Frédéric Brossier (Demetrius) ...

Frédéric Brossier (Demetrius), Patrizia Carlucci (Hermia), Nina Gummich (Helena) und Alexander Finkenwirth (Lysander) (Bild: © HL Böhme)

Die Liebesalbe kommt aus einem Feuerlöscher

Das anfängliche Bühnenbild ist ein harmloses Desaster, vergleichbar einem Boulevardtheater in der Hinterprovinz. Ein kitschiger Palast ragt auf, daneben ruinenhafte Säulen und ein gewaltiges Buschwerk. Zum Glück wird der bemalte Vorhang bald heruntergezogen und weicht einem facettenreichen Gitterbau mit etlichen Accessoires und Requisiten. Holger Bülow, der in der nächsten Saison ans Staatsschauspiel Dresden abwandert, spielt den Puck, und er macht seine Sache gut. Eine kupferrote Perücke tragend, sieht er mit seinem Glitzerkostüm aus wie David Bowie Anfang der 70er-Jahre. Seine liebeskrank machende Blume ist ein roter Feuerlöscher, der weißen Schaum versprüht und in fataler Weise in das zerrüttete Liebesverhältnis der Elfenkönige Oberon (René Schwittay) und Titania (Marianna Linden) eingreift. Auf Oberons Wunsch wird Zettel (Raphael Rubino) in einen Esel verwandelt und Titania verliebt sich ob des Liebeschaums in die pervertierte Mensch-Tier-Gestalt. Der wuchtige Rubino trägt eine graue Perücke, die nach der Metamorphose mit zwei riesigen Eselsohren ausgestattet ist. Rubino lallt und wispert durch scharfe, hervorspringende Hasenzähne. Und Titania ist unglücklich verzaubert. Ansonsten kapriziert sich Marianna Linden auf eine mit Verve gespielte Divarolle, bei der ihr, im Vergleich zu anderen Potsdamer Auftritten, beinahe Flügel gewachsen sind. Die optischen Verwandlungen der Schauspieler*innen, von denen einige Doppelrollen übernommen haben, sind meistens gut gelungen: Die Kostümfrau Regina Fraas hat mit ihrer sprudelnden Phantasie vieles richtig gemacht. Rita Feldmeier beispielsweise trägt quer über dem Kopf einen Federbusch und dazu einen bizarren spinnennetzartigen Reifrock.

 

Marianna Linden (Titania) auf René Schwittay (Oberon)

© HL Böhme

 

Liebe muss entwirrt werden und braucht offensichtlich Zeit

Das Theater im Theater (Meike Finck, Raphael Rubino, Peter Pagel, David Kramer, René Schwittay) fällt ein wenig ab. Die mittlerweile kurzhaarige Meike Finck als spielende Spielleiterin schafft es nach langer Zeit einmal, kein Sinnlichkeit in ihre Rolle einzubauen. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Kuddelmuddel, das durch die Verzauberung und Entzauberung der liebenden Paare entsteht. Patrizia Carlucci als Hermia lässt den verliebten Lysander (Alexander Finkenwirth) in einer für die Liebe wie geschaffenen Nacht abblitzen, da sie anscheinend weiblich-traditionell Zeit braucht für die beabsichtigte glutvollere Erfüllung in der Zukunft. Eine Liebe konterkariert die heutzutage gepriesene Durchschlagskraft der Wirtschaft: Hier regiert die Schnelligkeit, dort der lange Atem. Wenn ihm nicht die Luft ausgeht – aber das passiert in diesem Stück nicht. Das andere Paar, Nina Gummich und der Neuling Frédéric Brossier, hangelt auch etwas mit den Gefühlen herum und knuddelt vorerst mit Shakespeares Reimversen. Dazwischen fummelt René Schwittays Oberon mit kraftvollem Oberarm-Ringtatoo und martialischem Wickingerhelm. Trotzdem steht das vielfigurige, verwechslungsanfällige Stück plastisch vor den Augen der Zuschauer. Kerstin Kuschs Inszenierung kommt mit spielerischer Leichtigkeit daher und wirkt phasenweise improvisiert, obwohl die professionelle Routine jederzeit durchschimmert. Der Kritiker hat das vielgespielte Werk nur dreimal gesehen. In der Berliner Schaubühne (Regie Thomas Ostermeier) und im Badischen Staatstheater zu Karlsruhe (Regie Daniel Pfluger), dazu die 1999 erfolgte Verfilmung von Michael Hoffmann. Die Version in Potsdam ist mit Abstand die beste.

Ein Sommernachtstraum

von William Shakespeare

Übersetzung von Jürgen Gosch, Angela Schanelec und Wolfgang Wiens.

Regie: Kerstin Kusch, Bühne: Matthias Müller, Kostüme: Regina Fraas, Dramaturgie: Carola Gerbert.

Es spielen: Patrizia Carlucci, Marianna Linden, Axel Sichrovsky, Rita Feldmeier, Holger Bülow, Nina Gummich, Alexander Finkenwirth, Frédéric Brossier, Meike Finck, Raphael Rubino, Peter Pagel, David Kramer, René Schwittay.

Hans Otto Theater Potsdam, Gasometer

Premiere war am 17. Juni 2016, Kritik vom 9 Juli 2016

Dauer: Zwei Stunden, 35 Minuten, eine Pause


 

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