Vom Bauernsohn zum Konzernchef

Es war einmal ein Farmerjunge, Sohn irischer Einwanderer. Dieser Junge namens Henry Ford interessierte sich für Technik. Im zarten Alter von zwölf Jahren richtete er sich eine eigene Werkstatt ein und baute als 15 Jähriger eine Dampfmaschine. Gut ein Jahr später begann er eine Lehre zum Maschinenschlosser. Die folgenden beiden Jahrzehnte erwiesen sich als so detailreich, dass die Angaben hierzu in der heutigen Fachliteratur teilweise voneinander abweichen. Maschinist soll er gewesen sein oder auch das Uhrmacherhandwerk erlernt haben. Gelegenheitsarbeiten wechselten sich angeblich ab mit technisch-kreativen Phasen auf der väterlichen Farm. Sicher ist nur: Ford arbeitete sich stetig nach oben. Er wurde leitender Ingenieur bei Edinson und experimentierte nebenher an Verbrennungsmotoren. In den 1890er Jahren entwarf er seine ersten beiden eigenen Autos, trat als Rennfahrer in Erscheinung und kündigte schließlich bei Edinson. Um die Jahrhundertwende fiel er zweimal als Unternehmer auf die Nase. Die 1899 von ihm gegründete "Detroit Automobile Company" musste nach zwei Jahren Konkurs anmelden. Aus der 1901 gemeinsam mit einigen Investoren ins Leben gerufenen "Henry Ford Company" schied der Gründer aufgrund von Differenzen bereits nach einem Jahr aus. Aus diesem Unternehmen entstand später die Marke Cadillac.

1903 unternahm Henry Ford einen weiteren Versuch. Die "Ford Motor Company" entstand, Keimzelle des heutigen Weltkonzerns. Die ersten Modelle waren eher mäßig erfolgreich, doch eine günstige Marktlage wirkte sich förderlich auf das junge Unternehmen aus: Die Nachfrage nach Motorfahrzeugen war in den USA zeitweise höher als die Produktion! Dennoch konnten sich nicht alle Bevölkerungsschichten ein Auto leisten. In diese Lücke stieß Henry Ford 1908 mit dem legendären Modell T, der "Tin Lizzy". Das Fahrzeug war einfach, kompakt, nur in einer Farbe erhältlich und wurde ein Riesenerfolg. Henry Ford baute konsequent ein Netz von Händlern auf und konnte zudem nach Einführung der Fließbandproduktion 1913 den Preis für eine "Tin Lizzy" um mehr als die Hälfte senken. Alle diese Maßnahmen zeigten Wirkung. In den USA war Ford Marktführer, und 1918 war fast jedes zweite Auto auf der Welt ein Modell T! Ein Jahr später übernahm Fords Sohn Edsel Bryant die Firmenleitung. Der Senior mischte allerdings weiterhin kräftig mit. In den 1920er Jahren verlor die Company stetig Marktanteile und war ein Jahrzehnt später nur drittgrößter Autoproduzent der USA. Dennoch fielen in diese Zeit zahlreiche Investitionen in neue Modelle sowie Produktionsstätten, beispielsweise 1925 die Errichtung der Kölner Ford-Werke. Ein weiterer Tiefpunkt war 1943 erreicht, als Edsel Bryant Ford überraschend starb. Der mittlerweile 80 jährige Henry Ford übernahm noch einmal für zwei Jahre die Unternehmensleitung, ehe er diese seinem Enkel Henry Ford II. übertrug. Der Firmengründer starb am 7. April 1947. Wegen eines Hochwassers brannten im Haus nur Petroleumlampen und Kerzen – genau wie bei seiner Geburt.

Henry Ford: zentrale Figur im amerikanischen Automobilbau

 

Die frühen Jahre des Automobilbaus in den USA weisen vielfältige Verflechtungen bekannter Namen auf. Firmen fusionierten, gingen pleite oder wurden aufgekauft. Oftmals mittendrin in diesem verwirrenden Szenario findet sich der Name Henry Ford. Seine Stellung zur Firma Cadillac wurde ja bereits erwähnt. Zahlreiche noch heute klangvolle Namen der automobilen Welt kreuzten den Lebensweg des Autopioniers Ford, beispielsweise Chrysler, die Gebrüder Dodge oder die Marke Lincoln, welche 1922 aufgekauft wurde. Um die eigene Firma besser zu schützen, sorgte Henry Ford übrigens dafür, dass sich bis 1919 alle Aktien wieder in Familienbesitz befanden. In den Anfangsjahren der Firmengeschichte hätte Ford das Unternehmen dennoch beinahe verkauft. Geschehen war folgendes:

Ein windiger Anwalt namens George B. Selden hatte sich viele Jahre zuvor ein Monopol-Patent gesichert. Vereinfacht ausgedrückt, berechtigte ihn dies, nahezu jedem Autohersteller für existierende und künftige Modelle gegen Gebühr Lizenzen zu erteilen. Selden hätte somit maßgeblich beeinflussen können, wer wann welche und wieviel Fahrzeuge produzierte. Eine ganze Reihe Unternehmen knickte tatsächlich ein. 1903, im Gründungsjahr der "Ford Motor Company" präsentierte Selden auch jener seine Forderungen. Doch Henry Ford wehrte sich. Zu seinen Mitstreitern gehörte unter anderem die Firma Reo eines Mr. Olds, des Gründers von Oldsmobile. 1909 scheiterte Ford vor Gericht, gewann aber 1911 den Berufungsprozess. In der Zwischenzeit hätte er allerdings sein Unternehmen um ein Haar an die Herren Durant und Buick verkauft. Allein, Durant brachte die Kaufsumme nicht auf. Der Deal platzte, und Durant gründete (zunächst nur auf dem Papier) die Firma General Motors...

