Melanie Straub (Olga), René ...

Melanie Straub (Olga), René Schwittay (Andrej Sergejewitsch), Nina Gummich (Irina), Wolfgang Vogler (Werschinin), Marianna Linden (Mascha) (Bild: © HL Böhme)

Werbeaktivitäten prallen ab

Wellemeyer verwendet noch einen weiteren Kunstgriff. Die Rede ist von der Musik, vom Soundtrack. Bei seinen Drei Schwestern ist die Musik eindeutig ein Gefühlsverstärker, und das ist in Film und Theater gang und gäbe, also ein legitimes Mittel. Der Regisseur setzt sphärische Klänge ein, die vor allem kurz vor der Pause zur vollen Entfaltung gelangen. Nina Gummich als 20-jährige, leicht derbe Irina sitzt da und haucht ein "Nach Moskau" aus, als sei dieser Wunsch von einer ungeahnten Romantik umwoben. Die Klänge tun ihr Übriges, und wohl nur schwerfällige Gemüter werden hiervon nicht berührt. Olga (Melanie Straub), die älteste Schwester, hat es nicht so sehr mit der Liebe, arbeitet in einer Schule und bringt es am Ende zur Schuldirektorin, empfindet den kleinen Triumph aber eher als Niederlage. Der Waiblingen-Import Straub ist die einzige Tragödin unter den Schwestern, nicht wegen des Textes: Ihre Spielweise ist so angelegt. Marianna Linden als die "mittlere" Mascha setzt ihre Gesichtsmuskeln ziemlich sporadisch ein, ist mit dem Langweiler und Großmaul Kulygin (Jon-Kaare Koppe) verheiratet, wird aber trotz ihres zugewachsenen Herzens von den Militärs Leutnant Tusenbach (Friedemann Eckert) und Stabskapitän Soljonyj (Florian Schmidke) umworben. Tusenbach ist aufgrund Optik und Verhalten eine einzige Karikatur und Solyonyj versucht es gar mit einem veritablen Fußfall vor der Angebeteten. Letztlich duellieren sich die beiden Kontrahenten. Und Mascha? Der gutaussehende, indolente Betonklotz zieht sich zwischenzeitlich lieber einen weißen Pelzmantel an. Vermutlich ist es der selbe Umhang wie in Wellemeyers Krebsstation, der ihr damals schon übergestreift wurde. Nach langer Schonzeit im Kostümlager wurde er vermutlich entstaubt.

 

Marianna Linden (Mascha), Melanie Straub (Olga), Nina Gummich (Irina)

© HL Böhme

 

Die Luft ist raus im Luftschloss

Die drei Schwestern haben auch einen Bruder. Andrej heißt er und wird von René Schwittay gespielt, der einen beruflichen Versager darzustellen hat und aus Übertünchungs- und Rehabilitierungsgründen die standesniedrige Natascha heiratet. Der halb Nobilitierten, die die Schwestern wortdröhnend zurückdrängt, gelingt rasch eine Machtergreifung im Haus. Larissa Aimée Breidbach versucht das krawallig, mit Plumpheit und leichtem Sex-Appeal. Ein halbherziges Unterfangen der Regie, denn es fehlt ein wenig an Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit. Nun, ein Teufel im Paradies ist das nicht: Alles ist ohnehin nur ein Luftschloss. Andrej, der gegen Ende schon den zweiten Kinderwagen schiebt, verspielt – selbstverständlich aus genuiner Langeweile – das Haus und nimmt eine Hypothek auf. Wer mitten im Leben steht, den könnte das von einer triumphalen individuellen Flucht nach Moskau kaum abhalten, doch die Antriebskräfte sind endgültig gebrochen. Der von Christoph Hohmann gespielte Militärarzt hat das im Geist vorweggenommen: Schon vor dem finalen finanziellen Zusammenbruch beginnt er wieder mit dem Saufen. Nach der Pause hat die Inszenierung eine gewisse Zackigkeit erlangt, das tut ihr und den Zuschauern ganz gut. Inhaltlich verbessert sich indes gar nichts. Insgesamt machen die Schwestern aus einem Maulwurfshügel einen Berg. Ihre Resignation ist nach Wellemeyers Interpretation ein Innerlichkeitsproblem. Man ist liebeswillig, weist aber die Liebe zurück. Eine tiefgründige Seelenstudie ist dieser Abend nicht. Es ist eine goutierbare und passable Inszenierung, mehr nicht.

Drei Schwestern

Anton Tschechow

Aus dem Russischen von Ulrike Zimmer

Regie: Tobias Wellemeyer, Bühne: Harald Thor, Kostüme: Tanja Hofmann, Musik: Marc Eisenschink, Dramaturgie: Christopher Hanf.

Es spielen: Marianna Linden, Melanie Straub, Nina Gummich, Larissa Aimée Breidbach, René Schwittay, Jon-Kaarre Koppe, Roland Kuchenbuch, Christoph Hohmann, Raphael Rubino, Wolfgang Vogler, Florian Schmidtke, Friedemann Eckert, Sabine Scholze.

Hans Otto Theater Potsdam

Premiere vom 8. April 2016

Dauer: ca. 3 Stunden, eine Pause

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