Glaube und Sexualität
Anders als die (katholische) Kirche propagiert, sind Glaube und lustvoller Sex kein Paradox.Eine erfüllte und befreite Sexualität ist gewollt - Spaß und Freude soll es machen!
Mit einem Mythos, der sowohl unter Christen, Agnostikern und Atheisten verbreitet ist, sollte eigentlich Schluss sein: Sex ist für Gläubige etwas Peinliches, das nötig ist, um den Fortbestand der Menschheit zu gewährleisten, und Gläubige sind darum verklemmt und sehen Sex als mehr oder weniger notwendiges Übel an, der in der Bibel keine Beachtung findet, und falls doch, dann hauptsächlich im negativen Kontext.
Ich dachte, diese Aussage trifft schon lange nicht mehr zu und sei überholt, wurde jedoch vor kurzem eines besseren belehrt. Die Meinung unter Gläubigen, Sex sei nur dann angebracht, wenn er dem Zweck des Kinderkriegens diene, scheint für viele immer noch Geltung zu haben. Vergessen werden dabei die chronologischen Details der Schöpfungsgeschichte. Bevor Gott dem Menschen nahelegt, fruchtbar zu sein und sich zu mehren, schenkt er ihm das Gefühl des Zusammenseins, indem er ihm eine "Gefährtin" erschafft, mit der er "ein Fleisch sein soll" (1. Mose 2,24). Der Mensch ist also von Geburt an als sexuelles Wesen zu betrachten, und genau so hat Gott ihn angelegt. Schon als Kind machen wir Erfahrungen mit unserem Körper, sei das beim Doktorspiel mit Gleichaltrigen oder alleine. Daran ist nichts verkehrt, denn ein ungezwungener Umgang mit uns selbst hilft uns, unseren Körper und seine Funktionen besser zu verstehen und Selbstvertrauen aufzubauen. Onanie ist weder eine Sünde noch widernatürlich, solange sie nicht zu Kontaktarmut oder zur Sucht führt.
Das Hohe Lied - Sex in seiner poetischsten Form - aber wie eindeutig!
Warum sind Mann und Frau in ihren körperlichen Bedürfnissen so verschieden?
Es gibt eine sehr witzige, aber treffende Szene in meiner Lieblingsserie Dr. House. Dort sucht House eine neue Assistentin. Beim Bewerbungsgespräch stellt sich heraus, dass die Aspirantin jüdischer Abstammung ist. Dr. House fragt sie, ob sie demnach auch das vierstündige Vorspiel praktiziert, das im Talmud gesetzlich verankert ist. Sie daraufhin: "Zwei Stunden. Ich bin Halbjüdin."
Ein bisschen überzogen, doch es bringt die Sache auf den Punkt: der Mann, generell schneller bereit als die Frau, muss sich beim Liebesspiel bemühen, auf sie einzugehen, indem er sie mit Zärtlichkeiten verwöhnt, die nicht nur auf die Geschlechtsorgane ausgerichtet sind. Streicheln, Küssen, Knabbern, Schmecken... solange, bis sie sich ihm buchstäblich öffnet und sich ihm schenken kann. Die Frau muss ebenso wie der Partner das Gefühl haben, begehrt zu werden, etwas Besonderes zu sein. Das heißt nicht, dass sie einfach alles "über sich ergehen" lässt. Im Hohelied ergreift Sulamith durchaus auch mal die Initiative, was von Salomon sehr begrüßt wird. Sex soll keine schnelle Angelegenheit sein, die man in der Besenkammer absolviert (wenn es allerdings beide wollen, darf der Quickie zwischendurch auch mal sein). Beide sollen es genießen, Freude und Spaß aneinander und noch mehr Lust aufeinander bekommen. Erlaubt ist dabei, was gefällt, solange niemand verletzt oder erniedrigt wird. Auch Vorlieben und Experimentieren sind unter dieser Prämisse kein Tabu. Wer trotzdem das Beste für sich gefunden hat und dabei keine Langeweile aufkommen lässt, muss deswegen kein schlechtes Gewissen haben oder sich für phantasielos halten. Vanilleeis mögen wir schließlich alle...
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Apropos Phantasie...
Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wir sind Menschen, begabt mit Kreativität und Vorstellungsvermögen, das wir nutzen, gleich in welche Richtung. Kein Bestsellerautor schämt sich dafür, Parallelwelten erfunden zu haben. Warum sollte man sich schämen, wenn man ein wenig Abwechslung ins Schlafzimmer bringen möchte? Wenn jemand auf Spielchen im Bett steht, die ungewöhnlich erscheinen: über den eigenen Schatten springen und darüber sprechen. Ist die Beziehung glücklich, wird der Partner entweder ein klares Veto einlegen und man nicht weiter nachtragend sein, oder aber er versucht dem anderen zuliebe etwas Neues und findet sogar Vergnügen daran. Oberstes Gebot dabei: Geduld und Reden, sich erkundigen, ob es gefällt oder eher unangenehm ist!
Über Sextoys kann man denken, was man möchte. Sowohl in gläubigen als auch in "normalen" Kreisen gibt es diesbezüglich Vorbehalte oder aber auch nicht. Ich finde, man sollte über niemanden moralisch entrüstet sein, der etwas anderes als Ohropax und das Lieblingsbuch als Einschlafhilfe im Nachtschränkchen aufbewahrt (abgesehen davon, dass die wenigsten Freunde oder Bekannte es erfahren werden).
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Nur EUR 39,95Wenn bloß alles so einfach wäre...
Leider sieht die Realität anders aus. Schuld daran hat nicht nur die Überbewertung oder Schamgefühl, sondern auch die heutige Reizüberflutung zum Thema Sexualität. Ratgeber, wie man den männlichen Orgasmus hinauszögern kann, gibt es en masse, und im Internet wird mit Seitensprüngen und prickelnden Abenteuern zu dritt oder Gruppen Gleichgesinnter geworben. Schnell wird Sex da zum Leistungssport und verkommt zur Massenware. Schade. Denn so war er vom Schöpfer keineswegs vorgesehen. Sex ist der innigste Ausdruck, die Liebe zweier Menschen zueinander zu festigen und zu vertiefen, sich in körperlicher und geistiger Intimität nahe zu sein und gute Gefühle zuzulassen, die zwei sich zueinander hingezogene Individien in einer stimmungsvollen Atmosphäre teilen.
Es wäre schön, wenn man in Sachen Sex und Glauben toleranter wäre und mit dem völlig unsinnigen Vorurteil aufräumen würde, dass beides nicht gleichermaßen (aus-)gelebt werden darf. Belächeln sollte man allerdings auch niemanden, der bewusst auf Sexualität verzichtet. Jeder hat das Recht, selbst zu entscheiden, was gut und richtig für ihn ist.
Liebende III (Bild: 836117)