Sibylle Berg

Sibylle Berg (Bild: © Katharina Lütscher/Wikimedia)

Unattraktiver Wabbel-Look

Junge Frauen beschäftigen sich naturgemäß mit der eigenen erotischen Ausstrahlung – und mit Liebeskummer. Bringt der auch Vorteile? Klar, man kann durch selbst auferlegtes Frusthungern gut abnehmen. Nun, wenn man die Bühnenfrauen so anschaut, muss man leider feststellen, dass sie nicht gerade intensiv an ihrer erotischen Strahlkraft arbeiten und stattdessen einen unattraktiven Wabbel-Look präferieren. Weite Sweatshirts und Trainingsjacken in Orange, Grün, Hellblau und Rot werden kombiniert mir gepunkteten Oma-Röcken, dazu unweibliche Schuhe, die vorzüglich zum Wandern geeignet sind. Die an sich hübschen Gesichter von Nora Abdel-Maksoud, Suna Gürler, Rahel Jankowski und Cynthia Micas werden verstellt durch klotzige Hornbrillen und ähnlich geartete Gestelle, die nicht einmal Sekretärinnen-Niveau erreichen. Insgesamt erwecken sie den Eindruck, als haben sie gerade ihre Kolonnen-Arbeit in einer Fabrik beendet.

 

Randale als Zeitvertreib

Die Darstellerinnen schwadronieren von einem "Liebesbeil im Rachen" und randalieren gern, um andere zu erniedrigen, insbesondere männliche Weicheier, die sich nicht wehren können. Die Zuschauer erleben gelegentlich ein Hin- und Herschreiten, das irgendwo zwischen Vierschrötigkeit und Drahtigkeit angesiedelt ist. Eine Art Kampftanz ist zu sehen, der jäh in rhythmische Bewegungen, in ein freies Fließen übergeht. Dieser Flow wird aber immer wieder unterbrochen, beispielsweise um kräftig abzukotzen. Nun, wie wird die Dokumentarfilmerin ihre überflüssige Tonne los? Pille oder kotzen, das ist hier die Frage. Sibylle Berg hat einen Text geschrieben, als wolle sie sich dem Alter verweigern und ihren frech-provokativen Ton vom "Spiegel" beibehalten. Trotzdem hören wir nach einer Vierer-Umarmung: "Ich kann es kaum erwarten, älter zu werden." Reife und Klugheit kommen wohl nur mit dem Alter, dennoch bewahren sich die Akteurinnen ihre pubertäre Rotzigkeit.

 

Unter Hochdruck

Der Regisseur Nübling arbeitet mit der Vorlage, die ihm Sibylle Berg überlassen hat, und kann dementsprechend keine Handlung liefern, nur Schauspielerinnen-Hochdruck. Aber trotz Hyperventilation will die Inszenierung nicht recht zünden, es werden keine Funken versprüht, zu austauschbar und überschaubar sind die eingestreuten Reden und Kampfparolen. Und wenn Frau sich vor den Spiegel stellt, um ein natürliches Verhältnis zum eigenen Körper zu entwickeln, warum stylt sie sich bei derartigen Voraussetzungen nicht hoch zu einem ultraknusprigen Ding, um bei Männern einen erhöhten Testosteron-Schub auszulösen? Stattdessen wird das Negativ-Vorbild verurteilt, die eigene Mama, die "die Integrität eines lauwarmen Wassers" hatte. Vielleicht ist die Tochter nichts anderes als die Reproduktion und Fortsetzung der unzulänglichen Erzeugerin. Nun, was das Duo Berg/Nübling in dieser Inszenierung leistet, ist zu wenig, da hilft auch keine Reise in die eigene Vergangenheit. Dem Publikum hat's dennoch gefallen: Am Ende frenetischer Applaus, wahrscheinlich von diversen Fan-Clubs.

Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen
von Sibylle Berg
Regie: Sebastian Nübling, Choreographie: Tabea Martin, Raum: Magda Willi, Kostüme: Ursula Leuenberger, Raum/Kostüme: Moïra Gilliéron, Licht: Jan Langebartels, Dramaturgie: Katja Hagedorn.
Mit: Nora Abdel-Maksoud, Suna Gürler, Rahel Jankowski, Cynthia Micas.

Maxim Gorki Theater

Premiere vom 23. November 2013

Dauer: 80 Minuten, keine Pause

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