Große Namen der Wirtschaftsgeschichte: Lee Iacocca
Einer der letzten echten Industriekapitäne und seine Beiträge zur AutomobilgeschichteDie Anfänge: Eine klassische, amerikanische Karriere
Geboren in einer Industriestadt, schien es für den Nachkommen italienischer Einwanderer gar keine andere Option zu geben, als am großen, amerikanischen Traum teilzunehmen. Natürlich hätte er in die väterlichen Fußstapfen treten und Pizzabäcker werden können. Lee Iacocca aber machte stattdessen das, was die zweite Generation einer Einwandererfamilie früher häufig tat: Er suchte größere Herausforderungen und verschrieb sich dem Industriezeitalter. Lee Iacocca tat es mit Erfolg. Er studierte an der Elite-Universität Princeton Kunststofftechnik und Politik. Im Alter von 22 Jahren heuerte Iacocca schließlich als Praktikant bei Ford an. Diesen Status sollte er allerdings nicht lange behalten:
Das Kapitel Ford
Nach einigen Jahren in der Entwicklung und im Verkaufsmanagement stieg Iacocca im Jahr 1960 mit gerade einmal 36 Jahren ins oberste Management des Weltkonzerns Ford ein. Sein später beinahe legendäres Gespür für Trends und Marketing bescherte ihm bald einen sensationellen Erfolg. Bislang hatte der Konzern ganz nach der Philosophie des Firmengründers im PKW-Bereich überwiegend langweilige, aber solide und erschwingliche Familienkutschen angeboten.
Iacocca setzte andere Akzente: Er soll nicht immer ein angenehmer Vorgesetzter gewesen sein, ermutigte wohl aber seine Designer zu mehr Experimentierfreude. Das Ergebnis war der sportlich-schnittige Ford Mustang, welcher trotzdem zu akzeptablen Preisen erhältlich war. Als Marketing-Genie ließ Iacocca nicht nur das Produkt für sich selbst sprechen, sondern machte dessen Vorzüge ganz offensiv und persönlich bekannt. Er wurde mehrfach mit dem Modell auf den Titelseiten großer Zeitschriften abgebildet. Mit Erfolg – denn bis 1973 verkaufte sich die Baureihe rund drei Millionen Mal, ehe die einsetzende Ölkrise den Markt für diese Fahrzeugart zunächst einbremste. Ford führt bis heute das Mustang-Konzept mit immer neuen Modellen fort. Ein Beweis für die Weitsicht und die Genialität von Lee Iacocca. Dieser war seit 1970 Präsident des Unternehmens. Mächtiger als er war nur noch Henry Ford II., Enkel des Firmengründers und gleichzeitig Aufsichtsratschef sowie CEO des Konzerns.
Ein anderes Ford-Modell hingegen wurde zum relativen Misserfolg. Der Ford Pinto sollte wohl ursprünglich dafür sorgen, dass das gerade populär werdende Segment der Kompaktwagen nicht allein durch Importmodelle dominiert wurde. Tatsächlich machte der kostengünstig produzierte Wagen jedoch vor allem durch zwei Aspekte von sich reden: Der Tankinhalt neigte bei Unfällen zu Explosionen, und in Brasilien wurde der Fahrzeugname zur Lachnummer: Pinto (portugiesisch für Küken) entspricht dort umgangssprachlich dem Begriff "kleiner Pimmel".
Iacocca kommentierte solche Rückschläge angeblich mit den Worten: "Man kann nicht immer nur gewinnen" und konzentrierte sich auf die nächste Neuerung: Das Baukastensystem. Iacocca war keineswegs der Erfinder dieser Innovation, aber er war bereit, sie konsequent anzuwenden, ganz so, wie es der Gründer des Ford-Imperiums ein paar Jahrzehnte zuvor hinsichtlich der ebenfalls schon vorhandenen Fließbandfertigung auch gehandhabt hatte. Die Umsetzung der Idee bei Ford war Iacocca allerdings nicht mehr vergönnt. Henry Ford II. feuerte ihn 1978 trotz eines Milliardengewinns aufgrund persönlicher Abneigungen.
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Retter des Chrysler-Konzern
Für den Konkurrenten Chrysler bedeutete dieser Vorgang die Rettung, denn Iacocca übernahm wenig später die Leitung des nahezu insolventen Konzerns. Große, durstige Autos und teure Fertigungsverfahren hatten der Nummer Drei des amerikanischen Automobilbaus erheblich zugesetzt. Die Banken weigerten sich, neue Kredite an Chrysler auszureichen. Doch Iacocca schaffte das nahezu Unmögliche. Er sicherte das Unternehmen zunächst durch einen staatlichen Kredit (Andere Quellen sprechen lediglich von einer Bürgschaft.) in Höhe von rund 1,5 Milliarden Dollar ab und hatte so Luft für dringend nötige Sanierungsmaßnahmen. Was dann folgte, tat richtig weh – den Gläubigern, die Zugeständnisse machen mussten, den Gewerkschaften, die Werksschließungen akzeptierten und den tausenden Arbeitern, die ihre Jobs verloren. Sein eigenes Gehalt setzte Iacocca übrigens auf einen Dollar pro Jahr an. Bereits 1982 schrieb der Konzern komfortable Gewinne, und das Darlehen (bzw. die Bürgschaft) war sieben Jahre vor Fälligkeit Geschichte.
