Mareike Beykirch

Foto: Esra Rothoff

 

 

Königin des Boulevards

Gewalttätig ist die Inszenierung mitnichten, von verbaler Gewalt einmal abgesehen. Doch austeilen kann jeder, da sitzen alle im selben Club. Ähnlich wie in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten, die ja auch auf Quoten und Marktanteile fixiert sind und Privaturteile zu allgemeingültigen Wahrheiten machen, ringt jeder trotz innerer Verletzbarkeit nach Deutungshoheit. Die oberste Maxime hat immer noch die Regisseurin, sie versucht interne Querelen zu kitten, streut allerdings durch ihre Machart eine Menge Sand ins Getriebe. Stella Hilb, vornehmlich bekannt durch Neues Theater Halle, entpuppt sich als Königin des Boulevards. Sie schlüpft nicht in die Rolle einer Person, sie schauspielert variantenreich über sie hinweg, wahrscheinlich, um einen bestimmten Typus zu charakterisieren. Nur: Was will sie bzw. die Regisseurin entlarven? Die Helden sind müde geworden, gewiss. Im Kino sieht das alles harmonisch, organisch und kraftvoll aus, aber wüsste das Publikum, wie derartige Zangengeburten zustande gekommen sind, würde der Blick nicht verklärt verkennen, sondern erkennen. Im Grunde ist diese Inszenierung eine Selbst-Persiflage, auch des Gorki Theaters. Humor ist, wenn man noch über sich selbst lachen kann. Auch die Gender-Bemühungen des eigenen Hauses werden aufs Korn genommen. Nun, eine Selbstdemontage ist natürlich nicht anvisiert, dafür fehlen die Zähne und der Hang zum Komödiantischen ersetzt jede schon in der geistigen Vorwegnahme grausame Wurzelbehandlung.

 

Ein endlicher Spaß

Eva Bay spielt Mads mit Fledermausmaske und beginnt mit männlich-verzerrter Stimme. Abrupt wechselt sie nach etwa einer halben Stunde in ihre Naturstimme, hell und im Sopran, dabei derbes Schwäbisch redend und gleichzeitig badelnd, einer interessierten Raumpflegerin vom Agrarsektor ähnelnd, mit schmierigen Haaren, speckigem Glanz und kaum verhülltem Entlarvungsgesicht. Weil halt alles doch nur Show ist. Das Problem ist, dass das Ganze nicht in die Eingeweide geht. Es ist übertrieben parodistisch, ohne lebende Akteur*innen anzugreifen, nicht bissig genug, um halbseriöse, sich selbst als absolut zuverlässig präsentierende Produktionsfirmen und sich selbst ernsthaft in Frage zu stellen. Nestbeschmutzer möchte man denn doch nicht sein. Was wir hören: Hiesige klangvolle Namen werden neben klangvolleren Hollywood-Namen erwähnt, etwa Jürgen Vogel und Nina Hoss, die in keinem Nazi-Film mehr mitspielen soll. Klotziger wird es bei Bruce Willis – Till Wonka ist als Schakal unterwegs, in der Bemühung, das Original surreal zu überhöhen, und er spreizt sich gelegentlich und offenbart Schwächen, die nicht nur das Mitgefühl, auch das Mitleid in Gang setzen. Kurz: Es ist ein endlicher Spaß, kein Infinite Jest. Es ist Unterhaltungkunst, und sie ist nicht die schlechteste. Die dunkle und heitere Veranstaltung wirft aber auch ein fragwürdiges Licht auf die Ästhetik des Gorki-Theaters. Ernsthafte Themen werden teilweise wegen der Tendenz zum Verspaßungsbetrieb konterkariert. Auf der Gorki-Homepage steht etwas von "bösartiger Satire". Bösartig ist hier gar nichts: Man hat sich selbst die Stacheln weggezogen und ist in den Humor geflüchtet, vielleicht auch in der Hoffnung auf einen Underground-Blockbuster. Immerhin, die Auszeichnung für Nora Abdel-Maksoud ist nachvollziehbar.

 

The Making-Of

Von Nora Abdel-Maksoud

Regie: Nora Abdel-Maksoud, Bühne/Kostüme: Katharina Faltner, Musik: Enik, Dramaturgie: Tobias Herzberg.

Es spielen: Eva Bay, Mareike Beykirch, Stella Hilb und Till Wonka.

Gorki Theater, Studio R.

Uraufführung war am 13. Januar 2017, Kritik vom 1. September 2017.

Dauer: 1 Stunde, 45 Minuten

 

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