Denia Nironen, Friedemann Eckert ...

Denia Nironen, Friedemann Eckert, Bernd Geiling, Sabine Scholze, Raphael Rubino, Melanie Straub (Bild: © HL Böhme)

Der komplizierte Weg zum finalen Glück

Die Bühne ist ein Arrangement aus einem großen Vorhang, vielen Sitzgelegenheiten und üppigen Teppichen. Neben einem rechts postierten Sofa stehen mit goldfarbener Folie überzogene Palmen, die einen Hauch von Exotismus verströmen. Gemütlich soll es aussehen, und zugleich bildet die Bühnenmitte einer Art Showarena für individuelle Auftritte, allen voran Bernd Geiling, der sich in der Vergangenheit für die Rollen von angegreisten Königen empfohlen hat. Hier gibt er, eine Perücke übers schüttere, fast kahle Haupt gestülpt, nun die Darbietung eines Popstars, der sich im Zeitlupentempo bewegt und noch von der Aura früherer Jahre zehrt. Wenn er nicht gerade singt, erzählt er Geschichten. Nicht von ewigen Dingen, sondern vom komplizierten Weg zum ultimativen Orgasmus. Nachdem er bei ihr drin war, hören wir, veränderte er den Rhythmus, um anschließend das Tempo zu beschleunigen mit dem Ziel, das finale ephemere Glücksgefühl besonders intensiv zu erhaschen. Letztlich sind die Informationen über Delikates zu spärlich, andernfalls hätten die Zuschauer vielleicht daraus eine Orgasmus-Therapie ziehen können. Die Enttabuisierung dieses Themas bringt es mit sich, dass intime Berichterstattungen und Bestandsaufnahmen nicht mehr Funken schlagen als eine Schilderung über eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt.

 

Melanie Straub, Raphael Rubino

© HL Böhme

 

Man möchte mehr sein, als man ist

Die Figuren von Raphael Rubino und Denia Nironen finden im Stück zueinander, obwohl sie aufgrund der Gemütsstruktur gar nicht zueinander passen. Nironen wurde ausgestattet als eine Dauerwellenträgerin, die mit cooler Sonnenbrille einen dem Mainstream verpflichteten derben Einschlag zum Ausdruck bringt, und das mit helvetischem Dialekt. Rubino dagegen ist ein Brummbär mit Sensibilität, und, wenn überhaupt, die einzige Figur, die inmitten der Künstlichkeit etwas Authentisches ausstrahlt. Und künstlich sind wirklich alle, weil sie einem Ideal hinterherstreben, das sie nie erreichen, und gleichzeitig den anvisierten Partner idealisieren. Sie wähnen sich als Popstars, glauben etwas Bedeutendes zu sein, bleiben aber in der Profanität des Alltags stecken und kranken an ihrer Selbstungenügsamkeit. Das Leben als Traumwelt: Man möchte mehr sein, als man ist. Untermalt wird das Ganze durch zahlreiche Lieder, die nur jenen bekannt sind, die in den Schmalzregionen bewandert sind. Aber diese Produktion wird durch die Musik, die erhabene Gefühle an die Oberfläche spülen soll, nicht gesteigert. "Tainted Love" von Soft Cell klingt zwar schön, handelt aber letztlich von verdorbener Liebe, vom Wegrennen, von Enttäuschung. Und Enttäuschungen lauern an jeder Ecke, das gilt vor allem für die Figur von Melanie Straub, die mit ihrem Partner (Friedemann Eckert) ‚irgendwie' liiert ist, aber in der letzten Viertelstunde in eine unerträgliche Heulorgie ausbricht. Tragisch ist das, was Straub, die ihre roten Haare unter einer wasserstoffblonden modischen Kurzhaar-Perücke versteckt, da abliefert. Und am Ende gesteht Rubino seiner Geliebten (Denia Nironen), dass er gar nichts hat, keinen Führerschein, kein Moped usw. Schluss mit der Selbsterhöhung: Er bietet sich quasi hüllenlos an, und sie gehen miteinander weg. Große Gefühle? Hier könnte ein Stück Wärme bei den Zuschauern zurückbleiben. Ansonsten ist es eine sehr leichtfüßige Inszenierung, die hauptsächlich unterhalten will, ohne in die Tiefendimensionen vorzustoßen.

Der Rest ist Geigen – ein Popstück

...über die Suche nach dem großen Gefühl

Unter Verwendung von "Ganze Tage, ganze Nächte" von Xavier Durringer

Deutsch: Alain Jadot und Andreas Jandl

Regie: Barbara Bürk, Musikalische Leitung: Markus Reschtnefki, Bühne + Kostüme: Anke Grot, Dramaturgie: Ute Scharfenberg.

Es spielen: Denia Nironen, Melanie Straub, Raphael Rubino, Bernd Geiling, Friedemann Eckert, Sabine Scholze, Flügel: Markus Reschtnefki.

Hans Otto Theater Potsdam

Premiere vom 4.Juni 2015

Dauer: 90 Minuten

 

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