Mythen, Legenden und Fakten um den Autopionier Ford

 

Trotz aller Bewunderung für die Leistung des Autopioniers Henry Ford muss der unvoreingenommene Betrachter doch zugeben: Ein wenig schrullig war der Mann schon. So wird beispielsweise berichtet, er glaube an die Reinkarnation. In einem Interview erklärte er dies zur Grundlage seiner Überzeugung, dass jede Idee verwirklicht werden könne. In eine ähnliche Richtung ging Fords leicht falsch zu verstehende Behauptung, niemals einen Fehler gemacht zu haben. Doch vielleicht hat ihn auch genau diese Querdenkerei, das Streben nach neuen Ideen, zu mancher Innovation verholfen. Dennoch bieten Henry Fords manchmal unkonventionelle Aussagen und Handlungen bis heute viel Stoff für Legenden:

Ford und die Politik

 

Ein häufig gehegter Vorwurf sind beispielsweise die angeblich antisemitischen Aktivitäten des Unternehmers. Tatsächlich basiert dies auf einigen Aussagen sowie Zeitungsartikeln Fords, die wohl nicht immer im richtigen Kontext veröffentlicht wurden. Der Autopionier sah sich daher 1927 sogar zu einer öffentlichen Erklärung genötigt. Richtig ist jedoch, dass Henry Ford sich durchaus politisch engagierte. Unter anderem begab er sich 1914 per Schiff nach Norwegen mit dem Ziel, den gerade ausgebrochenen Ersten Weltkrieg zu beenden. Wie wir heute wissen, scheiterte er damit, ebenso, wie 1920 mit seiner Kandidatur für den US-Senat. Dennoch soll Ford später sogar damit geliebäugelt haben, Präsident der USA zu werden.

Der Mythos vom sozialen, bescheidenen Unternehmer

 

Bekannt wurde der Unternehmer auch durch sein soziales Engagement. Unter anderem verdoppelte er seinen Arbeitern 1914 den Lohn und senkte gleichzeitig die tägliche Arbeitszeit um eine Stunde. Allerdings liefen nun auch die Fließbänder etwas schneller. Das Kalkül ging auf:  Die Arbeiter mit mehr Freizeit und mehr Geld kauften sich nun ebenfalls Autos, natürlich von Ford. Die Lohnerhöhung galt jedoch nicht während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses. Frauen, ledige Männer unter 22 und Mitarbeiter, denen eine Art unternehmenseigene "Sittenpolizei" unmoralische Lebensführung unterstellte, waren zudem grundsätzlich von dem Lohnmodell ausgenommen. Nach gut einem Jahrzehnt hatte sich das allgemeine Erwerbsniveau in der Branche schließlich so entwickelt, dass Fords Löhne sogar als unterdurchschnittlich galten...

Noch einmal reichlich zehn Jahre später keimte sogar ein ernsthafter Konflikt mit Gewerkschaftern herauf, deren Einmischung das Unternehmen bis dahin erfolgreich verhindert hatte. Erst 1941 kam es zur Einigung zwischen beiden Seiten, bei der Ford sogar großzügigere Konditionen als die Konkurrenz einräumte.

Überliefert ist außerdem, dass Henry Ford selbst bettlägerigen Menschen im Krankenhaus leichte Arbeiten gab. Diese hatten dadurch weiterhin einen Verdienst und erholten sich nach Ansicht von Henry Ford auch schneller. Der Unternehmer wiederum verbuchte so einen 20 % höheren Produktionsausstoß... Keine Frage, Henry Ford pflegte einen patriarchalischen Führungsstil. Er allein bestimmte die Wohltaten für seine Mitarbeiter und natürlich auch, was unter Wohltaten zu verstehen war. So ehrenwert manches politische und soziale Engagement gewesen sein mag, letztendlich sollte es wohl immer auch den Interessen des Unternehmens dienen.

Der Technikpionier Ford

 

Abgesehen vom wirtschaftlichen Erfolg wurde Henry Ford nicht zuletzt wegen seiner technologischen Ideen bekannt. Unbestritten ging er so manchen neuen Weg; in den 1920er Jahren stieg er sogar in den Flugzeugbau ein. Selbst die scheinbar moderne Idee, landwirtschaftliche Erzeugnisse industriell zu nutzen, soll bereits von Henry Ford verfolgt worden sein, beispielsweise durch die Verwendung der Soja-Pflanze zur Kunststoffproduktion. Möglicherweise hat sich der Autopionier aber auch von außerhalb inspirieren lassen. Offenbar war er nicht so überheblich, anderen Herstellern keine Innovation zuzutrauen. Angeblich kaufte die Ford Motor Company zeitweise neue Modelle der Konkurrenz, um sie anschließend gründlich zu untersuchen.

Anscheinend unverwüstlich ist zudem der größte Irrtum über Henry Ford. Darum sei es an dieser Stelle noch einmal betont: Ford hat die Fließbandproduktion nicht erfunden! Er war lediglich der erste Unternehmer, der sie konsequent umsetzte, indem er verschiedene Komponenten der Massenproduktion kombinierte. Mit Erfolg, wie man heute weiß!

Donky, am 31.10.2013
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