Michael Schrodt (Sossimow), Florian ...

Michael Schrodt (Sossimow), Florian Schmidtke (Rasumichin), Denia Nironen (Samjotowa), Eddie Irle (Raskolnikow), Nina Gummich (Lisaweta) (Bild: © HL Böhme)

Lockere Party-Szene und heruntergekommene Kammern

Raskolnikow (Eddie Irle) kommt eher als ein Weichling daher, der sich lediglich zu kühnen Gedanken hochgeschwungen hat, für die er gar nicht geboren ist. Schnell wird klar: Er ist ein zarter Theoretiker, kein Mann der Tat. Trotzdem versucht er in einer Aufwallung von Hybris über seinen eigenen Schatten zu springen. Dabei braucht der gelegentlich Aufbrausende Zuwendung, ja Nestwärme. Die erhält er, als seine Mama Pulcherija Alexandrowna (Andrea Thelemann) und seiner Schwester Dunja (Denia Nironen) anrücken. Doch jener, der direkt nach der Tat in einen mehrtägigen fiebrigen Dämmerzustand fiel und vor Zeugen von Verbrechen redete, weist den familiären Anhang schroff zurück. Sein von Florian Schmidtke gespielter Freund Rasumichin sieht aus wie ein Bier schaufelnder Halb-Rocker, der sich auf die nächste Schlägerei freut. Ansonsten hält sich Rakolnikow gern bei den kürzlich kennengelernten Marmeladows auf. Der Mann ist nach einer Sauferei gestorben, die Marmeladowa (Denia Nironen) hat es schwer an der Lunge und die Tochter Sonja (Nina Gummich) prostituiert sich. Gummich haust in einer abgewrackten Höhle, an der Wand hängen wie zur Rettung der Seele einige Heiligenbilder. Ohnehin ist das Bühnenbild (Žana Bošnjak) zum Abschied von Regisseur Nerlich sehr aufwändig gestaltet. Mehrmals erscheint auf der Bühne ein zerklüfteter, kugeliger Krater, der sich konkav und höhlenartig nach innen wendet und in die Aktionen eingebunden wird.

 

Eddie Irle (Raskolnikow, liegend), Moritz von Treuenfels (Swidrigajlow)

© HL Böhme

 

 

Psychologischer Kampf zwischen Täter und Kommissar

Nerlich geht mit dem Personal sparsam um, für etwa 20 Rollen beschäftigt er 7 Darsteller*innen, die teilweise mehrere Rollen übernehmen. Nein, mit diesem schwächlichen Protagonisten ist kein Staat zu machen. Sein Gegenspieler ist der clevere, taktisch versierte Kommissar Porfirij Petrowitsch (Moritz von Treuenfels), mit dem sich ein psychologischer Kampf und Kleinkrieg entspinnt – diese Szenen gehören zu den fesselndsten der Inszenierung. Dem elegant kombinierenden Petrowitsch fehlen nur die Beweise, aber die werden überflüssig durch Raskolnikows, von Sonja gefordertem Geständnis. Von Treuenfels spielt auch den leichtlebigen, angeblich einem liederlichen Lebenswandel huldigenden Swidrigajlow, den man sich beim Lesen des Romans ganz anders vorstellt. Hier wirkt er wie ein langhaariger Party- und Szenegänger, mit Vokuhila-Frisur, spleenig und bizarr, angesiedelt zwischen Wahn und Hochmut. Er bringt sich schließlich in einer Glaszelle um, nachdem er von Dunja endgültig abgewiesen wurde. Die drei Rollen stemmende Eidgenossin Nironen ist ob ihren äußerlichen Verwandlungen kaum wiederzuerkennen, egal ob sie als Party-Queen oder Hohepriesterin auftaucht oder Lungenschleim aushustet. Eddie Irle hat sich dermaßen zurückgenommen, spielt er doch nicht selten sexistisch angehauchte, mit Derbheit versehene Machos. Nun, man hätte sich eher einen kraftvolleren Raskolnikow gewünscht. Trotzdem ist Nerlichs Abschied vom Hans Otto Theater recht gelungen, bei einer Vorlage, die man leicht in den Sand setzen kann.

 

Verbrechen und Strafe

von Fjodor Dostojewski

Übersetzung Swetlana Geier, Bearbeitung Alexander Nerlich

Regie: Alexander Nerlich, Bühne & Kostüme: Žana Bošnjak, Musik: Malte Preuß, Choreographie: Jasmin Hauck, Cecilia Wretemark, Dramaturgie: Julia Fahle.

Es spielen: Denia Nironen, Nina Gummich, Andrea Thelemann, Moritz von Treuenfels, Florian Schmidtke, Michael Schrodt, Eddie Irle.

Hans Otto Theater Postsdam, Premiere 2. Februar 2018.

Dauer: 3 Stunden, 15 Minuten, eine Pause.

 

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