Christiane Hagedorn (Lady Torrance) ...

Christiane Hagedorn (Lady Torrance) und Holger Bülow (Val Xavier) (Bild: © HL Böhme)

Stiletto und barfuß

Holger Bülow, der nach zwei Jahren Kölner Stadttheater unter Karin Beier wieder in Potsdam gelandet ist, spielt diesen Lederhosenmann, der wegen seiner scheinbaren Andersartigkeit die selbsternannte Rebellin und Vagabundin Carol in leichte Wallung versetzt. Melanie Straub, ein fragiles Klappergestell, bietet zwar ihre langen Beine, aber hält sich ansonsten mit der Erotik zurück – zu sehr ist sie von einer traurig-süßen Wehmut angeweht. Carols rebellisches Wesen erstickt förmlich in der kleinbürgerlichen Enge. Aus ihren umwölkten Augen rinnt der Schmerz, ihr Blick ist verquollen und trauerdurchtränkt und bitter, als wolle sie alle Götter der Welt um Erbarmung bitten. Mag die party-affine, im Grunde lebensdurstige Frau auch um das Hineinfinden in die Rührseligkeit ringen – ausdrucksvoll ist das schon. Ein Labsal für die Finsternis, schön anzusehen. Melanie Straub läuft in einem Stiletto herum, der andere Fuß ist nackt, aber Val bringt es nicht fertig, die verzweifelt Jenseitige einmal heftig zu drücken.

Die Menschen leben in Einzelhaft

Christiane Hagedorn, Melanie Straub

© HL Böhme

 

 

 

Val drückt lieber Lady Torrance (Christiane Hagedorn), die mit dem verbitterten, dahinsiechenden Jabe (Peter Pagel) verheiratet ist und trotz der elenden Ehe seinen Laden verwaltet. Dem Amüsement gewidmete Zelte werden auf die Bühne gehievt, im Innenbereich befinden sich gleißende Lichterketten wie auf dem Jahrmarkt. In diesem minimalen Lebensbereich regiert die Lady, hier im Mercantile Store ist Val nun angestellt. Val erzählt bizarre Geschichten, die anheimelnd auf Lady Torrence wirken, aber er ist davon überzeugt, dass ein wahres Kennenlernen nicht möglich ist und die Menschen in Einzelhaft leben. Wir sind verdammt in der Individuation! Holger Bülow spielt seine Figur mit kalkulierter Hölzernheit und einer Unbeholfenheit, die mitunter in Cleverness und Souveränität umschlägt. Einmal geschieht es, dass sie ihn in einer Aufwallung von Aggressivität schlägt: Er überwältigt sie und reitet sie nieder. Der Regisseur Elias Perrig hält sich eng an die Vorlage und vermeidet jeglichen Anflug blumiger Romantik.

Fremdenhass und Eifersucht

Melanie Straub, Holger Bülow

© HL Böhme

 

Am Ende werden alle Zelte niedergerissen, da der moribunde, blutkapselverschmierte Jabe aus Rachsucht alles niederbrennen lässt – seine Lady erlegt er wie ein Stück Vieh mit einem Pistolenschuss. Der diesmal mit Glatze auftretende rustikale Raphael Rubino (als Sheriff), auf den nicht mehr dick, sondern das Prädikat ‚kräftig' zutrifft, mag keine Fremden und möchte aus Eifersucht Val vertreiben. Ein extremer Fall von Xenophobie.- Angekündigt sind 130 Minuten, aber es wird fünf Minuten kürzer gespielt – haben die Akteure zu schnell agiert? Zuweilen entsteht beim Betrachten der Aufführung ein Gefühl von Leere. Ein Hohlraum macht sich breit, den man besser hätte ausfüllen können, zumal die meisten Szenen aus schmalen Interaktionen bestehen. Elias Perrig hat das Drama relativ werktreu und handwerklich solide auf die Bühne gebracht, aber das ist ein bisschen wenig: Die großen Einfälle, die zündenden Ideen fehlen. Aus was resultiert eigentlich die behauptete Anziehungskraft von Val? Letztlich ist es keine große Inszenierung, wenigstens ist sie noch annehmbar.

Orpheus steigt herab
von Tennessee Williams
Deutsch von Wolf Christian Schröder
Regie: Elias Perrig, Bühne: Wolf Gutjahr, Kostüm: Katharina Weissenborn, Musik: Biber Gullatz, Dramaturgie: Remsi al Khalisi.
Mit: Melanie Straub, Peter Pagel, Christiane Hagedorn, Holger Bülow, Raphael Rubino, Claudia Renner, Meike Finck, Axel Sichrovsky, Philipp Mauritz, Andrea Thelemann.

Hans Otto Theater Potsdam

Premiere vom 11.April 2014

Dauer: ca. 2 Stunden 5 Minuten, keine Pause

 


 

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