Guru Guru in der Volksbühne Berlin. Konzertkritik
Roter Salon, 1. November. Die Tour zum Geburtstag: Der Drummer und Sänger Mani Neumeier wird im Dezember 75. Die Musik klingt unverbraucht und frisch wie vor 40 Jahren.Mani Neumeier beim Elektrolurch, daneben Hans Reffert (Bild: © Guru Guru)
Viel Rock mit kleinen jazzigen Ausflügen
Ewiggestrig ist an Guru Guru überhaupt nichts, ganz im Gegenteil. Der unverfälschte Sound wirkt wie ein juvenil machendes Stimulanzmittel. Die aktuellen Psychedelic Stoner Rockgruppen hören sich an, als seien sie aus dem 1970 erschienenen Stone In hervorgegangen. Das spielt heute noch Ex-Guru-Gitarrist Ax Genrich, allerdings besser als etliche Stilnachahmer. Das Intro-Stück ist diesmal Dark Blue Star vom Album Psy. Eine gelungene Ouvertüre mit beinahe hymnischem Gesang, angereichert durch leicht psychedelische Gitarrensolos von Roland Schaeffer und Hans Reffert. Die 1995 erschienene CD Wah Wah ist mit gleich drei Liedern vertreten: Living in the Woods, Iddli Killer und Izmiz. Das sind mittlerweile Guru-Klassiker, vor allem Izmiz, bei dem Schaeffer indisch singt und die Kegeloboe Nadaswaram bläst und dabei an seine früheren Konzerte mit dem grandiosen Tavil-Trommler Paramashivam Pillai erinnert. Wenn Schaeffer sein Saxophon hervorholt und sich Jazz-Ausflüge gestattet, kann der wesentliche prominentere Doldinger einpacken. Peter Kühmstedt liefert auf Izmiz einen Bass-Impropart und Hans Reffert klingt mit seiner Rhythmus-Gitarre, als wolle er ungewollt Ex-Mitglied Dieter Bornschlegel wachküssen. Was ist in die neuen alten Gurus gefahren? Die Berliner Luft tut ihnen anscheinend gut, denn Red Air und Pow Wow wirken inspirierter als die Studioaufnahmen der Produktion In The Guru Lounge. Das Gleiche gilt auch für Tribes & Vibes von 2000 Gurus. Nun, Guru Guru war schon immer eine exzellente Live-Band, die sich erst auf der Bühne so richtig warm spielte.
Guru Guru heute:
Roland Schaeffer, Mani Neumeier, Peter Kühmstedt, Hans Reffert.
© Guru Guru
Routine und Inspiration
Ein altes Sprichwort besagt: Die Gurus kommen und gehen, aber die Band bleibt bestehen. Doch seit etlichen Jahren dominiert nicht mehr der Musikerwechsel, sondernd die Kontinuität. Die Texte von Guru Guru sind weitgehend emotional neutral, sie erzeugen keinen Liebeskummer und präparieren auch nicht für eine libidinöse Sättigung, eher für die Tüte danach. Es gibt als Intermezzo eine japanische Einlage, die Musiker ziehen sich Stirnbänder über und Mani trägt zum Sprechgesang gar eine asiatische Kopfbedeckung, als wolle er vor der Zeit gen Himmel fahren. Neumeier, der wohl niemals Rente einbezahlt hat und wie die Verkörperung des Anti-Opas herumwirbelt, wirkte bei dermaßen vielen Projekten mit, dass er sich auch mal in der Zeit verirrt. Rolling through the City war von 1977, nicht von 81, aber das spielt letztlich keine Rolle. Der Comic-Strip ist abermals im Programm, Ooga Booga inklusive einem Drumsolo, das verblüffend variantenreich ist. Das ist der Odenwalder Jungle-Man, wie man ihn kennt. Bei der Zugabe entsteht ein Finkenbach-Feeling, man sieht schwäbische Maultaschenesser, badische Freigeister und hessische Naturfreunde förmlich vor sich. Und das überschaubare Hirschhorn als infrastruktureller Zugang zur Welt. Nach dem kurzzeitigen Backstage-Verschwinden kommen der Elektrolurch, der Halbohrwurm Incarnation-Stomp und zuletzt Jonny Filter als euphoriestoppendes Rauswerferlied: Eine gesanglose Gutenacht-Story für einen süßen Schlummer. Es existieren tatsächlich noch Musiker, die mit ihren Instrumenten eine Geschichte erzählen können. Ein großer, ein schöner Abend. Was singen die Gurus noch gleich? It's a Wonderland. Manchmal schon.
Guru Guru
Mani Neumeier, Roland Schaeffer, Peter Kühmstedt, Hans Reffert.
Volksbühne Berlin, Roter Salon
Konzert vom 1. November 2015
Bildquelle:
Donnaya
(Gothic, Mittelalter, Dark Metal - Musik außerhalb des Mainstreams)