Handmotorik bei mehrfachbehinderten Kindern
Die Entwicklung und Förderung der Handgeschicklichkeit sind wichtig für das Erlernen von lebenspraktischen Fertigkeiten bei mehrfachbehinderten Kindern.Ein Teil der Handgeschicklichkeit: Übungen zur Handkraft und Fingerkraft
Der erste Teilaspekt der Handgeschicklichkeit ist die Hand- und Fingerkraft. In diesem Bereich häufig auftretende Störungen sind beispielsweise Schlaffheit mit damit verbundener Kraftlosigkeit und mangelnder Kraftdosierung oder allgemein zu große oder zu kleine Kraftimpulse und kinästhetische Störungen. Kinder, die zu wenig Hand- und Fingerkraft haben, wirken meist allgemein hypoton und insgesamt schlaff und kraftlos. Die Gelenke der Hand treten oft etwas hervor und lassen sich sehr leicht bewegen. Die Handmuskulatur ist wenig ausgebildet und meist brauchen die Kinder schon bei einfachen feinmotorischen Übungen und geringem Kraftaufwand die zweite Hand als Hilfe und Unterstützung. Sie ermüden rasch und haben Probleme Stifte oder Pinsel zu halten, da sie den Mittel- oder Ringfinger als Unterstützung brauchen. Die Hand heben sie dabei an, um stärker aufdrücken zu können. Es gibt eine Menge einfacher Übungen, um Hand- und Fingerkraft zu trainieren:
- Knautsch- und Antistressbälle
- Papiermachéarbeiten
- Schneideübungen
- Fingerhäkeln
- Wäscheklammern an verschiedene Orte klemmen
- Arbeiten mit Locher, Stempel und Stanzer
- Mit der Knoblauchpresse Spaghetti aus Plastilin herstellen
- Tennisball füttern (Ein Tennisball wird ein Stückchen aufgeschnitten, um ihn z.B. mit Steinen oder Murmeln zu befüllen, muss man ihn fest zusammendrücken)
Schulter- und Ellbogenbeweglichkeit fördern
Häufige Störungen in diesem zweiten Bereich der Handgeschicklichkeit sind Schlaffheit, Steifheit oder kinästhetische Störungen. Hypotone Kinder können keine kraftvollen und dynamischen Bewegungen ausführen. Oft verkrampfen sie sich, um dadurch mehr Tonus aufzubauen. Dadurch ermüden sie rascher und haben oft Schmerzen. Man beobachtet bei diesen Kindern oft, dass sie ihre Schultern nach hinten und oben ziehen, während sie die Ellbogen straff gebeugt haben, was leicht zu Verkrampfungen führt. Kinder mit kinästhetischen Störungen können ihren eigenen Körper oft gar nicht einschätzen und ihre Gelenke und Körperteile nicht richtig koordinieren und somit bestimmte Bewegungsabläufe nicht automatisieren. Hier sind einige Übungen zu diesem Teilaspekt:
- Wurfspiele
- Zielwerfen
- Kreppband (Spiel für mehrere Kinder: Die Kinder müssen sich gegenseitig in einer gewissen Zeit möglichst viele Kreppbandstücke an die Kleidung kleben und sich gleichzeitig wieder davon befreien)
- Gymnastikbänder schwingen
- Großflächige Schwungübungen auf Packpapier mit unterschiedlichen Farben
Handgelenksbeweglichkeit trainieren
Auch in diesem dritten Bereich kann es zu Schlaffheit, Steifheit und kinästhetischen Störungen kommen. Bei hypotonen Kindern sind die Gelenke eher überbeweglich, daher müssen sie bei kräftigen, länger andauernden Bewegungen mit den Händen ihre Gelenke fixieren, um genug Spannung aufzubauen. Dies ist sehr ermüdend, deswegen tendieren diese Kinder dazu, oft weniger mit dem Handgelenk zu arbeiten, aber lieber auf Schulter- und Ellbogengelenk auszuweichen. Bei hypertonen Kindern ist die Handgelenksbeweglichkeit in der Regel sowieso eingeschränkt. Extension und Flexion funktionieren nicht. Schraub- und Drehbewegungen können nicht durchgeführt werden. Folgende Übungen können helfen, diesen Teilaspekt zu trainieren:
- Klatschspiele alleine und mit Partner
- Motorikschleifen und Schiebebilder
- Wolle aufwickeln, Wickelübungen (Pompons)
- Basketball prellen
