Am Anfang war die Angst - ein lebensrettender Naturinstinkt

Denn sie und das dazu gehörige Gespür für drohende Gefahren sind es, die die Warnfunktion aufrecht erhalten und dazu führen, dass ein Mensch überhaupt entscheiden kann, was gut und was schlecht für ihn ist. Bei den Tieren wird dieses Gespür bekanntermassen "Instinkt" genannt, doch ist es im Grunde bei den Menschen nichts anderes. Ein Gefühl. Oft nicht nachvollziehbar und nicht begründbar, beeinflusst es unser Leben und unseren Alltag.

Im gleichen Masse, wie die Evolution den Menschen um fortschrittliche Techniken und Möglichkeiten bereicherte, bereicherte sie ihn jedoch auch mit den dazu gehörigen Ängsten. Musste eine Frau vor 70 Jahren nur zuhause den Haushalt "auf die Reihe kriegen" allenfalls noch die Kinder gross ziehen und vielleicht mal den einen oder anderen Einkauf erledigen, so hat sich die Rolle des Menschen in den vergangenen 100 Jahren grundlegend gewandelt. Und nicht selten sind es Frauen, die mit ihrer "neuen Rolle" zwischen Karriere, Köchin, Kindern und Kegelclub nicht mehr recht parat kommen. Aber auch der heutige Mann hat zunehmend mit Verunsicherungen zu kämpfen. Seine ehemals klar definierte Rolle weicht einer schwammigen, aufgeweichten, teilweise konturlosen Struktur vieler, immerwährend wechselnder Möglichkeiten. Der moderne Mann soll ebenso wie seine Partnerin in der Lage sein, einen Haushalt zu führen und Kinder gross zu ziehen, andererseits soll er aber auch Karriere machen und "die Familie ernähren" Zu der Frage der partnerschaftlichen Rollenverteilung kommt mehr und mehr die umweltbedingte Erwartungshaltung. Früh drängt die Umwelt auf "Karriere- und Lebensplanung" und versucht den noch jungen, formbaren Menschen weis zu machen, dass man sein Leben von der Wiege bis zur Bahre durchplanen könne. Angefangen bei der Berufsausbildung oder schon früher. Auf der Strecke bleiben lebensnotwendige Fähigkeiten wie Kreativität und Charakterbildung durch selbstgemachte Fehlschläge. Der Mensch von heute lernt nur noch theoretisch - und wenn es darum geht, Niederlagen und Fehlschläge im Leben weg zu stecken, ist gerade das völlig fatal.

Unter der Hand gemunkelt - werden unsere Kinder "kaputtökonomiert"

Wir gehen wieder einmal 100 Jahre zurück.

Eine Schule für Schüler jeden Alters - eine Klasse teils mit unterschiedlichen Altersstufen und das nötigste konnte man sich auch bei den Nachbarskindern abschauen. Die Ausbildung war den Anforderungen angepasst.

"Ist sie doch heute auch noch!" höre ich Sie sagen. Und ich behaupte NEIN, das ist sie nicht. In unsere Kinder wird zwar heute mehr denn je Wissen regelrecht hineingepfropft. Die fremdsprachliche Ausbildung beginnt in der Erwartung eines internationalen Berufslebens bereits in der Grundschule und zwei oder mehr Fremdsprachen sind beinahe schon ein Muss. Doch ich behaupte :"Durch das heutige Schulsystem bleibt die charakterliche Ausbildung komplett auf der Strecke."

Und damit nicht genug - denn die Familien sind heute kaum noch in der Lage, aufzufangen, was früher selbstverständlich war. Manieren, Respekt und Erziehung auf der einen Seite stehen gegen steigende Verwahrlosung auf der anderen. "Gut erzogene" Kinder werden spätestens in der Grundschule mit völlig kontroversen Anforderungen überschuttet. Für die Eltern und im Hinblick auf die spätere, geplante Zukunft sollen sie regelkonform unauffällig in der Schule gute Noten schreiben - für die Mitschüler hingegen gelten nicht selten andere Werte. "Coolness" "In-sein" "trendy" oder "hip" sind die Schlagwörter, die mir hier bsp meine 10jährige um die Ohren haut. Quelle des Übells? Hochglanzmagazine, die bereits Kinder mit Informationen fluten, die diese kaum noch aufbereiten können und blind nacheifern. Eltern stehen ratlos - und welchen Weg ihre Kinder machen ist oftmals davon abhängig, wieviel von dem dazu benötigten Geld zur Verfügung gestellt werden kann.

Das Ende vom Lied? Hochgezüchtete Intelligenzbestien, mit Wissen vollgestopft dass sie einfach auswendig lernen mussten werden irgendwann einmal auf eine Umwelt los gelassen, die gnadenlos ihre Ansprüche auf ihnen ablädt. Viele von ihnen versagen bereits in der Lehre. Aber nicht, weil sie mit dem geforderten Lernstoff nicht klar kämen, sondern weil ihnen ihre Umwelt vor lauter lernen keine Zeit mehr zum reifen gibt.

Sie haben ein kreatives Kind?

