In die Zukunft mit Seifenblasen

@ Esra Rotthoff

Die versuchte Revolution als Körperglorifizierung

Die Repräsentanten der Revolution sollen einen Auftrag zum Weltauftrag machen. Die Fortpflanzung von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ist quasi eine kosmische Pflicht der Welterneuerung. Damit nicht endlos das als Verderbnis erkannte Gleiche herrscht. Die Kultfigur Heiner Müller, dessen geistige Offenbarungen immer wieder Müllermessen-Besucher*innen anzieht, hat in seinem umfassenden Nachlass ein fragwürdiges Statement hinterlassen. »Mein Interesse an der Wiederkehr des Gleichen ist ein Interesse an der Sprengung des Kontinuums.« Das ist eine Kritik an Nietzsche, der die "Wiederkehr des Gleichen" hochpoetisch im Zarathustra eingeführt hat. Müllers später Nackenschlag ist indes nur ein Hohlschlag. Denn Nietzsche wollte das Erreichte festhalten, um darauf aufzubauen und etwas Besseres zu erreichen, das die Welt vorantreibt, was auch immer das sei. Müllers Rezeptionsschwäche überträgt sich auch auf die Bühne: Die Revolution, ohne Truppe aber mit klassenlosen Angestellten, wird vermurkst durch Klapperdarstellungen. Eine körperverliebte Unterhosen-Unkultur wird als sehnsuchtsbeladene, naturverherrlichende Romantik zelebriert. Falilou Seck als Sasportas, ein beharrlicher Revolutionär, ist noch der Authentischste. Till Wonka als Debuisson, der die Macht ergreifen will, ist nur ein Ausbund an Schwäche und öffentlichkeitsunwirksamen Charme. Borscht entfaltet ihn als dahinlabernden Opportunisten: Eine Krücke, die, wenn es die Umstände hergeben, sich der Produktionsmittel bemächtigen würde, unter seiner Fuchtel die Produktivkräfte. Dazu liefert Romy Camerun keine Karibik-Musik, sondern bluesig angehauchten Jazz.

 

Eine kraftlose Revolution mit den letzten Reserven

Napoleon als Machtergreifer und Beender der französischen Revolution macht den Auftrag null und nichtig. Doch die hartnäckigen Befreiungsbeauftragten kämpfen weiter und setzen mit ihren zweifelhaften Versuchen ihre Energie in den Sand, ins Nichts hinein. Genau dahin, wo Ruth Reinecke ihren Rapport über die Fahrstuhl-Szene befördert. Hätten die Verzweiflungsrevolutionäre es doch geahnt und ungefähr zwei Jahrzehnte gewartet: Der wohlhabende, kreolische Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar führte etliche von Spanien unterdrückte südamerikanische Staaten in die Freiheit. Bedauerlicherweise hat das Müller nicht reflektiert. Aram Tafreshian als Galloudec, wie immer rothaarig, scheitert an Windmühlen, weil man ihn nicht rechtzeitig aus seinem Rollenauftrag entlassen und ihm keinen neuen Auftrag vermittelt hat. So plätschert die ideologische Sinnlosigkeit dahin, verwässert und gestylt. Kurz, es ist eine missratene Inszenierung. Verbrämt wie immer durch ein beeindruckendes Ensemble, in dem die Nebendarstellerin Cynthia Micas genauso bezaubert wie der Hauptdarsteller Falilou Seck. Rundherum wird man optisch befriedigt. Doch das ist zu wenig. Heiner hätte uns seine Erinnerungen, bei denen er physisch abwesend war, auch ersparen können.

Der Auftrag. Erinnerung an eine Revolution 
von Heiner Müller
Regie: Mirko Borscht, Bühne: Christian Beck, Kostüme: Elke von Sivers, Musik: Romy Camerun, Video: Hannes Hesse, Dramaturgie: Holger Kuhla.
Mit: Till Wonka, Ruth Reinecke, Falilou Seck,, Ayham Majid Agha, Susanne Meyer, Cynthia Micas, Aram Tafreshian, Romy Camerun.
Gorki Theater Berlin, Premiere vom 10. Dezember 2016.

Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause
@ Esra Rotthoff

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