Bernd Geiling, Jon-Kaare Koppe ...

Bernd Geiling, Jon-Kaare Koppe, Philipp Mauritz (Bild: © HL Böhme)

Etwas für eingeweihte Kreise

Wie bei Rezas "Drei Mal Leben" hat der Intendant und Regisseur Tobias Wellemeyer auf das eingespielte Duo Bernd Geiling und Jon-Kaare Koppe zurückgegriffen, als Ergänzung kommt der Komödiant Philipp Mauritz hinzu, den man sich kaum in einer ernsthaften Rolle vorstellen kann. Mauritz spielt Yvan, der als Mediator, blitzableitender Prellbock und unschuldig-schuldiger Sündenbock fungiert. Geiling als Serge hat mit seinem selbsteingeschätzten feinsinnigen Gespür ein Kunstwerk gekauft, und das nicht nur, um " den Kunstmarkt in Bewegung zu halten". Das Bild hält er zwar nicht für die Speerspitze der Avantgarde, aber es ist immerhin zeitgemäß und hochaktuell und hat den nicht unwesentlichen Nebeneffekt, den offensichtlich mit einem erlesenen Geschmack behafteten Besitzer in eingeweihten Kreisen zu erhöhen. Auf der schlichten Bühne (Alexander Wolf) steht eine gänzlich weiße Leinwand, auf der der kultivierte Serge subtile, ans Geniale grenzende Farbübergänge zu sehen glaubt, als sehe der Dermatologe kleine, wissenschaftlich zu erforschende Farbabstufungen auf einer Patienten-Epidermis. Seine subjektive Beurteilung erklärt er zur Objektivität – nur kann der von Koppe gespielte Marc trotz angestrengter Betrachtung und Perspektivwechsel rein gar nichts erkennen. Noch schlimmer: Er fühlt sich von seinem Freund verraten, sein gesamtes Weltbild wird vor seinen Augen demontiert, seine gefestigten bürgerlichen Werte stürzen ein. Koppe macht ein Gesicht wie ein begossener Pudel, es changiert zwischen naiver Drolligkeit, Gereiztheit und verborgener Aggression.

 

Verbale Tiefschläge in die Weichteile

Yasmina Reza hat ein ungewöhnliches Talent für die Verschärfung von Kommunikationsprozessen und Konflikten, die sie mit Ironie, Wortwitz, Zynismus und offen ausgetragenen Gemeinheiten würzt. Bei dieser Textvorlage kann man nicht viel falsch machen, sofern man über halbwegs taugliche Schauspieler verfügt. Wellemeyer allerdings ist mit seiner Auswahl ein Glücksgriff gelungen: Bernd Geiling, nicht mit einer seriösen Krawatte, sondern einem akkuraten Schal ausgestattet, scheint im vorgerückten Alter die Rolle seines Lebens zu spielen. Er zeichnet seine Figur mit großen Gesten, vorgegebenen Macherqualitäten und rhetorischen Versiertheiten, die nicht vor Tiefschlägen in die Weichteile zurückschrecken. Rein gesichtstechnisch eine Meisterleistung. Doch ist die Komödie nicht letztlich eine charmante Belanglosigkeit, die in politisch brisanten Zeiten wesentlich relevanteren Themen den Platz wegnimmt? Mitnichten. Klar, vordergründig geht es nur um ein Bild, um den Kunstgeschmack – aber die harmlos beginnenden Auseinandersetzungen münden in einen handfesten Streit über ein privates Wertesystem, das vom Einsturz bedroht ist. Eine billige weiße Sperrholzwand, wie der plötzlich nicht mehr unentschiedene Yvan gegen Ende zum Entsetzen von Serge einwirft, bewirkt einen Kampf um unterschiedliche Lebensweisen und Weltanschauungen. Das ist die Dynamik dieses Stücks. Der an sich harmlose Konflikt geht so weit, dass selbst höchst private Dinge aufs Schlachtfeld getragen werden und sich mit angegriffenen Weltbildern vermischen. Ein durchweg amüsanter, ein schöner Abend in Potsdam. Einziges Manko: Die langjährigen Freunde Serge und Marc wirken nicht gerade, als würden sie sich besonders intensiv kennen.

Kunst

von Yasmina Reza

aus dem Französischen von Eugen Helmlé

Regie: Tobias Wellemeyer, Bühne: Alexander Wolf, Kostüme: Ines Burisch, Dramaturgie: Christopher Hanf.

Es spielen: Bernd Geiling, Jon-Kaare Koppe, Philipp Mauritz.

Hans Otto Theater Potsdam

Premiere vom 21. November 2015

Dauer: 90 Minuten

 

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