Im Vordergrung: Alexander ...

Im Vordergrung: Alexander Finkenwirth als Hamlet (Bild: © HL Böhme)

Ein hartnäckiger Geist

Während dieser Szene wird Hamlet wieder vom Geist seines Vaters (Philipp Hohmann) heimgesucht. Bei Regisseur Nerlich handelt es sich um einen besonders hartnäckigen, gleichsam archaischen Geist, der bohrt, insistiert, die hehre Pflicht zur Vergeltung anordnet und auch mal in einem schlabberigen Bademantel umherwandelt, als habe er seine Würde eingebüßt. Hamlet redet exaltiert und enerviert auf den Geist ein, der für Gertrud unsichtbar ist – deshalb hält sie ihren Sohn auch für verrückt. Meike Finck spielt wie immer sehr physisch, ihre Gertrud ist geprägt von einem zurückgehaltenen Feuer, das nur untergründig lodert. Wenn es mal nicht so dramatisch zugeht, bewegt sie sich wie auf einem Opernball für Parvenüs. Ein transparentes Oberteil tragend, durchsichtig wie ein Schleier, präsentiert sie ihren Busen, auf den Claudius (Wolfgang Vogler) wie ein Knecht der Liebe einen verhuschten Kuss draufdrückt. Vogler agiert nicht wie ein tyrannischer Wüterich, er besitzt die Gabe der Verstellung und ist teilweise wie ein Gentleman gekleidet, dem nicht zu entgehen scheint, was en vogue ist.

 

Zora Klostermann (Ophelia), Eddie Irle (Laertes)

© HL Böhme

 

Hamlet versteht sich auf den Holzhammer

Es mag ein wenig verwundern, dass Alexander Finkenwirth die Rolle des Hamlet spielen darf. Erst seit der Spielzeit 2013/14 gehört er fest zum Ensemble, davor war er noch Theaterhochschulstudent und spielte in Wulf Twiehaus' Die Räuber mit. Nun, Finkenwirth hat den Aufstieg geschafft und scheint nun alles daran zu setzen, das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen und einen unauslöschlichen Auftritt hinzulegen. Viel Herzblut, aber auch ein Schuss Übermotiviertheit. Die Rezeption hat Hamlet mitunter Überreflektiertheit, Zögerlichkeit und Selbstzweifel vorgeworfen – dieser Hamlet ist trotz seines Sinnierens ein Handelnder, der wenn auch über Umwege zu seinem Ziel gelangen will. Das Schloss Helsingör wird durch seine Beharrlichkeit zu einem Schlachthaus. Das einzige Instrument, dessen Klaviatur er am besten versteht, ist der Holzhammer, weil ihm Biegsamkeit und Geschmeidigkeit im Umgang völlig abgehen. Seine Ophelia (Zora Klostermann) gibt er quasi für ein höheres Ziel auf und sie stürzt in den Abgrund. Obwohl sie, nun nicht mehr kichernd, ins Wasser geht, fehlt bei ihr die Dramatik. Die Figur ist wie ein Schattengewächs, mit zu viel Naivität überklebt.

 

Alexander Finkenwirth (Hamlet), Eddie Irle (Laertes)

© HL Böhme

 

Grandiose Bilder

Wer beim großen Finale Giftschalen und einen Degenkampf mit Laertes (Eddie Irle) erwartet hat, muss sich mit einer Art Faustkampf begnügen. Brachialgewalt statt feine, elegante Fechthiebe. Das majestätische Hofpersonal wird hinweggerafft, aber leider wirkt der Schluss wie ein übergestülpter Anhang oder Epilog. Immerhin, das Bühnenbild hat etwas Kolossales, Überwältigendes, vor allem dann, wenn die hoch aufgetürmten Spiegelwände eingesetzt werden. Durch die Spiegelungen entstehen grandiose Bilder, die das Geschehen verdoppeln und das Schloss in einen mythischen, leicht schauderhaften Ort verwandeln. Nerlich geht es hier viel um Fluidum und Stimmung, aber ein Seelenfänger wird er dadurch nicht. Die Deklamationen der Schauspieler wirken manchmal nur wie eine Pflichterfüllung – Gesten zählen hier mehr als Worte - und machen dem aktionsgeladenen, blutigen Getriebe Platz. Trotz der Imposanz des Ganzen fehlt der Faden, der die phasenweise lediglich abgehakten Szenen zusammenfügt. Es ist nicht alles aus einem Guss, trotzdem bleibt ein großer Gesamteindruck haften.

Hamlet
von William Shakespeare
Deutsch von Angela Schanelec und Jürgen Gosch
Regie: Alexander Nerlich, Bühne und Kostüme: Wolfgang Menardi, Musik und Sounddesign: Malte Preuß, Kampfchoreographie: Atef Vogel, Dramaturgie: Helge Hübner.
Mit: Bernd Geiling, Meike Finck, Wolfgang Vogler Alexander Finkenwirth, Zora Klostermann, Christoph Hohmann, Friedemann Eckert, Eddie Irle, Dennis Herrmann, Philipp Mauritz.

Hans Otto Theater Potsdam

Premiere: 30.Januar 2015
Dauer: ca. 3 Stunden, 10 Minuten, eine Pause

 

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