Was bedeutet "Geplante Obsoleszenz"?

Wahrscheinlich hat jeder schon einmal von einem Fall gehört (oder sogar selbst erlebt), dass ein Elektrogerät kurz nach Ablauf der Herstellergarantie den Geist aufgegeben hat. In einem solchen Fall hört man immer wieder die Aussage: "Das macht der Hersteller doch absichtlich, damit ich wieder ein neues Gerät kaufe!" Und auch in den Medien wird dieses Thema immer wieder aufbereitet, in dem ein solcher Fall gezeigt wird.

Hinter dem Begriff "Geplante Obsoleszenz" steht also die Vermutung, dass Hersteller absichtlich "Sollbruchstellen" in die Geräte einbauen, die zu einem Defekt des Gerätes führen. Da eine Reparatur heutzutage inzwischen meist unrentabel ist, wird meist eine Neuanschaffung notwendig. So soll also der Absatz von Neugeräten angekurbelt werden.

Technische Hintergründe - Verschleissteile in der Elektronik

Geplante Obsoleszenz ist dann realisierbar, wenn Verschleissteile im Produkt vorhanden sind. Ganz offensichtlich ist das zum Beispiel bei Haushaltsgeräten mit vielen mechanischen Bauteilen (zum Beispiel Mixer oder Waschmaschinen). Auch Lüfter sind mechanische Bauteile mit einer begrenzten Lebensdauer. Aber im Prinzip hat jedes elektronische Gerät Verschleissteile, auch wenn keine besondere Mechanik verbaut ist. So haben auch Fernseher, Stereoanlagen, WLAN-Router und ähnliche Geräte Schwachstellen, die die Lebensdauer begrenzen können. Dabei handelt es sich hauptsächlich um sogenannte Elektrolytkondensatoren.

Diese Bauteile werden in jeder elektronischen Komponente zum Zwischenspeichern von elektrischer Energie genutzt. Sie bestehen aus einer Aluminiumfolie und einem flüssigen, leitfähigen Elektrolyt. Und genau dieses Elektrolyt ist für den Verschleiss eines Kondensators verantwortlich, da es austrocknen kann. Damit verliert das Bauteil seine Kapazität und kann somit weniger Energie speichern. Sobald die Kapazität unter einen kritischen Wert fällt, funktioniert die elektronische Komponente nicht mehr.

Elektrolytkondensatoren

 

 

 

 

 

 

 

 

Elektrolytkondensatoren: Elektronische Verschleissteile

 

Dieser Verschleiss ist aber nicht konstant: Er ist vor allem von der Strombelastung und der Umgebungstemperatur abhängig. Deshalb fallen diese Bauteile meist im Netzteil aus, da dort die Strombelastung am höchsten ist und die Temperatur bedingt durch die Verlustleistung des Netzteils relativ hoch ist. Eine Faustformel für die Temperatur besagt, dass die Lebensdauer des Bauteiles um die Hälfte sinkt, wenn die Umgebungstemperatur um 10 Grad steigt; bei einer um 20 Grad höheren Temperatur beträgt die Lebensdauer also nur noch ein Viertel.

Durch die Verwendung von Herstellerdaten und den bekannten Randparametern kann der Entwickler der elektronischen Schaltung die Lebensdauer dieses Bauteils rechnerisch ermitteln.Es werden vor allem zwei Bauteilparameter zur Beschreibung der Lebensdauer genutzt, nämlich zum einen der Innenwiderstand und zum anderen die Kapazität.

Bei dieser Berechnung handelt es sich aber nur um theoretische, mathematische Modelle, die einer gewissen Ungenauigkeit unterliegen. Außerdem ist nicht festgelegt, dass die Schaltung genau beim Erreichen der Grenzen der oben erwähnten Bauteilparameter nicht mehr funktioniert. Es kann sein, dass sie schon vorher nicht mehr stabil funktioniert, sie kann aber auch deutlich länger noch ohne Probleme funktionieren. Außerdem sind die Herstellerangaben nicht immer vollständig oder korrekt. So sind viele Serienfehler bei Elektronikgeräten auf fehlerhaft ausgelegte Elektrolytkondensatoren zurückzuführen.

Geplante Obsoleszenz per Software

Es gibt inzwischen fast kein Elektronikprodukt mehr, das nicht über einen programmierbaren Baustein verfügt. Selbst elektrische Zahnbürsten und Küchenmaschinen verfügen meist über einen kleinen Microcontroller, auf dem Software installiert ist. Ein Hersteller könnte theoretisch in diese Software einen Zähler einbauen, der ab einem gewissen Zählerstand absichtlich eine Fehlfunktion auslöst. Damit könnte geplante Obsoleszenz sehr gut gesteuert werden. Allerdings wäre das Integrieren einer solchen Funktion wahrscheinlich rechtlich sehr bedenklich, so dass nicht davon auszugehen ist, dass solche Methoden tatsächlich in größeren Maßstab genutzt werden.

