Bernd Geiling (Vorsitzender) ...

Bernd Geiling (Vorsitzender), Andrea Thelemann (Staatsanwältin), Denia Nironen (Franziska Meiser) (Bild: @ HL Böhme)

Moral? Ganz im Sinne des Gesetzes

Der Regisseur verzichtet auf jeglichen Schnickschnack, auf verbrämende Ingredienzien und lässt auch keine untermalenden Videos zu, wie etwa Hasko Weber bei seiner Premiere im Deutschen Theater Berlin ( 3. 10. 2015). Die Zuschauer sehen lediglich den kahlen Gerichtssaal, in dem sich vor allem Bernd Geiling als Vorsitzender hervortut. Der ist an Professionalität kaum zu überbieten, als sei er für einen solchen Job berufen, aber nicht geboren. Nun, seine präzis sitzenden Gesten, aus denen Hintertöne hindurchschimmern, haben doch einen leicht koketten Zuschnitt an elegant-verführerischer Theatralik. Die Staatsanwältin (Andrea Thelemann) ist wahrlich eine buschstabentreue Apologetin des Staats und justiztreu bis zum Abwinken. Selbstverständlich muss sie nebenbei mitteilen, dass sie gegen den assistierten Freitod ( bekannt auch unter ‚Sterbehilfe') ist, weil der Bundestag so entschieden hat. Das bedeutet, das alte moribunde Menschen, die tausend Krankeiten am Hals haben, noch eine paar Monate Fristverlängerung duch Medikamente erhalten, obwohl sie ohnehin sterben. Bei Tieren hingegen gebietet es die Menschlichkeit, sie aufgrund ihrer Leiden einzuschläfern. Wer so auf dem Boden der Justiz steht, mag die Moral nicht sonderlich - für den ist Mord die allerschlimmste Tat. Auch wenn Zehntausende dadurch gerettet werden könnten. Und was macht der Verteidiger? Florian Schmidtke legt mit leisem, aber unüberhörbarem Pathos ein leidenschaftliches Plädoyer hin für die Moral, unter Verwendung von Kant, der den Blödsinn verbreitete, dass man niemals lügen darf. Anscheinend auch nicht, um das eigene Leben oder anderer zu retten.

 

Jonas Götzinger, Bernd Geiling

@ HL Böhme

 

Es hätte schließlich alles anders ausgehen können

In jedem Prozess sitzen auch Opfer. Da ist zum Beispiel eine Zeugin (Denia Nironen), die händerringend auf ihren Einsatz wartet und dann nach der Erleichterung cool dasitzt. Die Zeugin, deren Mann ein Flugzeugopfer ist, ringt verzeifelt mit dem Schicksal, ohne den mit dem Gewissen ringenden, aber entschlussfreudigen Abschusspiloten (Jonas Götzinger) brandzumarken. Es ist schön anzusehen, wie die trauernde Nironen versucht ihre Bestürzung niederzuhalten. Wie als Devotinalie vergräbt sie den übriggebliebenen Schuh des Ex-Gatten. – Gewiss, es lassen sich viele Argumente gegen die Auslöschung des Flugzeugs anführen, und einige davon werden erwähnt. Es war ja nicht unwahrscheinlich, dass die Passagiere ins Cockpit eindringen und die Terroristen überwältigen. Oder dass die ganze Aktion nur ein Einschüchterungsbluff war. Bedauerlicherweise sind das nur Spekulationen und Hypothesen, die zu nichts führen. Dass hier eine halbe Kriegserklärung vorliegt, wird nicht einmal erwähnt. Der dressierte Kampfjetpilot hat im Grunde nur das getan, was aktuell auch viele Polizisten tun, fernab vom Gesetz: Präventive und prophylaktische Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Dabei kann auch mal jemand aus Versehen eliminiert werden, ohne dass die Justiz einschreitet. Aber, wie gesagt, dieses Stück ist nur ein Gedankenexperiment, das vornehmlich zeigt, wie aufgeweicht die Grenzen sind beim Aufeinanderprallen von Justiz und Moral. Man kann dieses Stück durchaus in den Sand setzen, in Potsdam geschieht das nicht.

 

Terror

von Franz von Schirach

Regie und Bühne: Andreas Rehschuh, Kostüme: Grit Walther, Dramaturgie: Carola Gerbert.

Es spielen: Denia Nironen, Bernd Geiling, Florian Schmidtke, Andrea Thelemann, Christoph Hohmann, Jonas Götzinger.

Hans Otto Theater Potsdam

Kritik vom 27. 10. 2016

Dauer: ca. 2 Stunden, 10 Minuten.

 

Laden ...
Fehler!