Florian Schmidtke, Jan Kersjes ...

Florian Schmidtke, Jan Kersjes, Rita Feldmeier, Meike Finck (Bild: © HL Böhme)

Man lebt nur noch auf Pump

Geld adelt – den Eindruck erhält man von den Güllener Bürgern, die Claire wie eine Halbgöttin empfangen. Heroisch wirkt sie nicht, auch nicht allmächtig. Rita Feldmeier als Claire spielt ihre Rolle mit sachlicher Würde, das Aristokratische und Arrogante fehlen weitgehend. Sie ist bereit, eine Milliarde zu spenden – für den Kopf von Alfred Ill. Selbstverständlich sind alle Einheimischen empört, schließlich ist man hochmoralisch, das hat man sich wenigstens noch bewahrt. Doch schon am nächsten Tag wird überall auf Kredit eingekauft, auch bei dem verstörten Alfred lässt man frohgemut anschreiben. Ein künstlicher Wohlstand entsteht, Güllen ist plötzlich eine Pumpwerkstatt. Nicht, dass man Ill den Kopf wünschte. Die Bürgerinnen und Bürger scheinen der Ansicht zu sein, dass sich alles irgendwie einrenken lasse, wahrscheinlich auf diplomatischem Weg. Aber nach und nach wird Ill im Bewusstsein der Leute zum Verräter: Er hat schließlich das Gericht betrogen und dadurch die hehre Claire vertrieben. Jäh ist er eine suspekte Person, die für das Unglück von Güllen verantwortlich ist. Florian Schmidtke als Lehrer ahnt, was passieren wird und betrinkt sich unausgesetzt, weil er trotz seines Humanismus das erwartbare Schicksal Ills voraussieht – und es insgeheim auch erhofft. Peter Pagel spielt den Bedrohten: Betroffen, leicht paralysiert und doch aufbegehrend. Leider auch etwas farblos – man hat ihn schon besser gesehen.

 

Peter Pagel (Ill), Rita Feldmeier (Claire Zachanassian), Jan Kersjes (Panther)

© HL Böhme

 

Eine Provinzposse als Medienspektakel

Nach der Pause sehen die Bühnenakteure wesentlich jünger aus, als hätten sie sich an einem Jungbrunnen gelabt. Sie erscheinen als saturierte Bürger, Hoffnung keimt wieder auf, ja Sehnsüchte nach den guten alten Zeiten. Das ist der eine Ansatz von Niklas Ritter: Materieller Wohlstand führt zu radikaler geistiger und äußerlicher Verjüngung. Eher verunglückt wirken die eingeschobenen antiken Chöre und der (Sprech-)Gesang, einmal wird auf der Bühne discomäßig herumgehampelt. Was sich Ritter bei den Butlern Koby und Loby einfallen lässt, ist nicht einmal diskutabel. Jan Kersjes spielt beide in einer Person, mit Doppelkopf und schriller Eunuchen-Stimme. Besagter Schauspieler wird zusätzlich als Medien-Showmaster eingesetzt. Und das ist der zweite Ansatz von Ritter: Eine Provinzposse als Medienspektakel. Das Fernsehen ist mit dabei und macht aus einem Maulwurfshügel einen Berg, indem das Ganze als pompöse Feierlichkeit zelebriert wird. Vergleiche mit der aktuellen Berichterstattung der sensationslüsternen Medien sind wohl nicht rein zufällig, sondern beabsichtigt. Doch letztlich ist die Inszenierung zu deutlich, zu überzeichnet das Spiel. Nicht selten schwappt es über zur Groteske, zur humorvoll-ironischen Parodie, und das trotz des dargestellten Ernstes. Klar, dass Ill am Ende hingerichtet wird, zuvor hatte ihm der Bürgermeister (Jon-Kaare Koppe) bereits einen Selbstmord gebieterisch nahegelegt. Um die Fassade zu wahren, erfolgt das Urteil in einer Gerichtsverhandlung – und die ist im Rechtsstaat unanfechtbar. Der Wille zur wohlfeilen Unterhaltung war wohl das maßgebliche Ziel des Regisseurs. Er hat einige gute Einfälle, aber am Ende bleibt bestenfalls Mittelmaß.

Der Besuch der alten Dame

von Friedrich Dürrenmatt

Regie: Niklas Ritter, Bühne: Alissa Kolbusch, Kostüme: Ines Burisch, Musik: Jan Kersjes, Dramaturgie: Nadja Hess.

Es spielen: Peter Pagel, Meike Finck, Franziska Melzer, Rita Feldmeier, Mara Sichrovsky, Wolfgang Vogler, Alexander Finkenwirth, Florian Schmidtke, Jon-Kaare Koppe, Jan Kersjes.

Hans Otto Theater Potsdam

Premiere vom 5. Februar 2016

Dauer: 2 Stunden 45 Minuten, eine Pause

 

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