Eine solche Zählfunktion in einer abgeschwächten kennt aber wahrscheinlich trotzdem jeder, nämlich beispielsweise als Serviceintervallzähler bei Autos. Hier wird nach einer festgelegten Fahrstrecke eine Warnung angezeigt, dass das Auto zur Inspektion in die Werkstatt gebracht werden soll. Bei neueren Autos ist diese Fahrstrecke nicht mehr fest, sondern wird anhand vom Fahrprofil rechnerisch ermittelt. Eine solche Funktion dient aber nicht der geplanten Obsoleszenz, sondern zum Einhalten der Wartungsintervalle. Schließlich stellt das Auto nicht die Funktion ein, wenn der Serviceintervallzähler nicht beachtet wird.

Mythos oder Realität?

Wenn ein Produkt wirklich von geplanter Obsoleszenz betroffen ist, würde das bedeuten, dass ein erheblicher Anteil der verkauften Produkte kurz nach der Garantiezeit ausfallen. Denn wenn dies nicht der Fall wäre, und nur ein kleiner Prozentsatz tatsächlich ausfällt, wäre der Effekt der Absatzsteigerung nur sehr gering. Wenn aber ein großer Teil der Geräte ausfällt, würde dies einen sehr hohen Imageverlust für das Unternehmen bedeuten. Viele Kunden würden Produkte dieses Herstellers meiden und so würde man eigentlich nur das Gegenteil erreichen.

Aufgrund der physikalischen Begrenzungen bestimmter Bauteile und dem hohen Kostendruck werden viele Geräte trotzdem mit einer relativ geringen Lebensdauer ausgelegt. Diese Lebensdauer wird für einen typischen Nutzer aber sicherlich weit über Garantiezeit liegen. Schließlich würde sonst bei denen, die das Produkt sehr intensiv nutzen, das Gerät sehr wahrscheinlich noch innerhalb der Garantiezeit ausfallen, was hohe Kosten verursachen würde. Außerdem sind ja gerade die "Power-User" häufig eher zahlungskräftige Kunden, die hohen Wert auf die Qualität der Produkte legen. Somit wäre es sehr schädlich für den Ruf des Herstellers, wenn gerade bei diesem Kundenkreis besonders viele Ausfälle auftreten würde.

Außerdem kann man die Lebensdauer eines Gerätes gar nicht so genau festlegen, da sie von vielen Randparametern abhängt. So kann es durchaus einen erheblichen Unterschied machen, ob das Gerät in einer Dachgeschosswohnung mit sehr hohen Temperaturen im Sommer oder in einem kühlen Kellerraum betrieben wird. Da die Hersteller nie genau sagen können, wo nun das Gerät betrieben wird, muss es so ausgelegt sein, dass es auch bei den schlechtesten Bedingungen zumindest die Garantiezeit überlebt. Nur ist es sehr unwahrscheinlich, dass es immer unter diesen Bedingungen betrieben wird.

Zufällige, nicht geplante Ausfälle können bei Elektronikkomponenten natürlich immer passieren. Bei Geräten, die zu Stückzahlen von mehreren Millionen verkauft werden, werden sicherlich viele tausende Geräte zufällig ausfallen, auch wenn sie sehr hochwertig gebaut sind. So wird man immer viele Fälle finden, bei denen ein solcher Ausfall tatsächlich kurz nach der Garantiezeit ausfällt. Das allein ist aber noch kein Indiz dafür, dass ein solcher Ausfall geplant war.

Neben der geplanten Obsoleszenz gibt es auch die sogenannte "psychische Obsoleszenz", die besagt, dass ein Gerät nicht mehr genutzt wird, weil es als veraltet angesehen wird. Gerade bei Mobiltelefonen und Computer werden häufig Neuanschaffungen getätigt, ohne dass das Vorgängergerät seine Funktion einstellt. Somit ist geplante Obsoleszenz gar nicht notwendig, um den Absatz zu steigern. Man muss lediglich durch gezielte Weiterentwicklung und geschicktes Marketing dem Kunden vermitteln, dass er regelmäßig ein neueres Produkt kaufen muss.

Es gibt also sehr viele Indizien gegen geplante Obsoleszenz.. Es gibt möglicherweise kleine Nischenbereiche, in denen dieses Mittel zur Absatzsteigerung eingesetzt wird. Jedoch ist es eher unwahrscheinlich, dass sie in großen Maßstab von der Elektronikindustrie eingesetzt wird.

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