Männliche Gewalt – was sagt die Frauenforschung?

Dadurch, dass männliche Gewalt in den vergangenen Jahren zunehmend skandalisiert wurde, erkannte man, dass Gewalt dazu dient, die patriarchale Herrschaft abzusichern und dass Geschlechterverhältnisse stets auch Gewaltverhältnisse darstellen. Ihren Fokus legt die Frauenforschung auf die heterosoziale Dimension männlicher Gewalt. Ihr Ziel besteht darin, der Bagatellisierung der Gewalt, die sich gegen Frauen richtet, ein Ende zu bereiten. Die Frauenforschung geht davon aus, dass Gewalt von Männern ein integraler Bestandteil beziehungsweise sogar das Fundament der bei uns üblichen Zwangsheterosexualität darstellt. Diese symbolisiert sämtliche Kränkungen, Abwertungen und Benachteiligungen, die Frauen in unserer Gesellschaft, die Frauen und Männer ungleich behandelt, tagtäglich erleben. Radikale Feministinnen sind der Ansicht, das Patriarchat sei durch Gewalt und Heterosexualität sichergestellt. Ebenfalls erkannte die Frauenforschung, dass Männer, die Gewalt ausüben, war nicht dem Gesetz entsprechend handeln, aber doch gemäß der Geschlechterordnung. Es ist die Logik der patriarchalen Männerherrschaft, der männliche Gewalt gegenüber Frauen folgt.

Als problematisch an dieser Sichtweise erweist sich, dass es nicht möglich ist, Differenzen verschiedener männlicher Lebenslagen auszumachen, wenn man Männlichkeit lediglich mit Macht in Verbindung setzt. In vielen Situationen werden Männer auch mit Ohnmacht konfrontiert. Des Weiteren ist männliche Gewalt gegen Frauen nicht die einzige existierende Form von Gewalt. Man darf auch auf die hierarchischen Strukturen unter verschiedenen Männlichkeiten (die Beziehungen zwischen hegemonialen, untergeordneten sowie marginalisierten) nicht vergessen. Alleine daraus ist die geschlechtliche Verbindung der homosozialen Gewalt von Männern nicht erschließbar wird.

Men's studies und männliche Gewalt

Das Ziel der men's studies besteht darin, neben der Männlichkeit als Gegenstand der Geschlechterforschung auch die Differenzen und Gemeinsamkeiten diverser männlicher Lebenslagen zu berücksichtigen. Den Rahmen für ungleiche Verhältnisse bildet Conell zufolge die hegemoniale Männlichkeit. Gewalt dient dazu, Dominanz sicherzustellen und diese zu demonstrieren. Charakteristisch für die hegemoniale Männlichkeit ist ihre doppelte Dominanz- und Distinktionslogik. Währenddessen männliche Gewalt gegen andere Männer zu mehr Männlichkeit und Status führt, ist dies bei Gewalt gegenüber Frauen nicht der Fall. Man traut Frauen nicht zu, sich entsprechend behaupten zu können, weshalb man sie nicht als gleichwertige Gegner wahrnimmt. Daher sei es auch nicht möglich, als Mann stolz darauf zu sein, einer Frau gegenüber gewalttätig gewesen zu sein. Meuser dagegen ist der Ansicht, dass es einer habitustheoretischen Erklärung bedürfe, um das Phänomen homosoziale Gewalt zu beschreiben. Kaufman zufolge existiert neben der homosozialen und der heterosozialen Gewalt noch eine weitere, man nennt sie die Gewalt gegen sich selbst. Er geht von einer Fragilität von Männlichkeit aus. Darunter versteht er, dass sich Männer ihrer eigenen Männlichkeit stets unsicher sind. Dieses Dilemma soll mithilfe von Gewalt kompensiert werden. Wann auch immer Männer gegenüber Frauen Gewalt ausüben, drücken sie damit die Zerbrechlichkeit von Männlichkeit aus und wollen ihre Männlichkeit sowie ihre damit verbundene Dominanz aufrechterhalten. Dies ist aber nicht immer der Fall. Eine viel größere Bedeutung kommt der Struktur, die sich aus der gesellschaftlichen Verfasstheit der Geschlechterordnung ergibt, zu. Gewalt zwischen Männern hat eine doppelte Funktionsweise – sie stellt Distanz und Nähe gleichermaßen her. Homosoziale Gewalt ist die einzige Möglichkeit, mithilfe derer sich Männer einander körperlich nahe kommen und Homophobie zu Tage legen.

Männliche Gewalt aus der Sicht pädagogischer Männlichkeitsforschung

Laut der pädagogischen Männlichkeitsforschung geht männliche Gewalt auf eine defizitäre Persönlichkeitsstruktur zurück. Dem Mann ist es gesellschaftlich nicht gestattet, sich hilflos zu fühlen und seine Gefühle diesbezüglich offen zu zeigen. Den Hass, der daraus entsteht, muss er auf andere Menschen projizieren. Männer, die Gewalt ausüben, charakterisieren sich häufig durch einen Mangel an Selbstwertgefühl und Selbstbehauptungskompetenzen. Auch nicht integrierte aggressive Anteile der Persönlichkeit und sozialer Ausschluss können zu Gewalt führen. Auch diesem Ansatz erfüllt männliche Gewalt die Funktion der Kompensation von Mängeln, Ängsten und Unsicherheiten. Aber homosoziale Gewalt symbolisiert nicht ausschließlich Abwertung, sondern auch Anerkennung. So zum Beispiel ist Gewalt zwischen Jugendlichen oftmals gesellig. Nicht umsonst gibt es den Spruch "Geiz ist Geil!"

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