Plakat der Aufführung

© Showcase Beat Le Mot

 

Wir sind euch allen überlegen

Die aus Gießen stammende Theaterformation ist schon seit längerem aktiv, sie besteht aus Veit Sprenger, Nikola Duric, Dariusz Kostyra und Thorsten Eibener. Showcase Beat Le Mot zeigten bereits in Intervallen Bruchstücke ihrer Performance, die jetzt im Hebbel am Ufer über drei Stunden ihr großes Finale feiert: "Die lange Nacht der Nazisupermenschen". Anfangs hüpfen die in kosmonautischen Schutzanzügen steckenden Zeitfahrer rhythmisch zur Musik, anschließend begeben sie sich in einen transparenten Großbehälter, der mit Schaum angefüllt ist: Das Zeitschiff. Bei jeder Begegnung mit einem epochalen Machtbereich sagen sie ihre Parole auf: "Wir sind die Nazisupermenschen. Wir sind euch allen überlegen. Wir kommen in Frieden." Beim Zusammentreffen mit Gaius Julius Cäsar sind sie seiner Sprache nicht mächtig, also fummeln die Schauspieler an ihren Aftern herum, um auf den Latein-Modus zu wechseln. Sie bringen dem verblüfften Cäsar den Hitler-Gruß bei, der Imperator fällt dabei in Ohnmacht. Als Bonus oder Präsent nehmen die vier Unermüdlichen Cleopatra mit in ihr Zeitschiff.

 

Verknotungen auf einer Plattform

Wenn sie nicht in ihren Schutzanzügen stecken, tragen die Schauspieler rockartige Hosen, die ihnen etwas spielerisch Feminines verleihen. Veit Sprenger trägt hohe schwarze Stiefel mit Plateausohlen, als habe er dieses Glamour-Produkt aus den 70er-Jahren in einem Second-Hand-Laden erworben. Was sie spielen, wirkt wie ein Comic für Erwachsene, angefüllt mit grotesken Einflechtungen, denen die Originalität nicht abzusprechen ist – doch mitunter gebricht es an Witz. Das Sexuelle bleibt vollständig ausgeklammert: Dass man mit diesem Knuspermodell Cleopatra auch einiges anstellen kann, kommt den Akteuren gar nicht in den Sinn. Als die Nazisupermenschen 1703 im Spiegelsaal von Versailles bei Ludwig XIV. ankommen, lernen sie das Tanzen kennen. Die Zuschauer sehen die Performer, wie sie auf einer runden Schaumgummi-Plattform liegen und zuerst die Hände, dann die Körper verknoten. Später machen sie das Gleiche noch einmal, nur mit den Füßen, und das sieht aus wie beim Damen-Wasserballett. Überhaupt herrscht absolute Freiheit im Saal, man fühlt sich wie bei Jonathan Messes Inszenierung "De Frau", die vor knapp acht Jahren in der Berliner Volksbühne erfolgte. Die Zuschauer können während der Aufführung rein- und rausgehen, den Standort wechseln, sich Getränke holen oder sich an einem mitgebrachten Essensstand bedienen.

 

Kampf um Cleopatra

Natürlich landen die Missionare auch bei Jesus, der leider Nazarener nicht von Nazi unterscheiden kann. Nach der Hinrichtung des Heilands am Berg Golgatha werden Wein und Kekse ans Publikum verteilt. Angekommen bei den Neandertalern, laufen die Nazis in schwarz-weißen Fellen herum, bis die Eiszeit und damit die Zeit des Homo erectus einsetzt. In der mongolischen Steppe werden sie mit dem König Khan konfrontiert, und sie bieten dem Herrscher ein scheinbar ambrosisches Getränk an, "trink es!" Khan aber versteht nur Dschingis und erhält durch die irrlichternden Pioniere seinen vollständigen Namen. Es läuft ein schönes mongolisches Lied, das heute noch bei den Chinesen beliebt ist und dort auch mit Erhu und Sheng gespielt wird. Ein grandioses Zwischenspiel, ist doch die musikalische Untermalung ansonsten arg durchwachsen und mainstreamartig. Ein weiterer Zusammenstoß, diesmal mit König Artus und seiner Tafelrunde wird martialisch, denn die delikaten Elemente, die Cleopatra anhaften, sind auch den tumben Rittern nicht entgangen. Ein Konglomerat von Metallplatten und anderer wundenvermeidenden Harteilen steht nun auf der Bühne. Im Kampf der Rüstungen geben sich die Nazisupermenschen schließlich geschlagen. Die verlorene Cleopatra aber, angetan von der Virilität der Unterlegenen, schleicht sich zu ihnen aufs Zeitschiff. Dorthin kehren die "Chrononauten", desillusioniert und leicht resigniert, auch wieder zurück, als sie gesehen haben, was für einen schlaffen Verein dieser Führer um sich versammelt. Das 3. Reich: Eine Herabziehung ins unerträglich Profane. Insgesamt läuft die Aufführung manchmal ins Leere, weil die Ideen nur halb zünden und partiell unausgespielt bleiben. Trotzdem ist es dank der vielen Szenewechsel, der bizarren und skurrilen Einfälle ein nicht uninteressanter Abend.

Nazisupermenschen sind euch allen überlegen. Die lange Nacht der Nazisupermenschen

von Showcase Beat Le Mot

Idee, Konzept, Raum: Veit Sprenger, Nikola Duric, Dariusz Kostyra, Thorsten Eibener; Musik: SCBLM, Albrecht Kunze, Mika, Shokkamocca; Choreografie: SCBLM, Minako Seki, Kostüme: SCBLM, Tanja Jesek Bauten: Atia Trofimoff, Christian Wenzel; Video: Alexej Tschernyi, Atia Trofimoff.

Hebbel am Ufer 3

Premiere: 19. Dezember 2014

Dauer: ca. 3 Stunden, 2 Pausen.

 

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