Ein Maskenball inklusive Verführung

Ein Maskenball inklusive Verführung (Bild: © HL Böhme)

Flüchtige Entladungen eines Staudamms

Dennis Herrmann als Max von Reisenberg liebt an allen Fronten, zuerst Aurelie, dann Judith und schließlich Seraphine. Mehr als flüchtige Entladungen des angestauten Triebs springen nicht heraus, dennoch fallen die Frauen wie unter Trance auf den eingebildeten, von wilder Hast motivierten Blender und Großerben herein. Max rekurriert nicht auf die scheinbar hehre Vergangenheit Kakaniens, er kennt auch keine Zukunft, allein das Heute zählt. Ist nicht morgen das gestern von übermorgen? Bedauerlicherweise kann Dennis Herrmann keinen authentischen Charme versprühen, deshalb bleibt sein Reiz auf Frauen nur eine Behauptung, die sich nicht einlösen lässt. Zuweilen grenzt er an die Karikatur eines Ausstrahlungsmächtigen, der sein Fluidum eingepackt hat und das oberflächliche Party-Geschwätz goutiert, um halbverdörrte anfällige Herzkammern für sich einzunehmen, auf dass sie in entflammter Glut pulsieren – und dann psychisch erlöschen.

 

In den Fluten

Melanie Straub und Axel Sichrowsky

© HL Böhme

 

Denia Nironen legt in Potsdam ihr Debüt ab und ersetzt die von Abwanderungsgedanken getragene Elzemarieke de Vos, die neuerdings das Fernsehen und den Film für sich entdeckt hat. Ein würdiger Ersatz, der rein optisch Kristina Pauls etwas nahe kommt und sich gut ins Team integriert. Nironens Judith, eine weitreisende Sängerin, ist weitgehend souverän und bestimmt die Richtlinien, denen sich auch der begierige Max zu beugen hat. Ihre Gestik oszilliert zwischen Minimalismus und Übertriebenheit. Ganz anders Melanie Straub als Aurelie: Die feinsten Facetten spielen sich in ihrem Gesicht ab, eine ungestüme Sehnsucht ins Vollkommene, zugleich kryptisch und leidend. Zunächst kommt sie in voller Leder-Montur mit Motorradhelm daher, danach agiert sie als weißgekleidete Märchenfee, die sich in der Unerfülltheit nostalgisch verbrämter Träume windet. Sie leidet an der nie gesättigten Seele, die immer hungrig ist und sich anklammern möchte und nicht für ephemere Quickies gemacht ist. Am Ende geht sie resigniert ins Wasser, die Fluten überrollen sie.

 

Ausstellung der Figuren

Wellemeyer, der auf pausengefüllte, gedehnte Inszenierungen Wert legt, wollte die Degeneration des österreichischen Adels vor dem 1.Weltkrieg darstellen, doch sein Beitrag zu diesem Thema ist ihm nicht ganz gelungen. Warum hat er nicht "Der Schwierige" von Hugo von Hofmannsthal genommen? Wohlstandsbürger feiern unbeschwert vor der Apokalypse und es fällt der bei diesem Stück oft zitierte Spruch, der hier noch einmal wiederholt wird: "Der Krieg ist ein Jungbrunnen für die Menschheit". Am dänischen Strand versammeln sich die Wohlstandsbürger, aber als die Katastrophe hereinbricht flüchten sie, jeder auf seine plötzlich ungeneröse Art. Alles ist zusammengebrochen, doch man nimmt es dem Regisseur nicht ab, zu leicht und unbefangen bewegen sich die Figuren, die oftmals nur ausgestellt werden. Trotzdem ist es ein Theater, das mehr Zuschauer verdient hat - das Problem liegt wohl auch an der mangelnden Infrastruktur.

 

Komödie der Verführung

Von Arthur Schnitzler

Regie: Tobias Wellemeyer, Bühne: Harald Thor, Kostüme: Tanja Hofmann, Dramaturgie: Remsi Al Khalisi.

Es spielen: Melanie Straub, Denia Nironen, Claudia Renner, Dennis Herrmann, Christoph Hohmann, Raphael Rubino, Michael Schrodt, Axel Sichrowsky, Wolfgang Vogler, Meike Finck, Jon-Kaare Koppe, Rita Feldmeier, Philipp Mauritz, Zora Klostermann, Bernd Geiling.

Hans Otto Theater Potsdam

Dauer: 2 Stunden 45 Minuten, eine Pause

 

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