- Materialien von einer Hand in die andere rieseln lassen
- Schnecken aus Pfeifenputzern drehen
- Dinge umrühren
- Schrauben und Aufziehen
- Schlösser aufsperren
Fingergelenkbeweglichkeit unterstützen und trainieren
Häufige Störungen in diesem Bereich sind Schlaffheit, Steifheit, Verkrampfung, mangelnde und isolierte Bewegungen, mangelnde Koordination und kinästhetische Störungen. Auch in diesem Bereich müssen hypotone Kinder ihre Gelenke versteifen, um mehr Tonus aufzubauen. Hypertone Kinder verkrampfen sich zunehmend, da sie bei vielen Bewegungen mit den Fingern nicht loslassen können. Generell haben Kinder, wenn ihre Fingerbeweglichkeit gestört ist, Probleme, isolierte Fingerbewegungen nachzumachen und feinmotorische Koordinationsleistungen durchzuführen. Auch Pinzetten- und Zangengriff bereiten Schwierigkeiten. Mit folgenden Übungen kann die Fingergelenkbeweglichkeit trainiert werden:
- Locher, Stempel, Stanzer, Klammern
- Fingerfarben (Malen mit allen Fingern, Fingerabdrücke machen)
- Kette aus Büroklammern basteln
- Murmeln zwischen den Fingern rollen
- Spielen mit Fingerpuppen
- Trommeln mit den Fingern
- Krepppapierkugelbilder basteln
- Pinzettenübungen
- Sandbilder
- Tonarbeiten
- Kreisel drehen
- Plastikhüpffrösche
Hand-Hand-Koordination und Dominanz und Übungen zur Förderung
Kinder mit Störungen in diesen beiden Bereichen können ihre Körpermitte nicht kreuzen, haben eine mangelnde Raum- Körpervorstellung und meist verursacht durch eine mangelnde Zusammenarbeit beider Gehirnhälften kommt es zu einer verzögerten Dominanzentwicklung. Die Kinder bewegen ihre Haltehand immer mit, benutzen beide Hände abwechselnd und es ist lange nicht klar, welche nun die Arbeitshand ist, da sie eigentlich ständig beide benutzen aber keine ausreichend als Arbeitshand trainiert wird. Bei einer normalen Entwicklung ist die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Hände schon bei der Geburt festgelegt, trotzdem ist es Trainingssache und die Arbeitshand kann und muss trainiert werden. Bei Kindern mit gestörter Dominanz fällt meist auch auf, dass ihre Rumpfrotation beeinträchtigt ist. Sie können keine Überkreuzbewegungen durchführen und nicht zwischen Rechts und Links unterscheiden, weil sie keinen Unterschied zwischen den Körperhälften spüren. Es ist bei diesen Kindern ratsam, mit dem Training im grobmotorischen Bereich anzufangen, am besten im Turnunterricht. Zusätzlich sind folgende Übungen im feinmotorischen Bereich für die Hand-Hand-Koordination zu empfehlen:
- Pompons wickeln (Wolle um Pappringe wickeln)
- Schneidearbeiten
- Fadenspiele
- Papierfalten
- Rinnbilder (Farbkleckse auf Papier machen, Papier bewegen, damit Farbe verrinnt)
- Gegenstände mit zwei Stäbchen hochheben
- Autorennen: ein Spielzeugauto mit einer Schnur an die Mitte eines Stäbchens binden und durch Schnuraufrollen zu sich herziehen
- Weben
- Nudelholzarbeiten
- Flechten
- Schablonen malen
Taktile und Kinästhetische Wahrnehmung und Förderungsvorschläge
Störungen in diesem siebenten und letzten Teilaspekt der Handgeschicklichkeit wirken sich auf den ganzen Körper aus. Sie zeichnen sich aus durch ungenaues Tast- und Bewegungsempfinden, welches durch Hypo- oder Hypersensibilität ausgelöst wird. Folgende Übungen können zum Trainieren verwendet werden:
- Rasierschaumbilder (Rasierschaum mit beiden Händen auf großen Flächen verteilen)
- Jeden Finger mit Fingerfarben bemalen und Abdrücke machen
- Materialkistensuchspiel (eine Kiste mit einem Material befüllen, einige andere Dinge wie zum Beispiel Bälle darin verstecken, die das Kind ertasten und finden soll)
- Fühlmemorys
- Formen fühlen/ Formen ordnen
- Tastbilderbücher
- mit Plastilin spielen und kneten