Arne Lenk (Konrad Meiler), Katrin ...

Arne Lenk (Konrad Meiler), Katrin Hauptmann (Linda Franzen), Jon-Kaare Koppe (Rudolf Gombrowski), René Schwittay (Pilz) (Bild: © HL Böhme)

Ein Dorf, zerstritten aufgrund Individualinteressen

Der Intendant und Regisseur Tobias Wellemeyer bestreitet seine Inszenierung mit einem Großaufwand an Personal, allein René Schwittay hat vier, wenn auch kleine Rollen. Jene Zuschauer*innen, die den dicken Roman von Juli Zeh nicht gelesen haben, werden rasch ins Bild gesetzt und haben es mit zwei unerbittlichen Widersachern zu tun. Da ist der kapitalistisch orientierte Gombrowski ( Jon-Kaare Koppe), heute Chef der Ökologica, einer ehemaligen LPG, die 1991 dem alten Sozialisten Kron entrissen wurde. Ihr Privatkrieg herrscht seit dem kalten Krieg und der Kampf ums Grundstück ist nun aufs neue entbrannt. Hinzu kommt ein weiterer Grundstücksbesitzer und Spekulant aus Ingolstadt (Arne Lenk), der von baren Geschäftsinteressen angetrieben wird und am Tohuwabohu im Dorf nicht den geringsten Anteil nimmt. Genauso wenig wie Linda Franzen (Katrin Hauptmann), die vom ungewöhnlich fleischoffensiven Wellemeyer und von Ines Burisch (Kostüme) halbnackt auf die Bühne geschickt wird, aber meistens tritt sie in Reitstiefeln auf, denn sie ist eine Pferde-Närring und möchte auf ihrer Parzelle ein Pferde-Paradies errichten. Die starke Katrin Hauptmann spielt mit viel Energie und Verve und bezieht ihre leistungsorientierte Lebenseinstellung aus einer Lektüre, die sie zur Strahlefrau macht, indem sie die Dorfprobleme intervallartig auslöscht. Koppe: Nüchtern, äußere Kälte, berechnend, kühl kalkulierend und zukunftszugewandt. Das krasse Gegenteil von Dauer-Kontrahent Kron, den Christoph Hohmann hinlegt als einen aufbrausenden, leicht polternden Rebellen, der sich von spontanen Entschlüssen dirigieren lässt.

 

Katrin Hauptmann (Linda Franzen), Christoph Hohmann (Kron), Roland Kuchenbuch (Jacob), Marianna Linden (Kathrin Kron-Hübschke), Arne Lenk (Konrad Meiler, liegend)

© HL Böhme

 

 

 

Alte Wunden werden aufgerissen

Alte Geschichten treten wieder an die Oberfläche. Die Tatsache, dass Kron hinkt, hat er Gombrowski zu verdanken, der einst den KFZ-Mechaniker und Freund Schaller (René Schwittay) zu einem besonderen Einsatz losschickte. Zwei Reifen liegen auf der Bühne, abgefackelt von Schaller, ohne sich um die unmittelbare Nachbarschaft zu kümmern. Auch ist es im Zuge der LPG-Umwandlung 1991 zu einem Mord gekommen, der immer noch im Dunkeln liegt. Trotzdem ist die Inszenierung alles andere als ein Krimi: Das Wirtschaftsobjekt Windpark ist es, der den alten Dorf-Zwietracht zu einem immerglühenden Flächenbrand ausweiten lässt. Ein Dorfkrieg ist entfacht, alte, längst nicht vernarbte Wunden werden aufgerissen, zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen, zwischen fortschrittlichen Zukunftsvisionären und rückwärtsgewandten Saboteuren, ein Kampf, in dem egoistische Belange sich ungestüm und hemmungslos Luft verschaffen. Wie der Wind sich dreht, so werden die Lager gewechselt. Der Öko-Vertreter Fließ (Bernd Geiling) steht dazwischen und hat als persönliches Programm nur den Vogelschutz anzubieten, alles andere ist ihm egal. Privat schaut er sich gern den nackten Rücken der mit hohen Hacken bewaffneten Gattin (Zora Klostermann) an. Die Darstellung eines solchen Panoramas kann schnell schiefgehen – Wellemeyer schafft es, eine bühnentaugliche Version abzuliefern. Es ist kein Meisterwerk, zuweilen etwas langatmig, aber auch flott und in einigen Sequenzen packend.

 

Unterleuten

von Juli Zeh

Bearbeitung Ute Scharfenberg

Regie: Tobias Wellemeyer, Dramaturgie: Ute Scharfenberg, Bühne: Alexander Wolf, Kostüme: Ines Burisch, Musik & Sounddesign: Marc Eisenschink.

Es spielen: Katrin Hauptmann, Marianna Linden, Jon-Kaare Koppe, Bernd Geiling, Christoph Hohmann, René Schwittay, Zora Klostermann, Raphael Rubino, Rita Feldmeier, Johannes Heinrichs, Arne Lenk, Leonie Rainer, Roland Kuchenbuch, Elisabeth Bellé/ Charlotte Hübner.

Hans Otto Theater Potsdam, Premiere vom 19. Januar 2018

Dauer: 2 Stunden, 45 Minuten, eine Pause.

 

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