Ich habe gleich drei von der Sorte! Kinder, die alles hinterfragen, das sie lesen. Die WISSEN wollen, statt auswendig zu lernen und wenn meine 10jährige vor mir steht und sagt "Mama, verdammt - mit dieser Hose gelte ich in der Schule aber als cool!" dann kann ich sie verstehen. Ebenso, wenn sie den Wunsch äussert an einem Tag wie heute statt in die Ganztagsbetreuung der Schule ins Freibad abzurücken. Oder wie letztes Wochenende eine Jeans die ihr an der Hüfte genau passt, aber an Beinlänge mangelt kurzerhand abschneiden will. "Darf ich aus den Resten was nähen?" werde ich gefragt. "Was willst du denn daraus nähen?" frage ich zurück. "Na so eine Tasche. Die da letztens in der Bravo, die hatte auch genau so eine und die Lea aus meiner Klasse hat gesagt, die fände sie total cool!" Und nein - ich erkläre meinem Mädchen jetzt nicht, dass die "Jeansrestetasche" aus der Bravo mit Sicherheit aus dem Laden war und mehr kostet als mein bestes Kostüm - DAS wird ihr ihre Lea schon selber erklären - ICH lasse sie machen! So lernt sie ohne Zwang nähen und auch wenn wir heute in einer Wegwerfgesellschaft leben - wer weiss, wozu sie DAS noch einmal braucht! Und ich muss ihrer Kreativität eh schon oft genug Einhalt gebieten. Beispielsweise, wenn sie Anstalten macht, von der obersten Leiter ihres Bettes in den Kuscheltierpool springen zu woillen  - das ganze mit dem Argument "Mama aber die Kuscheltiere sind doch weich!" Sind sie, aber der Boden darunter nicht. Nicht so weich wie die Birne meiner unter mir lebenden Nachbarn manchmal ist, wenn meine Kinder frühs um 6 aufstehen und wie die Hunnen in der Wohnung herum rennen. Ich plädiere dafür, dass Erdgeschosswohnungen nur noch an kinderreiche Familien mit Haustieren abgegeben werden. Dann trampelt man niemandem auf den Nerven herum weil man mit der Katze um die Wette vom Schrank springt. Überdies hätte ich gerne eine staatliche Zuweisung von Selbstfahrerfahrzeugen für Notfälle. Nur falls sich bei einem solchen Unterfangen mal wieder einer der Zwerge was bricht! Statt dessen bekomme ich Beschwerden und Unverständnis und muss Berichte lesen, nach denen gegen den Bau eines Kindregartens in einer Wohnsiedlung geklagt wurde. Wo bitte LEBEN wir? Diese Menschen, die wir heute "kaputt dressieren" sollen in einer Welt klar kommen, in denen es nur noch damit geht, logisch zu denken und logisch heisst oft auch kalt. Wen wundert es, dass sich unter diesen Umständen Menschen, die es noch können, für ein Leben mit Karriere und ohne Kinder entscheiden?

Allem Versuch zu lenken zum Trotz - Unsere Kinder sind unsere Zukunft - und wir teilweise heute schon Vergangenheit

Unsere Gesellschaft steht "zwischen den Welten"

Das Rollen- und das menschliche Selbstbild der Vergangenheit sind gefallen. Diverse, auch anderskulturelle Einschläge prägen unsere, immer schon auf Leistung ausgerichtete Gesellschaft. Werte, wie Bindungen und Familie treten in den Hintergrund, geraten ins Hintertreffen hinter "Communities und Social Media"

Früher wurden Freundschaften gepflegt, heute ist man in "Netzwerken". Früher haute man sich bei Meinungsverschiedenheiten auf die Nase oder schimpfte sich "dumme Kuh" heute wird recherchiert und redigiert und am besten eine Rufmordkampagne im Internet angezettelt. Selbst BANKIERS messen die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden teils an deren Kontakten bei Portalen wie Wer kennt wen oder Facebook. Und auch wenn der Datenschutz angeblich gewährleistet ist - mit der richtigen Software kommen auch SIE an die Bankdaten ihres Nachbarn und im besten Fall sogar an sein Konto.

Wir leben in einer virtuellen Welt, die ein Problem hat - in ihrer Entwicklung wurde vergessen, dass man Gefühle nicht virtualisieren kann. Liebeskummer tut noch immer genau so weh wie vor 100 Jahren und ein verlorener Job ist gefühlt immer noch ein Drama. Da macht kein noch so tränenreicher Smiley was dran und auch keine "Kopf hoch" Ecard. DA helfen nur ein echtes Gespräch und eine feste Umarmung. Und - ob Sie es glauben oder nicht - aber es gibt immer noch Firmen, die ihre Jobs nur den gedruckten Medien anvertrauen und ihre Stellenangebote NICHT ins Internet stellen.

Und Menschen wie ich können noch so viel schreiben und gern und meinetwegen auch gut schreiben - wenn wir die Menschen nicht mehr erreichen, die am anderen Ende am Bildschirm sitzen, haben wir gar nichts erreicht!

traumstundenfee, am 28.06.2011
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Bildquelle:
Ruth Weitz (Die 7 wichtigsten Dinge im Leben)

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