HAU 2 Berlin: Gob Squad – Kritik von "Western Society"
Performance mit Zuschauerbeteiligung. Ein Karaoke-Video wird nachgespielt. Das Fenster des Westens ist weit geöffnet.HAU 2 Berlin (Bild: © Steffen Kassel)
Overknees und High Heels mit Riemchen
Selbstverständlich hat die Party schon ohne die Mitwirkung der Gast-Darsteller begonnen, die sollen nur für den nötigen Schwung sorgen, als Verstärker fungieren. Zu Beginn zeigen sich die Performer gänzlich nackt, man sieht Busen – prall und eine kleinere Version – und gleichsam entzückte Gestalten wie in einer prähistorischen Zeit. Eine Form der Vor-Ekstase, die einen Urzustand simulieren soll. Eine Unschuld des Werdens. Relativ rasch legen sich die Akteure bunte Glamour-Klamotten an, die an eine Travestie-Show erinnern. Wir sehen zwei Männer, der eine trägt goldenfarbene Overknees und der andere High Heels mit Riemchen. Nach einer Zeitreise in die Gegenwart wird die Wiedergeburt der uferlosen Party in Angriff genommen, die Figuren verschanzen sich hinter einer Leinwand, auf die dann ihr Backstage-Treiben projiziert wird. Es ist ein Triumphzug der heiteren Ausgelassenheit ohne höhere Ambitionen.
Hausmannskost mit den Mamas & Papas
Wer kennt den Text nicht? All the leaves are brown/And the sky ist grey/I've been for a walk/On a winter's day/I'd be safe and warm/If I was in L.A./California dreamin'/On such a winter's day. California dreamin' von den Mamas & Papas feiert friedlich Urständ, der Song durchzieht den halben Abend, aber man erlebt kein fulminantes Karaoke-Mysterium: Die Rückbesinnung auf Los Angeles geschieht ohne Wunder und Weihen, sie ist, ganz im Gegenteil, sehr bodenständig, geradezu Hausmannskost. Nun, selbst ein brillanter Dilettantismus hat seinen Reiz, und darauf setzt das Team von Gob Squad. Der Unterhaltungsfaktor ist die Hauptsache, man platziert ein paar zündende Ideen und rührt sie ein wenig herum, auf dass ein kunterbunter Schnipselabend zustande kommt.
Herumstochern im feinen Backwerk
Den sieben ausgesuchten Amateur-Darstellern werden Kopfhörer übergestülpt, sie erhalten Weisungen darüber, wie sie sich in Szene zu setzen haben. Sie machen das, was man auf Partys normalerweise tut: Es wird geklatscht, getänzelt, im Paar getanzt, in Magazinen geblättert - und Kuchen gegessen. Das Herumstochern im feinen Backwerk hat einen exzessiven Charakter, mutiert beinahe zum großen Fressen ohne Gourmet-Herrlichkeit. Fast unwillkürlich rutscht Gob Squad in die Parodie oder Persiflage einer Party, die mit allen möglichen Klischees behaftet ist. Gegen Ende darf ein Zuschauerdarsteller, der offensichtlich als besonders kompetent und geistesgegenwärtig erachtet wurde, ein längeres Zwiegespräch mit einem Performer führen. Mittlere Schlagfertigkeit und latenter Sprachwitz bringen die Zuschauer zum Lachen, was sie eigentlich, als leicht amüsierbare Konsumenten, schon die ganze Zeit über tun. Leider ist das Konzept von Gob Squad etwas dürr, es fehlen Hinterfragungen, Reflexionen, das Anprangern und Aufdecken von Missständen jenseits der Partyfreudigkeit, kurz: die Aktivierung der Tiefendimension.
Western Society
Regie: Gob Squad
Mit: Tatiana Saphir, Sharon Smith, Johanna Freiburg, Sean Patten, Bastian Trost, Damian Rebgetz, Berit Stumpf, Simon Wil, Sarah Thom.
Bühnenbild: Lena Mody, Sounddesign: Jeff McGrory, Video: Miles Chalcraft, Kostüme: Emma Cattell/Kerstin Honeit, Lichtdesign: Chris Umney.
Hau 2 Berlin (Hebbel am Ufer)
Premiere am 5. Oktober 2013, Kritik vom 6. Oktober 2013
Dauer: 2 Stunden, keine Pause
Bildnachweis: © Steffen Kassel
Bildquelle:
Ruth Weitz
(Lilli Chapeau und ihr kleinstes Theater der Welt in Miltenberg)