Nicola Ruf, Holger Bülow, Michael ...

Nicola Ruf, Holger Bülow, Michael Schrodt, Gina Henkel, René Schwittay (Bild: © HL Böhme)

Theater im Theater

Der Regisseur Otteni zeigt ein Theater, das sich selbst reflektiert. Immer wird dem Zuschauer vor Augen gehalten, dass alles nur nachgestellt bzw. ein Spiel ist. Es sieht so aus, als habe sich Christopher (Holger Bülow) einige Schauspieler des Potsdamer Ensembles ausgewählt, um jede Szene nachzuspielen und dabei die Personen mit ihrem richtigen Namen anzusprechen, etwa Gina (Henkel) und Michael Schroth. Angesichts eines Polizisten bemerkt Christopher einmal, dass der doch zuvor eine andere Rolle gespielt habe. Theater im Entsehungsprozess: Otteni bedient sich der Technik von Mise en abyme (Bild im Bild) und zelebriert eine Selbstreferentialität, die zum Antriebsfaktor des Stückes werden soll. Ausgerechnet der naive Christopher übernimmt den Part eines Arrangeurs, der aber selbst den Anweisungen des Regisseurs folgt.

 

Nicola Ruf, Holger Bülow

© HL Böhme

 

Aufbruch nach London

Christophers Perspektive ist mathematisch und verengt, er scheut sich vor fremden Menschen und Orten und verkriecht sich lieber in seine eigene (reduzierte) Welt, in der ihm kleine verschlossene Räume gerade recht sind. Holger Bülow spricht seine Worte sehr bedächtig aus, ja verzagt, ohne besondere Betonung oder Konzentration, als seien sie Augenblickseinfälle. Je mehr Christopher Rot sieht, desto besser: Fünf rote Autos hintereinander bedeuten supergute Tage, gelbe hingegen ein solches Unglück, dass er jede Kommunikation verweigert. Als er durch Briefe entdeckt, dass seine Mutter (Nicola Ruf) noch lebt, macht er sich vom kleinen Kaff Swindon auf nach London. All die vielen Sinneseindrücke, die Umflutung seines Wahrnehmungsapparats – es ist ein Gewaltakt, der mit Lähmungsgefühlen einhergeht, zumal sich sein Vater (Raphael Rubino) als Wellingtons Mörder erwiesen hat.

 

Eine Versöhnung bahnt sich an

Raphael Rubino legt einen Vater hin, dem es in seiner wuchtigen Vierschrötigkeit an Empathie gebricht, obwohl er sich zuweilen darum bemüht. Nicola Ruf entdeckt nach dem Wiedersehen mit Christopher ihre Zuneigung spät, als noch nicht alles zu spät ist: Lieber spät als nie. Ihr Gesicht ist mitunter leer und ausdruckslos und wird erst lebendig, wenn die Handlung ins Dramatische übergeht, ganz im Gegensatz zu Gina Henkel, die ihre vielen Rollen überzeichnet und zu jeder Bemerkung ein überzogenes Gesicht aufsetzt, was sie in die Nähe des Boulevards rückt. Denia Nironen, die sich wie im privaten Rahmen präsentiert, wird von Otteni auf gelegentliche Einmischungen reduziert, sie deklamiert mehr, als dass sie spielt. Die ganze Inszenierung wird hauptsächlich von Holger Bülow als weichmütigem Kraftfeld zusammengehalten.

Am Ende kehrt Christopher mit seiner Mutter nach Swindon zurückt, an jenen Ort also, wo das familiäre Zerwürfnis unausweichlich war. Eine Versöhnung bahnt sich an, zumal der Vater seinem Sohn einen monströsen Hund schenkt. "Das ist kein Hund, das ist Michael Schroth", sagt Christopher. Der Schauspieler steht nebendran und lächelt. Es gibt einiges zu lächeln in dieser Inszenierung.

Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone

Nach dem Roman von Mark Haddon

Bühnenfassung von Simon Stephens

Deutsch von Barbara Christ

Regie: Stefan Otteni, Bühne: Peter Scior, Kostüme: Sonja Albartus, Theaterpädagogik: Kerstin Kusch.

Es spielen: Denia Nironen, Holger Bülow, René Schwittay, Raphael Rubino, Michael Schroth, Nicola Ruf, Gina Henkel.

Hans Otto Theater Potsdam

Premiere war am 16. Januar 2015

Dauer: 2 Stunden, 30 Minuten, eine Pause

 

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