzeichnen ist.
Dieser Anstieg hängt stark von den geologischen und geographischen Gegebenheiten ab. In geothermisch bedeutenden Örtlichkeiten sind Temperaturen von mehreren hundert Grad bereits in geringen Tiefen zu dokumentieren. In der Bundesrepublik Deutschland ist der Rheingraben mit Temperaturen von 150°C in 3 km Teufe ein präferiertes Territorium für die Nutzung der Geothermie. Das technische Gesamtpotential zur geothermischen Stromerzeugung ist in der Bundesrepublik Deutschland mit circa 300.000 TWh veranschlagt. Diese Zahl korrespondiert mit dem Sechshundertfachen des deutschen Jahresstrombedarfes. Auf Grund des relativ ungünstigen Temperaturkoeffizienten zählt Deutschland nicht zu den bevorzugten Regionen für die Geothermie.
Arten der geothermischen Ressourcen
Die Wissenschaft differenziert die geothermischen Ressourcen in Heißwasser-Aquifere, in so genannte Störungszonen und in heiß-trockenes, kristallines Gestein wie Granit oder Gneisen. Heißwasser-Aquifere sind in der Natur ein rares Vorkommnis und mit Bohrkosten von geschätzten 1 Mio. Euro/km stellt die Suche nach Aquiferen eine enorme finanzielle Belastung dar. Der signifikante Vorteil liegt in der direkten Nutzung des Thermalwassers für den technischen Kreislauf. Der hohe Salzgehalt sowie eine gewisse radioaktive Kontamination des Gewässers erweisen sich als eine nicht zu vernachlässigende Tatsache. Das größte Potential erkennen Experten in den heißen Tiefengesteinen, die in der Fachsprache als Hot Dry Rock terminiert werden. Für die Ausnutzung der Wärmereservoire wird kaltes Wasser in die Tiefe verpresst und die anschließende Erwärmung des Wassers sprengt in Folge von Volumenausdehnung das heiße Gestein. Fokus bei dem Hot-Dry-Rock-Verfahren sind Tiefen zwischen 3000 Meter bis 5000 Meter.
Die für die Geothermie erforderliche Bohrtechnik fußt auf den technologische Errungenschaften der Erdölförderung. Bei dem Dreh- oder Rotary-Verfahren treiben Motoren einen diamantenbesetzten Meißel in das Gestein. Während des Bohrvorganges wird das Innere des Bohrers mit Wasser bei einem Druck von 300 bar in das Loch gepresst. Die Flüssigkeit treibt das granulierte Gesteinsmaterial im Außenraum zwischen Meißel und Loch an die Oberfläche zurück.
Salziges Thermalwasser, die hohen Temperaturen sowie enorme Drücke limitieren das mögliche Vordringen von geothermischen Bohrungen. Die tiefste Bohrung von zwölf Kilometern Teufe wurde von russischen Ingenieuren auf der Insel Kola durchgeführt. In dieser Tiefe herrscht im Durchschnitt ein Druck von 3000 bar und 300°C Hitze. Diese Werte bereiten der Technik und den eingesetzten Materialien n enorme Probleme.
Die Verwendung von Geothermie für Heizzwecke
Für Heizzwecke sind Temperaturen von unter 100°C ausreichend, so dass dieses Wärmekonzept ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland realisiert wird. Eine Förderpumpe transportiert heißes Thermalwasser an einen Wärmetauscher. Der Tauscher entzieht dem Thermalwasser die Wärme und fördert diese an ein Fernwärmenetz.
Geothermie für die Erzeugung von Strom
In Folge des kontemporären Bewusstseins für Umweltschutz wird der Geothermie ein relevanter Anteil zur Generierung eines sauberen Stromes zugeschrieben. Im Jahre 2003 erfolgte die Installation des ersten geothermischen Kraftwerkes in der Bundesrepublik. Das Erdwärmewerk in Neustadt-Glewe wies zum damaligen Zeitpunkt eine Leistung von 210kW auf.
In Tiefen bis zu 5000 Meter befindet sich das trockene Gestein, welches durch Bohr-Prozesse erreicht wird. Anschließend wird Wasser unter großem Druck entlang der Bohrung in das Gestein verpresst. Die enorme Volumenänderung und der Druck des Wassers bewirken die Ausweitung der vorhandenen Rissen und erzeugen neue Spalten im Gestein. Das resultierende unterirdische Kluftsystem kann sich über mehrere Kubikkilometer ausdehnen. Zur Erzeugung elektrischer Leistung wird mittels einer Pumpe kaltes Wasser über eine Injektionsbohrung in die Tiefe befördert. Das Wasser verteilt sich durch die Spalte und Risse des Gesteins und erfährt dort eine Erwärmung. Über so genannte Produktionsbohrungen wird das erhitzte Wasser zur Erdoberfläche zurück gepumpt und gibt Wärme über einen Wärmetauscher an einen Kraftwerksprozess ab. Nach dem neuesten Stand der Technik existieren vier Kraftwerksprozesse:
- Direktdampfnutzung
- Flash-Kraftwerke
- ORC-Kraftwerke
- Kalina-Kraftwerke
Steht Thermalwasser bei hohem Druck und ausreichenden Temperaturen dampfförmig zur Verwendung, kann der Dampf auf direktem Wege für Dampfturbinenprozesse genutzt werden. Abträglich wirken die korrosiven Elemente des Dampfes.
Bei geringen Dampfmengen finden Flash-Prozesse gewisse Präferenz. Bei diesem Prozedere erfährt das heiße, unter Druck stehende Tiefenthermalwasser eine Teilentspannung. Der Dampfanteil steigt bei sinkender Temperatur. Ein Tropfenabscheider sowie ein Separator trennen den Dampf vom Restwasser. Der Dampf kann im Dampfprozess die vorhandene Energie abgeben und wird nach dem Kondensieren in die Tiefe gepresst.
Der ORC-Prozess arbeitet bereits mit Temperaturen ab 80°C. In diesem Kreisprozess wird ein Medium wie zum Beispiel Isopentan verwendet, der bei der Temperatur von T=30°C verdampft.
Der Kalina-Prozess bietet bei niedrigen Temperaturen höhere Wirkungsgrade als der ORC-Prozess. Als Arbeitsmittel wird ein Gemisch aus Wasser und Ammoniak herangezogen. Bei dem Verdampfungsvorgang bleibt die Verdampfungswärme nicht auf einem konstanten Wert. Der stark ammoniakhaltige Dampf bewegt die Turbine, während die Restflüssigkeit in einem Separator segregiert wird. Eine Speisepumpe setzt die Flüssigkeit auf Betriebsdruck und schließt den Kreislauf.
Die mit den Prozessen erreichbaren Wirkungsgrade sind relativ gering und liegen in Abhängigkeit von den disponiblen Temperaturen zwischen 6-12%. Unter Abzug von weiteren Verlusten ergibt sich ein mittlerer Nettowirkungsgrad von 3-10%.
Quelle:
Volker Quaschning: Regenerative Energiesysteme-Technologie, Berechnung, Simulation. 7. Auflage. Hanser-Verlag, 2011. S. 314ff.