1983 wurde Iacocca Witwer. Umso erstaunlicher, dass sein Elan und sein Optimismus ungebrochen blieben. Um die wiederhergestellte finanzielle Stabilität zu halten, packte Iacocca das Problem an der Wurzel. Er führte eine Kombination aus Baukastensystem und Plattformen ein – ein Konzept, mit dem er sich bei Ford nicht durchsetzen konnte und welches heute Standard ist. Chrysler punktete auf einmal mit modernen und kostengünstigen Fahrzeugen.
Markige Werbung tat ein Übriges. Iacoccas wohl bekanntester Spruch lautete: Wenn Sie ein besseres Auto finden, dann kaufen Sie es!" 1987 war Chrysler so solide aufgestellt, dass der Konzern den Konkurrenten AMG mitsamt der Marke Jeep aufkaufen konnte. Entwickelt wurden im Laufe der Jahre außerdem innovative Modelle wie der erste Mini-Van Chrysler Voyager oder der Jeep Grand Cherokee.
Iacocca soll übrigens eine Vorliebe für Vinyl-Dächer gehabt haben. Vielleicht trug das dazu bei, dass dieses Design-Element in den 1980er Jahren seine Blütezeit erreichte.
Gegen Ende dieses Jahrzehnts fiel der Name Lee Iacocca gelegentlich sogar im Zusammenhang mit den nächsten Präsidentschaftswahlen. Er galt als typischer amerikanischer Unternehmer alter Schule, der Probleme klar benennen und erfolgreich lösen konnte. Doch im anbrechenden Digitalzeitalter, das junge, dynamische, allseits gebildete und unkonventionelle Typen zu seinen Helden machte, wirkte der Retter des Chrysler-Konzerns auf einmal altbacken. Sein Rückzug von der Konzernspitze wurde zum Jahresende 1992 erzwungen.
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Im Unruhestand: immer wieder Chrysler
Traurige Ironie der Sache war, dass nun auf dem Chefsessel ein Manager Platz nahm, der bis kurz zuvor für General Motors gearbeitet hatte – ein Automobilunternehmen, dass sich damals weniger durch Innovationen, sondern vor allem durch seine schiere Größe am Markt zu behaupten schien. Chrysler erzielte zwar weiterhin überwiegend Gewinne, aber der Glanz der Marke verblasste offenbar.
1995 beteiligte sich Iacocca am feindlichen Übernahmeversuch eines Investors, welcher allerdings scheiterte. Drei Jahre später fusionierte Chrysler mit Daimler-Benz, was dem Management Gelegenheit zur Retourkutsche gab. Iacocca bot seine Mitarbeit an. Man verzichtete jedoch auf ihn. Nach eigenen Angaben wurde er monatelang hingehalten.
Die so genannte Hochzeit der Sterne (auch Chrysler trug damals noch eine sternförmige Kühlerfigur) sorgte zunächst für Euphorie an den Börsen, bald aber für Ernüchterung dies- und jenseits des Atlantiks. Der amerikanische Hersteller wurde zum Sorgenkind des Mega-Konzerns. Iacocca durfte dennoch erst 2005, als Chrysler schon jahrelang kriselte, wieder tätig werden. Allerdings nicht im Management, sondern in einem Werbespot. Tatsächlich erholten sich die Verkaufs- und Gewinnzahlen deutlich, machten die vorherigen Verluste jedoch noch nicht wett.
Für Chrysler endete das transatlantische Abenteuer unschön. Die "Scheidung" von Daimler-Benz erfolgte 2007. Das deutsche Unternehmen hielt nur noch eine Minderheitsbeteiligung. In der heraufziehenden Finanz- und nachfolgenden Weltwirtschaftskrise der Jahre 2007 bis 2009 waren das keine guten Voraussetzungen. Chrysler benötigte zunächst staatliche Hilfen und schlitterte schließlich in die Insolvenz. Die Produktion stand zeitweise still. Der Hersteller verschwand in den nächsten Jahren schrittweise im Rachen des italienischen Fiat-Konzerns. Chryslers neue Herren waren damit in dem Land verortet, aus dem Iacoccas Vorfahren einst nach Amerika aufgebrochen waren.
Der ehemalige Konzernlenker überlebte Chrysler. Lee Iacocca starb am 02. Juli 2019 an den Folgen einer Parkinsonerkrankung. Er wurde 94 Jahre alt.