Claudia, Renner, Rita Feldmeier ...

Claudia, Renner, Rita Feldmeier, Meike Finck, Marianna Linden, Peter Pagel, Nina Gummich, Wolfgang Vogler, Raphael Rubino, Michael Schrodt, René Schwittay (Bild: @ HL Böhme)

Das wahre Liebesglück ist flüchtig

Ein großer Baum mit wild wuchernden Ästen und Blättern nimmt das Bühnenbild ein (Anne Neuser). Eine wunderschöne Atmosphäre, idyllisch, bezaubernd illuminiert wie in einem der Renaissance verplichteten Romantik-Club. Im Anfang ist ein Reigen: Die Schauspieler*innen stehen im Kreis und fassen sich an den Händen. Das ist Geborgenheit in der Gemeinschaft, der paradiesische Urzustand, der harmonisch gesinnte, von Schuld und Gewissen befreite präadamitische Mensch. Wer in der Jugend in der Hippie-Szene verankert war, kennt solche Szenen. Gebrochen wird das Ganze durch entfesseltes Headbanging (Kopfschütteln), als sei der Harmonierausch in eine Heavy-Metal-Veranstaltung übergegangen. Die Szene bricht schroff ab und die Nicht-Wiedervereinigung setzt ein. Da ist zum Beispiel eine Frau, die aus strategischen Gründen ihren Mann die Liebe aufkündigt, nur um in einigen Tagen durch eine Wiedervereinigung das pulsierende Herz anzukurbeln. Leider entgeht ihrer Aufmerksamkeit, dass der Auserwählte erloschen über ihr am Baum hängt. Nun, wenn ein Partner aus taktischen Motiven zu spielen beginnt, gefriert gelegentlich das Herz – oder es resigniert. Die Gefahr, dass bei derartigen sketchartigen Szenen das Boulevard nicht nur gestreift wird, ist jederzeit gegeben: Ein Paar befindet sich inmitten der Hochzeitsfeierlichkeiten und plötzlich taucht die Schwester (Nina Gummich) auf und behauptet, der Bräutigam habe sie geküsst und sei in Wahrheit der für sie Bestimmte. Angeblich habe er noch die beiden anderen Schwestern geküsst – so wird das Ganze ad aburdum getrieben. Solche Einlagen erinnern stark ans Berliner Kudamm-Theater, wo sich Rita Feldmeier, die hier nicht mitspielt, bestens auskennt.

 

Claudia Renner, Raphael Rubino, Nina Gummich

@ HL Böhme

 

 

Übersteigerte Leichtfüßigkeit

Der Regisseur Otteni gibt den Schauspieler*innen genug Gelegenheit, sich zu profilieren. Meike Finck, die es nicht lassen kann, ihre körperbetonte Sinnlichkeit auf die Bühne zu transportieren, überzeugt genauso als traurige Tragödin wie als facettenreiche Komödiantin. Sie kann auch Normalität wie eine x-beliebige Oma Krause: In einem langweiligen Blümchenkleid sitzt sie wie die Oberspießerin neben Wolfgang Vogler. Nina Gummich, die mit ihren 25 Jahren schon einige TV-Erfahrungen gesammelt hat, agiert in ihrem Pepita-Rock mit routiniertem Virtuosentum, manchmal auch mit derbem Einschlag. Und Marianna Linden, die mit ihrer Vogelnase im Profil wie ein Adler aussieht, erprobt die unterschiedlichsten Gesichtsvarianten. Gewiss, man kann sich an den darstellerischen Leistungen ergötzen: Der rasant vollglatzige Michael Schrodt in einer Parnerschaft mit Renè Schwittay. Schrodts Figur liebt, aber die Liebe reicht ihm nicht aus, er will mehr, obwohl er nicht weiß, was er will, vielleicht eine Überfülle an Liebe, die im bedauerlicherweise nicht gewährt wird. Also verlässt er den entsetzten Partner. Das alles ist lustig und humorvoll und schön anzusehen. Manch einer mag sich in den gezeigten Szenen an die eigene Partnerschaft erinnern und sich wiedererkennen. Es wird leichtfüßig erzählt und gespielt, aber das ist auch ein Problem: Die Leichtfüßigkeit schießt etwas übers Ziel hinaus. Das Analytische, das zum tiefergehenden Reflektieren inspiriert, fehlt gänzlich. So bleibt es bei einem amüsanten Unterhaltungstheater.

Die Wiedervereinigung der beiden Koreas

von Joël Pommerat

Deutsch von Isabelle Rivoal

Regie: Stefan Otteni, Bühne: Anne Neuser, Kostüme: Sonja Albartus, Dramaturgie: Helge Hübner.

Es spielen: Peter Pagel, Marianna Linden, Meike Finck, René Schwittay, Raphael Rubino, Wolfgang Vogler, Michael Schrodt, Nina Gummich, Rita Feldmeier, Frédéric Brossier, Claudia Renner.

Hans Otto Theater Potsdam

Premiere war am 8. Oktober 2016, Kritik vom 22. Oktober 2016

Dauer: 2 Stunden 40 Minuten, eine Pause

 

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