Foto: Esra Rotthoff

 

 

Nur der Mars kann vor Deutschland retten

Die vier missionarischen Frauen (Nora Abdel-Maksoud, Suna Gürler, Svenja Liesau und Abak Safaei-Rad) legen als Kollektiv simultane rhythmische gymnastische Bewegungen hin, die in Hochphasen zuweilen Tanzformat erreichen. Da der böse weiße Mann in Deutschland nach demokratischer Desillusionierung den Faschismus errichtet hat – nicht wenige "farbige" und weiße Staaten sind faschistisch und greifen auf staatliche, institutionalisierte Unterdrückungsmechanismen zurück – müssen sie geplant abhauen, um bei einer Planetenansiedlung im Kosmos das Gute durchzusetzen. Bedauerlicherweise geht es nicht ohne den Mann, denn wer soll sonst die Fortpflanzung sichern, also die Perpetuierung der eigenen Existenz durch den viel versprechenden Nachwuchs? Am besten, man nimmt sich einen perfekten Mann und veranstaltet ein Casting. Torben ist der Auserwählte, und der wird gleich durch vier Männer repräsentiert (Knut Berger, Jonas Dassler, Aram Tafreshian und Mehmet M. Yilmaz). Egal wie sich der kollektive Torben anstrengt und geistige Originalitätsverrenkungen unternimmt: Er genügt nicht dem weiblichen exklusiven Geschmack, schließlich geht es um das Erbgut. Nach dieser Pleite werden geschmacklose Facebook-Kommentare hervorgeholt, die die obwaltende offizielle Herrschaftssprache an Derbheit übertreffen und die Abgeschmackheit des aktuellen geistigen Zustands "illustrieren" sollen. In der Tat, Sibylle Berg entfaltet eine der Erbauung gewidmete Apokalypse, den damaligen Expressionisten und etlichen Irrationalisten ähnelnd. Ihre Anklage enthält keinen positiven Gegenentwurf – sie reagiert nur mit lustigem Sarkasmus. Beim dem man nicht mehr nachdenken muss. Lachen reicht.

 

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Das Inwendige, Seele gar, Kommunikation, Interaktion, Persönlichkeitsentwicklungen? Die Figuren entwickeln sich nur weiter in verzweifeltem Esprit und gegenseitigen Übertreffungsversuchen, als finde ein Wettbewerb in der Disziplin der Schlagfertigkeit statt. Die Gestik spielt bei den Heiterkeitsphysiognomien keine Rolle, die gleichgeschaltete Choreografie macht es und bereitet den Boden für die Entlarvungsstrategie der wahllos austeilenden Autorin, die ihre Geschütze der Komik überlässt. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Verwunderlich sind die praktisch bei jeder Aufführung stattfindenden Jubelorgien des jungen Publikums, als habe das Gorki mittlerweile einen Kultstatus erreicht. Das ist durchaus berechtigt, denn das Gorki Theater hat unter der Intendanz von Shermin Langhoff bislang Großes geleistet und für viel Denkstoff gesorgt. In dieser Inszenierung kann man den Geist allerdings getrost ausschalten.

 

Nach uns das All

Regie: Sebastian Nübling, Choreografie: Tabea Martin, Dramaturgie: Katja Hagedorn, Bühne: Magda Willi, Kostüme: Ursula Leuenberger.

Es spielen: Nora Abdel-Maksoud, Knut Berger, Jonas Dassler, Suna Gürler, Svenja Liesau, Abak Safaei-Rad, Aram Tafreshian und Mehmet M. Yilmaz.

Uraufführung war 24. September 2017, Kritik vom 3. Oktober 2017

Dauer: 75 Minuten

 

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